42 aussergewöhnliche und solidarische Reisen in die Welt
Der Reiseführer der Journalistin und früheren Mitarbeiterin des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes Isabelle Alexandrine Bourgeois richtet sich an eine Kundschaft, die abseits ausgetretener Touristenpfade an zum Teil abgelegenen Orten nach aussergewöhnlichen und authentischen Erlebnissen sucht und dabei bedacht ist, den Nutzen für die gastgebende Bevölkerung zu maximieren und den Schaden für die Umwelt zu minimieren. Obwohl sich ein immer stärker werdendes Segment der Reisekundschaft für solidarischen Tourismus interessiert, sind entsprechende Reiseführer noch rar und daher umso wertvoller.
Die 42 Reisen sind aufgeteilt in solche zur Entdeckung des "Planeten der Menschen", des "Planeten der Umwelt", des "Planeten der Tiere" sowie des "Planeten des Ungewöhnlichen".
So können Reisende etwa in Rajastan/Indien mit einer lokalen Organisation medizinisches Material per Pferd in schlecht zugängliche Weiler austragen, oder mit einer Forschungsgruppe Delfine beobachten und zählen, in Sizilien eine mafiabefreite Wirtschaft fördern, in der Schweiz Bio-Produktionsbetriebe besuchen, in Peru Fair-Handels-Strukturen unterstützen oder gleich fair (zertifiziert) in Südafrika reisen.
Die schönen Geschichten, wie diese besonderen Reisen zustande kamen, machen deutlich, wie viel Herzblut hinter der Organisation steckt, welche Menschen da zusammenfinden und ineinander Vertrauen fassen mussten. Und sie führen ein in die Strukturen, die geschaffen wurden, um einen fairen Austausch zwischen Gästen und GastgeberInnen zu ermöglichen: Organisationen, die sich für die Bildung, die Einkommensgenerierung, den Erhalt von Kultur und Lebensräumen einsetzen, vermitteln oft vor Ort zwischen Reisenden und der Lokalbevölkerung. Dabei wird hervorgehoben, welchen Nutzen die Lokalbevölkerung von der Reise hat, und was dem Gast geboten wird. Bei verschiedenen Reisen geht ein Teil des bezahlten Preises direkt an die Projekte zur Unterstützung der Lokalbevölkerung. Eine positive Grundhaltung wird von den Reisenden erwartet und zu jedem Reiseziel erklärt, was sie beinhaltet. Lokalspezifische "Tipps und Tricks", besondere "gute Adressen" für Begegnungen oder Spezialitäten, Angaben, wie sich Gäste auch nach der Reise engagieren können, sowie praktische Angaben zu Dauer, Preisen, Unterkünften und Kontakten runden die Reisebeschreibung ab.
Mehrere der Reiseveranstalter, deren Reisen vorgestellt werden, sind Mitglied der französischen Association pour le Tourisme Equitable et Solidaire ATES, die sich dem Fairen Handel, der Mitfinanzierung von Entwicklungsprojekten durch die Reisenden sowie der transparenten Kommunikation über die Kostenbestandteile der Reise und den Austausch mit den Einheimischen verpflichtet haben. Am Schluss des Reiseführers wird auch die Ethikcharta abgedruckt, die vom Reiseveranstalter Atalante 1996 formuliert wurde, seit 1997 auch von Lonely Planet, seit 2006 auch von den Mitgliedern von Agir pour Tourisme Responsable ATR und dem Reiseveranstalter der Eisenbahn SNCF vertrieben wird. Sie enthält Anregungen etwa zur Kleidung, zum Fotografieren, zum Umgang mit Impfungen und Geld, klare Stellungnahmen zur sexuellen Ausbeutung von Kindern, zum Kulturgüterraub und zur Verminderung des ökologischen Fussabdrucks.
Wenig ist darüber zu lesen, was denn der Reiseveranstalter selber tut, um die Reise auch nachhaltig zu gestalten: Nirgendwo steht etwas über die Kompensation von CO2, auch nicht bei Flügen in die Antarktis. Der Kinderschutz wird zwar von den Reisenden eingefordert, aber zum Beispiel bei der Reise nach Bénin oder nach Kambodscha wird der Besuch von Institutionen mit Kindern ins Programm aufgenommen, ohne das der Reiseveranstalter eine Kinderschutzpolicy ausweist.
So bleibt ein grundsätzlich attraktives und innovatives Reiseangebot, das aber durchaus noch kritisch hinterfragt werden kann. Wer also eine der solidarisch angelegten Reisen buchen möchte, möge sich an den fairunterwegs-Tipp erinnern: Augen auf – und nachfragen.
Isabelle Alexandrine Bourgeois: 42 voyages extraordinaires et solidaires dans le monde. Guide Favre, Lausanne 2014, 320 Seiten, CHF 31, ISBN 978-2-8289-1374-8