Der Tourismus lebt wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig von schönen Landschaften und der Gastfreundschaft der Menschen in den Zielgebieten. Das allein müsste ihn zum Vorreiter der nachhaltigen Entwicklung machen, wie sie 1992 auf dem Erdgipfel in Rio von der Staatengemeinschaft beschlossen wurde. Doch die rasante Entwicklung des Tourismus – heute der wichtigste Wirtschaftszweig und Arbeitgeber der Welt – geht klar auf Kosten der lokalen und globalen Umwelt und allzu oft auch zu Lasten der breiten Bevölkerung in den Gastregionen.
Dem Tourismus droht die rote Karte, wenn jetzt – zehn Jahre nach der Rio-Konferenz – Bilanz gezogen wird über die Fortschritte der nachhaltigen Entwicklung. Ein Platzverweis als deutlicher Appell an die Adresse der verantwortlichen Akteure des Tourismus, ins Training zurückzukehren, um „fair play“ zu üben und den Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten, der ihnen als VertreterInnen des führenden Wirtschaftszweiges zukommt!
Das meinen die VertreterInnen von Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich im Rahmen des Netzwerkes DANTE kritisch mit Tourismus beschäftigen. Im Hinblick auf den Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung (WSSD), der im Sommer 2002 in Johannesburg/Südafrika stattfinden wird, legen sie zehn Leitsätze mit Forderungen an alle Verantwortlichen für eine zukunftsfähige Entwicklung des Tourismus im 21. Jahrhundert vor. Das Strategiepapier orientiert sich an zehn der wichtigsten Themen, die auf dem WSSD auf der Tagesordnung stehen werden, hinterfragt die spezifischen Wechselwirkungen mit dem Tourismus und stellt Postulate für die künftige Entwicklung zur Diskussion.
Auf dem Erdgipfel von Rio war der Tourismus trotz der Bemühungen verschiedener NGOs nicht auf die Tagesordnung zu bringen. Erst 1999 erarbeitete die mit der Umsetzung des Rio-Folge-Prozesses betraute UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD-7) ein umfassendes Aktionsprogramm für eine nachhaltige Ausgestaltung des Tourismus. Das eröffnete ein neues politisches Gestaltungsfeld auf internationaler, aber auch auf nationaler Ebene, um die Entwicklung des Tourismus auf die in Rio eingegangenen Verpflichtungen auszurichten: Die Nachhaltigkeit als Generationsvertrag in seinen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen anzuerkennen, Belastungsgrenzen der Umwelt zu respektieren und globale Umweltgerechtigkeit herzustellen, die Armut wirksam zu bekämpfen und den Lebensstil des Nordens den Erfordernissen der nachhaltigen Entwicklung anzupassen – dies immer unter vollem Einbezug und der Mitwirkung aller Beteiligter. Diese Chance, neue Wege im Tourismus zu begehen, wird jedoch bislang kaum wahrgenommen. Denn die CSD-7-Resolution, die einen recht fortschrittlichen Rahmen abgibt, ist bei den verantwortlichen Adressaten im Tourismus noch kaum zur Kenntnis genommen, geschweige denn umgesetzt worden. Das sind schlechte Voraussetzungen für die angekündigte Evaluation, die auf dem WSSD vorgenommen werden soll.
Zwar haben Reiseanbieter, Hotels, Veranstalter, Tourismusgemeinden in Nord und Süd sich in den letzten Jahren zunehmend um verträglichere Konzepte bemüht, dies allein schon zur Sicherung ihrer eigenen Zukunft. Auch bekunden immer mehr Reisende, besonders in den Industrieländern, ihr Interesse an umwelt- und sozialverantwortlicheren Formen des Tourismus. Doch wird gerade dieses Potenzial mangels adäquater Angebote ungenügend ausgeschöpft. Die neuen verträglicheren Ansätze im Tourismus bleiben lokal begrenzt und zielen oft einseitig auf ökologische Anliegen wie Wassersparen oder Müllentsorgung ab, ohne die soziale Dimension der Nachhaltigkeit einzubeziehen. Denn das wirft im Tourismus immer auch die Frage auf, wer denn eigentlich welche Ressourcen nutzen darf bzw. sparsamer damit umgehen soll. Nach wie vor setzen Tourismusverantwortliche vorab auf die Wachstumslogik, die ihre Unverträglichkeit längst bewiesen hat und zukunftsweisendere Initiativen der harschen Konkurrenz mit Billigreisen und dem Kampf um Marktvorteile aussetzt.
Die Trendwende zu einer insgesamt verträglicheren Ausgestaltung von Tourismus- und Freizeitaktivitäten, wie sie im Sinne der nachhaltigen Entwicklung notwendig ist, zeichnet sich nicht ab. Diese wird auch mit dem "Internationalen Jahr des Ökotourismus“ nicht eingeläutet, das die UNO für 2002 proklamiert hat; zu stark steht dabei die Förderung des unklar definierten Modells des „Ökotourismus“ im Vordergrund, ohne dass die Kritik der Betroffenen Gehör findet. Die entscheidende Trendwende wird auch nicht allein mit Richtlinien zum Tourismus, wie sie zur Zeit im Rahmen der Biodiversitätskonvention im Rio-Prozess verankert werden sollen, bewerkstelligt werden. Denn auch in diesem – an sich begrüssenswerten Vorstoss – haben die Stimmen der Betroffenen des Tourismus noch nicht das Gewicht erhalten, das ihnen als Fachleuten zukommen muss. Auf keinen Fall ersetzen gute Beispiele (best practice) oder Richtlinien, so detailliert sie auch sein mögen, eine umfassende, integrative bzw. sektorübergreifende Politik des Tourismus, wie sie für die Trendwende erforderlich ist: Dass nämlich alle Verantwortlichen – aus Politik und Behörden, aus der Tourismusindustrie, aber auch die Reisenden – ihre Verantwortung wahrnehmen und auf eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus hinwirken, damit auch künftige Generationen auf unserem Planeten in Würde leben, Freizeit geniessen und reisen können!
Wie diese Verantwortung wahrgenommen werden kann, dazu will das Strategiepapier der NGOs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Anstoss geben. Es soll eine Diskussionsgrundlage sein, Impulse setzen, wie eine nachhaltige Tourismuspolitik auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene gestaltet werden müsste und was die Tourismusindustrie und die Reisenden dazu beitragen müssen./plus

Als Broschüre ist das Strategiepapier in deutsch und englisch erhältlich beim:

Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung, Missionsstr. 21, CH-4003 BaselTel +41 61 261 47 42, Fax +41 61 261 47 21, info@akte.ch, www.akte.ch
Oder hier zum downloaden (pdf) auf:
deutsch
englisch
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