Ärger auf der Strasse nach Sansibar
Sansibar ist als ostafrikanische „Gewürzinsel“ und als zunehmend populäres Ferienziel bekannt. Vor ein paar Jahren schlug die britische Kampagnenorganisation Tourism Concern Alarm, als 20’000 Sansibaris aufgrund der Baupläne für eine 2,8 Milliarden Pfund teure touristische Enklave auf der Nungwi Halbinsel Sansibars in Bedrängnis kamen. Das Vorhaben sollte das grösste in Ostafrika werden – mit Luxushotels, Golfplätzen und einem Flughafen. Schockierend daran war, dass der Plan es versäumte, von der Bevölkerung der Halbinsel zu sprechen: Sie sollte in der Folge vertrieben werden. Der internationalen Protestkampagne war es zu verdanken, dass das Bauvorhaben gestoppt wurde. Doch es scheint, dass Bauunternehmer erneut überall in Sansibar Land für Hotels kaufen, und die Bevölkerung äussert einmal mehr Besorgnis über ihre Zukunft.
Zum Beispiel wegen „La Gemma Dell’Est“, einer Ferienanlage an der Nordwestküste der Insel Sansibar. Der Stolz des Fünfsternhotels sind die 100 Zimmer mit Blick auf den Strand von Nungwi. Doch „La Gemma Dell’Est“, so wurde vor kurzem klar, ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Wasserressourcen für die lokale Gemeinde und die Hotels sind knapp. „La Gemma Dell’Est“, das mit Swimming Pools und üppigen grünen Wiesen protzt, hat auch einen 500’000 Liter-Tank für das nahe Dorf von Kendwa aufgestellt. Doch die AnwohnerInnen beklagen, dieser gebe kein Wasser aus; die Bauherren der Firma RENCO sowie das Hotel selbst nutzten den Brunnen für Marketingzwecke, während er trocken blieb. Das Problem lag darin, dass der Tank zwar gebaut, aber an keine Wasserquelle angeschlossen war. Dorfleute berichteten, die Röhren für den Anschluss zum Dorf seien zwar gebracht worden, aber noch bevor sie angeschlossen waren, seien sie von anderen Hotels der Umgebung gestohlen worden. Seit jeher steht im Dorf ein Brunnen, doch an diesem müssen die Frauen jeden morgen von Hand während drei bis vier Stunden Wasser pumpen, um ihren Tagesbedarf zu decken. Überschüssiges Wasser, das die Frauen sammeln, kaufen manchmal andere Hotels in der Nähe zu einem Preis von 20 Pence pro Liter – ein Beweis dafür, wie knapp die Wasservorräte sind. Erst vor kurzem willigte die „La Gemma Dell’Est“-Ferienanlage ein, den Wassertank für die Bevölkerung zu füllen und Röhren zum Dorf zu verlegen.
Auf dem Land, das für „La Gemma Dell’Est“ überbaute wurde, hatte die Bevölkerung zuvor Landwirtschaft für die Selbstversorgung betrieben. Jetzt sind die meisten BewohnerInnen für ihr Essen und ihren Unterhalt total von der Fischerei abhängig, und viele bleiben hungrig. Einige hatten für den Landverlust eine Entschädigung erhalten, doch meist handelte es sich um Alibi-Gesten, bei denen eher in Pence als in Pfund bezahlt wurde. Sie erhielten lediglich 2’000-2’500 tansanische Shilling (£1-£1,25) pro Kokospalme, die sie mit ihrem Land verloren hatten.
Das Restaurant der Ferienanlage steht auf Pfählen im Meer, und zwar dort, wo die Einheimischen zuvor am häufigsten fischten. Seither sind die Bestände drastisch zurückgegangen. Den Fischern ist es verboten, ihre Boote zum Schutz vor dem Wind in die Bucht zu bringen. Da sie ihr Land für die Subsistenzwirtschaft verloren haben und es immer weniger Fisch gibt, sind viele völlig von Geld abhängig geworden. Lange hatte die Bevölkerung sich selbst ernähren können, jetzt braucht sie mehr Geld, um Essen und anderes zu kaufen, für das sie zuvor selbst hatte sorgen können.
Zwar wurden am Strand auf Dorfgrund Läden errichtet, um den Dorfleuten andere Einkommensmöglichkeiten zu bieten. Dort dürfen sie nun gegen eine Miete ihre Ware anbieten. Aber die Ferienanlage „La Gemma Dell’Est“ kontrolliert, was an den Ständen verkauft wird. Einige aus dem Dorf kritisieren, die Ferienanlage halte das Monopol: Die Hotelläden dürfen die Souvenirs von besserer Qualität verkaufen, während an den Ständen der Lokalbevölkerung nur erlaubt wird, Souvenirs von schlechterer Qualität und zu niedrigeren Preisen zu verkaufen. Aus dem Dorf hat bloss einer eine Anstellung als Gärtner im Hotel gefunden. Die meisten anderen Angestellten kommen vom Festland, von Tansania oder Kenia, und einige von Stone Town, aus der Hauptstadt Sansibars. Einwohner von Kendwa erklären, sie hätten sich auch schon durch die bewaffnete Küstenwache von „La Gemma Dell’Est“ bedroht gefühlt, die versuchte, Dorffrauen davon abzuhalten, den TouristInnen Massagen und Henna-Tattoos anzubieten.
Die Bauherren von „La Gemma Dell’Est“ haben zwar angeboten, eine Polizeistation für das Dorf zu bauen, aber es braucht dringend medizinische Pflege und es gibt keinen Arzt im Dorf. Die nächsten Gesundheitszentren liegen vier Meilen entfernt in den Dörfern Kidoti und Nungwi. Es ist nicht aussergewöhnlich, dass Frauen in Wehen ihr Kind gebären, während sie auf eine Fahrgelegenheit zum Spital im zehn Meilen entfernten Dorf Kivunge warten.
Übersetzung aus dem Englischen von Nina Sahdeva
*Der Beitrag der tourismuskritischen Organisation Tourism Concern in London erschien in „Tourism in focus“, Winter 2006/07, wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von Tourism Concern.
Siehe dazu auch unter Länder/Tansania/Brennpunkt Tourismus: Erfolgreicher Widerstand auf Zanzibar:Weltgrösstes Tourismusprojekt gestoppt, vom 15. Oktober 1999