«Äxgüsi, darf ich bei Ihnen im Garten übernachten?»
3 x Raus, 3 x Anders – Teil 1: David
Ich nehme meinen Kompass in die Hand, auf dem Rücken habe ich meinen Rucksack voller Trekkingmaterial, im Kopf meine wichtigste Frage für die kommenden Tage: Dürfte ich bei Ihnen im Garten mein Zelt aufbauen und übernachten? Ich starte in Oberwinterthur. Los geht’s …
Nach den ersten Gehminuten beginne ich mich auf den grossen Moment am Abend einzustellen und richte meine Frage an einen spazierenden Herrn im Rentenalter. Er meint, er hätte keinen Garten, er wünsche sich einen Schrebergarten. Ich solle mich melden, wenn ich ihm einen solchen finden würde. Ich begegne einem Pärchen. Er sagt, sie würden mich jederzeit auf dem Balkon aufnehmen. Sie bleibt bei dem Gespräch verdächtig still. Beim zweiten Pärchen sagt sie, sie würden jemanden in der Nähe kennen, der einen Garten habe. Es sei gleich um die Ecke. Die Gespräche machen Mut.
Über Weizenfeldwege gelange ich nach Elgg. Ich schlendere durch das Dorf. Nahe einem Wäldchen sehe ich ein paar schöne Einfamilienhäuser. Ich wähle einen Garten, der ideal zum Zelten wäre. Die Frau des Hauses rauscht gerade mit dem Fahrrad davon. Hätte ich doch auf meine Intuition gehört und sie direkt beim Vorbeigehen gefragt! Ich gehe weiter, esse zu Abend und kehre nach acht Uhr zum Haus zurück, klingle an der Türe und hoffe, dass die nette Dame wieder zurückgekehrt ist und mir Asyl anbietet. Niemand zuhause. Mist, der Sonnenuntergang kündigt sich bereits an und ich habe noch kein Plätzchen!
Ich gehe zwei, drei Häuser weiter und sehe Licht brennen. Mein Herz pocht. Mein Vorhaben braucht Mut. Ich klingle an der Haustüre. Eine Frau öffnet und ruft ihren Mann. Ein netter Herr erscheint in der Türe. Er führt mich ums Haus, wo wir ein schönes Plätzchen finden. Nachdem ich mein Zelt aufgeschlagen habe, erscheint der Sohn mit Feuerschale und zwei Bier. Wir schwatzen beinahe drei Stunden übers Reisen, die Zeit der Distanzierung, Motorräder und vieles mehr. Melvin bietet mir an, das Badezimmer im Haus zu benutzen. Ich lehne dankend ab und krieche in mein Zelt. Ich bin ausgerüstet mit einem Zweifränkler für öffentliche Klos, Klappschaufel, Toilettenpapier und Hundekotbeuteln. Ich fühle mich, auf meine körperlichen Bedürfnisse bezogen, autark. Am nächsten Morgen bietet mir die Mutter von Melvin einen Kaffee an. Sie muss zur Arbeit. Die beiden Männer sind in Kurzarbeit und dürfen ausschlafen. Ich packe meine sieben Sachen, lege eine Dankeskarte vor die Türe und mache mich auf den Weg.
In Aadorf entdecke ich ein Bachbett. "Wow, da würde ich gerne drin baden", denke ich und mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Einstiegsort. Da treffe ich auf Tom, der mit seinem Hund unterwegs ist. Ich stelle ihm die Frage. Er meint, das würde schon passen. Toms Hund verrichtet auf den Waldboden. "Mist", sagt er und bemerkt, dass er keinen Robidog-Sack zur Hand hat. "Kein Problem", sage ich, "ich habe dir einen!" Wir sprechen über Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Stress, traumatisierte Kindheiten und über das Tösstal. Und wir gehen unserer Wege. Ich lande nach dem Mittagessen an der Dorfgrenze von Matzingen. Dem "Murgweg" entlang geht es Richtung Frauenfeld. Auf dem frisch gekiesten Weg konfrontiere ich wiederholt freundlich mit meiner Frage.
Unterwegs erhalte ich einen Tipp, wo sich in Frauenfeld ein Einfamilienhausviertel befindet. Ich esse ein süsses Eis und mache mich auf in Richtung Zuckerfabrik. Auf der Wiese eines Kinderspielplatzes spielen zwei junge Leute Boccia. Ich stelle ihnen die Frage. Sie sehen sich gegenseitig an – kurze Pause – dann lächeln sie und sagen: "Wir wohnen direkt da drüben, du darfst bei uns übernachten." Ich stelle mein Zelt auf Moos gebettet auf und koche mein Abendessen. Es gibt Räuchertofu in Kokosflocken. Während des Kochens finden sich einige Nachbarn mit Kindern und interessierten Fragen ein. Wir verbringen einen Abend mit berührenden, spannenden Gesprächen im Garten.
Ich staune über die gemeinschaftliche Nachbarschaft. Die Krönung erhält der Abend mit dem selbstgebackenen Kuchen, den meine Gastgeberin mit Rhabarbern aus dem Gemeinschaftsgarten Frauenfeld gebacken hat. Es fühlt sich an wie ein Abend unter Freunden. Ich schlüpfe glücklich und dankbar in meinen warmen Schlafsack.
Am nächsten Morgen wache ich kurz vor dem Weckerklingeln auf, weil Regentropfen auf das Zeltdach klopfen. Dann öffnet die passierende Wolke über mir die Schotten und das Wasser stürzt in Bächen herunter. Ich räume meine Sachen zusammen und erhalte von meinem Gastgeber einen frischgebrauten Kaffee. Wir tauschen die letzten neugierigen Fragen aus, bevor ich mich mit Herzumarmung in Distanz von beiden verabschiede. Ich ziehe im Nieselregen davon, hüpfe von Pfütze zu Pfütze. Ich frage eine Frau nach dem Weg. Es entsteht ein kurzes Gespräch über Gesundheit, Selbstverantwortung und die Sonne im Herzen, die immer scheint, egal was kommt. Danach entscheide ich mich für den direktesten Weg nach Winti. Ich gehe mit meinem roten Regenschirm, auf den unaufhörlich der Regen prasselt. In Wiesendangen klinke ich mich in den Team-Chat mit dem Transa Schulungsteam ein. Ich wundere mich, dass ich gleichzeitig mehrere Aspekte des Jetzt erleben darf: Die Umgebung wahrnehmen, wo ich bin, meine Gedanken, die Gespräche am Telefon und mein inneres Ich. Mensch sein ist schon sehr aufwendig!
Ich wandere gemütlich nach Hause. Vorbei an Tankstellen, Ampelstaus, Einkaufsvierteln und Menschen mit Scheu zum Grüssen. Willkommen zurück in der Grossstadt. Auf dem letzten Kilometer möchte ich meine Frage nochmals an jemanden richten. Es gelingt mir nicht, in Kontakt zu kommen. Liegt es am Regen? Am Ort? Am Zufall? Vielleicht liegt es an mir …
Ich nehme meinen Kompass in die Hand, auf dem Rücken habe ich meinen Rucksack voller Trekkingmaterial, im Kopf meine wichtigste Frage für die kommenden Tage: Dürfte ich bei Ihnen im Garten mein Zelt aufbauen und übernachten? Ich starte in Oberwinterthur. Los geht’s …
Nach den ersten Gehminuten beginne ich mich auf den grossen Moment am Abend einzustellen und richte meine Frage an einen spazierenden Herrn im Rentenalter. Er meint, er hätte keinen Garten, er wünsche sich einen Schrebergarten. Ich solle mich melden, wenn ich ihm einen solchen finden würde. Ich begegne einem Pärchen. Er sagt, sie würden mich jederzeit auf dem Balkon aufnehmen. Sie bleibt bei dem Gespräch verdächtig still. Beim zweiten Pärchen sagt sie, sie würden jemanden in der Nähe kennen, der einen Garten habe. Es sei gleich um die Ecke. Die Gespräche machen Mut.
Über Weizenfeldwege gelange ich nach Elgg. Ich schlendere durch das Dorf. Nahe einem Wäldchen sehe ich ein paar schöne Einfamilienhäuser. Ich wähle einen Garten, der ideal zum Zelten wäre. Die Frau des Hauses rauscht gerade mit dem Fahrrad davon. Hätte ich doch auf meine Intuition gehört und sie direkt beim Vorbeigehen gefragt! Ich gehe weiter, esse zu Abend und kehre nach acht Uhr zum Haus zurück, klingle an der Türe und hoffe, dass die nette Dame wieder zurückgekehrt ist und mir Asyl anbietet. Niemand zuhause. Mist, der Sonnenuntergang kündigt sich bereits an und ich habe noch kein Plätzchen!
Ich gehe zwei, drei Häuser weiter und sehe Licht brennen. Mein Herz pocht. Mein Vorhaben braucht Mut. Ich klingle an der Haustüre. Eine Frau öffnet und ruft ihren Mann. Ein netter Herr erscheint in der Türe. Er führt mich ums Haus, wo wir ein schönes Plätzchen finden. Nachdem ich mein Zelt aufgeschlagen habe, erscheint der Sohn mit Feuerschale und zwei Bier. Wir schwatzen beinahe drei Stunden übers Reisen, die Zeit der Distanzierung, Motorräder und vieles mehr. Melvin bietet mir an, das Badezimmer im Haus zu benutzen. Ich lehne dankend ab und krieche in mein Zelt. Ich bin ausgerüstet mit einem Zweifränkler für öffentliche Klos, Klappschaufel, Toilettenpapier und Hundekotbeuteln. Ich fühle mich, auf meine körperlichen Bedürfnisse bezogen, autark. Am nächsten Morgen bietet mir die Mutter von Melvin einen Kaffee an. Sie muss zur Arbeit. Die beiden Männer sind in Kurzarbeit und dürfen ausschlafen. Ich packe meine sieben Sachen, lege eine Dankeskarte vor die Türe und mache mich auf den Weg.