Eine Aerotropole, auch bekannt als "Airport City" oder "Aerocity" ist ein Flughafen, der von einem Wirtschafts- und/oder Industriegürtel umgeben ist. Wohl enthalten manche Aerotropolen auch grössere Wohngebiete, doch die meisten Einrichtungen zielen auf Handels- und Tourismuswachstum ab. Sie wollen mehr Flugpassagiere und mehr Waren befördern. Flugpassagiere finden hier Hotels, Läden, Unterhaltung und Kulturangebote sowie Büroräume. Fabriken, Handwerksbetriebe und Fertigungshallen bilden mit Verteilungs- und Logistikkomplexen und den Frachtabfertigungseinrichtungen ein Ganzes und ermöglichen so noch weiter gestreute globale Wertschöpfungsketten. Alle Anlagen in der Aerotropole sind abhängig von Flugverkehr und fördern diesen – und tragen damit zur Klimaerwärmung bei.
Die ersten Aerotropolen entstanden in den Neunzigerjahren rund um grössere Flughäfen wie Schiphol, München und Frankfurt in Europa, Dallas/Forth Worth in den USA oder in Changi in Singapur, gefolgt vom Incheon Airport in Seoul und Kuala Lumpur Airport in Malaysia. Inzwischen sind diese megalomanen Flughafenstädte zu einem weltweiten Trend geworden. Ihre Grösse variiert von wenigen Hektaren zu bis zu 160 Quadratkilometern, was etwa der Fläche entspricht, die Zürich und Winterthur zusammen einnehmen. Dazu kommt noch der Flächenbedarf für die Anbindung ans Verkehrsnetz: Eine sechsspurige Autobahn soll in Nepal den neuen Flughafen Nijgadh mit der Hauptstadt Katmandu verbinden. Eine Hochgeschwindigkeits-Bus- oder Zugroute soll die neue Aerotropole Jeju in Südkorea mit anderen Wirtschafts- und Tourismuszentren verbinden.

Menschenrechte unter dem Hammer

Der Landbedarf für Aerotropolen ist immens. Dafür werden Wälder abgeholzt und andere ökologisch wertvolle Gebiete sowie Agrarland umgezont und Menschen aus Dörfern vertrieben. Die betroffenen ländlichen Gemeinschaften wehren sich gegen die Vorhaben, die auf ihre Bedürfnisse kaum Rücksicht nehmen: Hunderte protestierten in Jeju gegen die Aerotropole, die ohne vorgängige Konsultation mit den Betroffenen angekündigt wurde. In Ndolo, Sambia, protestierten 2’000 Bauern gegen die Umsiedlungspläne der Regierung zugunsten einer Aerotropole. In nigerianische Ekiti begann die Regierung im Oktober 2015 40 Quadratkilometer Farmland für eine Aerotropole zu planieren, noch bevor die betroffenen Bauernfamilien je davon gehört hatten. Nebst dem eingangs erwähnten Bauern Tijani Hakeem überlebten neun diesen Entzug ihrer Lebensgrundlage nicht.
Nutzniesser der Aerotropolen sind die Flughafenbetreiber sowie grosse, global operierende Wirtschaftsplayer. Die Flughafenbetreiber setzen auf ein System von "non-aeronautical revenue" (Nicht-Luftffahrt-Einnahmen): Sie sind die Besitzer des Landes und verdienen an Pacht- und Leasingverträgen, Quersubventionierungen (Gebührensenkungen für Gegengeschäfte) und Wachstum. Sie machen die Aerotropolis zur eigenen Destinationen, eine Extremform von All-inklusive-Tourismus. Die selbstdeklarierten "Wachstumsmaschinen" lassen die lokalen KMU aussen vor und holen internationale Marken an Bord. Nicht nur fehlt die Interaktion mit der Lokalbevölkerung, ihre Wirtschaft wird auch direkt konkurrenziert: So wird das grösste Einkaufszentrum Indiens auf dem Land des Flughafenbetreibers in Neu Delhi gebaut und zieht die Kundschaft aus Delhis Läden weg in die Aerotropole.

Staatliche Anreize für eine neue Generation von Sonderwirtschaftszonen

Regierungen subventionieren solche Grossprojekte mit billigem Land, Wasser- und Stromversorgung sowie Infrastrukturen wie Zufahrtsstrassen und weiteren Vergünstigungen wie Zoll- und Steuergeschenken. So werden Steuergelder in ein internationales Business gesteckt, das in erster Linie Aktionären sowie dem Management internationaler Konzerne dient und sich mit Land und natürlichen Ressourcen bedient.
Selbst in so armen Ländern wie Sierra Leone sind Aerotropolen-Projekte kein Tabu. In Sierra Leone wütete bis letztes Jahr das Ebola Virus und brachte die Realisierung der geplanten 20-Quadratkilometer-Aerotropole Mamamah zu einem Stillstand. Selbst der Internationale Währungsfonds, eher bekannt als Befürworter der Förderung internationaler Investitionen und der Exportwirtschaft, nannte die Mamamah-Aerotropole ein "Eitelkeits-Projekt". Die dafür vorgesehenden Staatsgelder würden dringender für Gesundheit, Bildung und Trinkwasserzugang für die eigene Bevölkerung gebraucht.
Gegen den Aerotropolen-Trend regt sich Widerstand, nicht nur von den Betroffenen: Im März 2015 wurde das Globale Anti-Aerotropolis Movement (GAAM) gegründet, um die weltweite Entwicklung von Aerotropolen zu erforschen, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, lokale Widerstandsbewegungen zu unterstützen und eine internationale Kampagne gegen Aerotropolen aufzubauen. GAAM berichtet im neusten Update von Aerotropolen-Entwicklungen rund um 43 Flughäfen in 29 Ländern auf allen Kontinenten.