Vera Thaler: Du ziehst am liebsten mit deinem Begleithund Buddy los. Wie erlebst du als blinde Frau das Unterwegssein und welche Hürden gilt es zu überwinden?

Linda Le Bon: Eine grosse Barriere, um zum Ausgangspunkt einer Tour zu gelangen, sind öffentliche Verkehrsmittel. Ich versuche, mich im Vorfeld zu informieren – so gut es geht. Unterwegs muss ich sehr viel erfragen. Bahnhöfe zum Beispiel sind nicht barrierefrei, schon gar nicht für Blinde: Anzeigetafeln hängen viel zu hoch, Zugverbindungen werden nicht angesagt.

Eine Anekdote aus dem Zug: 
Einmal war ich auf dem Zug-WC, dort habe ich meinen Blindenstock in die Ecke gestellt. Plötzlich ein Klack und ein Gerüttel. Der Stock war weg. Am Ende habe ich ein kleines Loch auf dem WC Boden gefunden, das bis zu den Schienen runter geht. Buddy war nicht dabei, um Hilfe zu bekommen, musste ich dem Schaffner erst erklären, dass ich als Blinde ohne Blindenstock wie ein Querschnittsgelähmter ohne Rollstuhl bin.

VT: Du selbst arbeitest als freie Dienstnehmerin im Projekt der Österreichischen Alpenvereinsjugend „Alpenverein inklusiv“ mit.  Dabei setzt du dich für barrierefreie Hütten und Wege ein. Welche Barrieren – sowohl reale als auch solche in den Köpfen – gehören beim Reisen abgebaut, um Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden?

LLB: Barrierefreiheit wird von den Leuten so unterschiedlich gedacht, von vielen auch zu einseitig. Viele denken in erster Linie an Rollstuhltauglichkeit. Dabei sollte Barrierefreiheit bedeuten, dass es ausnahmslos für ALLE zugänglich ist. Gerade bei der Reiseplanung stösst man schnell an Grenzen: barrierefreie Webseiten zu finden, ist sehr schwer.

VT: Kannst du uns noch mehr über das Projekt «Alpenverein inklusiv» und deine Tätigkeit erzählen?

LLB: Es geht darum, allen Menschen – jung, alt, fit, eingeschränkt, finanziell schwachen, Kindern, Flüchtlingen – die Teilnahme am Alpenvereinsprogramm zu ermöglichen. Mit dem Projekt «Innklettern» touren wir durch ganz Österreich. Wir möchten Bewusstsein schaffen, dass Klettern nicht nur für Fitte, sondern auch für Beeinträchtigte ist.
Das Projekt barrierefreie Hütten und Wege, für das ich zuständig bin, hat inzwischen ein Team aus 14 Leuten, die in ganz Österreich unterwegs sind und Hütten beraten, um barrierefreier zu werden und um mehr Wege in der App Alpenverein Aktiv darzustellen.

VT: Was sind deine Forderungen an die Politik und die Tourismus- bzw. Freizeitindustrie, um Inklusion auf Reisen zu fördern?

LLB: Dass alle Tourismusverbände und einzelne Tourismusanbieter viel mehr barrierefreie Werbung machen, für alles, was zugänglich ist in ihrer Destination, in ihrem Hotel oder auf ihrem Freizeitgelände.

Tipps von Linda wie eine möglichst hindernisfreie Reise gelingen kann:  
Es ist einfach zu schreiben «wir sind barrierefrei». Um last minute böse Überraschungen zu vermeiden, ist es wichtig, sich so gut wie möglich zu informieren: zum Beispiel als Rollstuhlfahrer*in sich Fotos schicken zu lassen vom Badezimmer, der Dusche, Abstände zu erfragen. Wenn man den ganzen Urlaub solche Hindernisse hat, macht Reisen oft keinen Spass mehr.

VT: Kennst du Reiseveranstalter, die auf Reisen für Blinde spezialisiert sind, die du empfehlen kannst?

LLB: Ich reise immer selbstorganisiert. Es gibt aber immer mehr Reiseagenturen, die organisierte Reisen für Menschen mit Beeinträchtigungen anbieten. Auch der Blindenverband organisiert eigene Reisen. Wer auf Nummer sicher gehen will, reist am besten mit so einer Organisation.

(C) Anna Repple, Quelle: Alpenvereinsjugend Österreich

Linda Le Bon

Linda Le Bon (geb. 1964 in Belgien), ist auch nach ihrer Augenerkrankung ehrgeizige und erfolgreiche Sportlerin: 2022 wurde sie zweifache Weltmeisterin bei der FIS Para-Alpine Ski-Championship in Lillehammer (Norwegen).  Durch die “Inkletter” – Tour der österreichischen Alpenvereinsjugend ist sie zum Klettern gekommen, heute klettert sie erfolgreich im Nationalteam Paraclimbing für ihre Wahlheimat Österreich.

Foto: © Anna Repple | Quelle: Alpenvereinsjugend Österreich