Wie fühlt es sich an, sich durch eine Welt zu bewegen, die darauf ausgerichtet ist, einen einzuschränken und auszuschliessen? Was sind die Freuden und Schmerzen des Urlaubs für farbige Menschen, wenn Reiseführer nie mit dem Gedanken an sie geschrieben werden? Wie wird das Leben der Schwarzen heute durch das andere Erbe der kolonialen Kulturen und Politiken beeinflusst? Was kann uns das Reisen über unser Selbstbewusstsein, unser Zuhause, unser Zugehörigkeits- und Identitätsgefühl sagen? Warum ist die Weltordnung feindlich gegenüber der menschlichen Mobilität geworden, die so alt ist wie die Menschheit selbst, wenn doch mehr Menschen unterwegs sind als je zuvor? Nanjala Nyabola gibt in ihrem neusten Buch Antworten.

Nanjala Nyabola erkundet ständig die Welt, arbeitet mit MigrantInnen und setzt sich mit komplexen Realitäten auseinander, die gängige Annahmen – sowohl ihre eigenen als auch die anderer – in Frage stellen. Im just erschienenen "Travelling While Black"  stellen ihre scharfen, aber humanen Essays aus Nepal und Botswana, Sizilien bis Haiti schwierige Fragen und bieten überraschende, zutiefst schockierende und manchmal lustige Antworten.

Nyabola wurde in Kenia geboren und setzte in den ersten zwei Jahrzehnten ihres Lebens nie einen Fuss außerhalb des Landes. Doch sie packte die Gelegenheit, als Studentin Westafrika zu besuchen. Offiziell arbeitete sie in Togo für eine kleine gemeinnützige Organisation in Atakpamé. Aber am Ende der Reise blieben ihr noch zehn Tage Zeit. Sie nahm eine Karte hervor, schaute sich die Länder um Ghana – Togos westlicher Nachbar – an und suchte sich fast zufällig einen Ort aus – und zog los. 

Genuss jenseits der Angst

Sie habe sich vor jedem Schritt auf ihrer Burkina Faso-Reise geängstigt, schreibt sie:  "Als ich meine Busfahrkarte kaufte, fragte ich mich, ob sie mich betrügen. Als ich in den Bus einsteigen musste, hatte ich Angst, dass er abstürzen würde. Als ich im Bus saß, hatte ich Angst, dass die Leute, die neben mir sitzen, versuchen würden, mich zu bestehlen. Als wir die Grenze überquerten und auf einen Zug trainierender Soldaten trafen, dachte ich, es hätte einen Staatsstreich gegeben. Als ich in der Hauptstadt Ouagadougou ankam, hatte ich Angst, mich zu verlaufen oder ausgeraubt zu werden. Als ich mein Ticket nach Gorom-Gorom, nahe der Grenze zu Mali, kaufte, war ich wie versteinert vor einer Entführung. Nyabola hatte alle Reiseführer gelesen, ohne zu erkennen, dass sie nicht zur Zielgruppe dieser Reisebücher gehörte, die geschrieben waren für Menschen mit einer ganz bestimmten Lebenserfahrung. Bis sie nach Burkina Faso ging, wusste sie nicht wirklich zu schätzen, dass sie als schwarze Afrikanerin mit Französischkenntnissen eine Erfahrung machen konnte, die den AutorInnen der Reiseführer entging.

Als sie in Ouagadougou ankam, hatte sie keinen Plan. Das war der erste grosse Unterschied zwischen dieser Reise und all den anderen Reisen, die sie später unternahm. "Man sollte einen Plan haben", heißt es in den Reisebüchern. Aber ein Plan kann schnell zur Krücke werden. Ein Plan kann ein fehlgeleitetes Bemühen um Kontrolle sein, in einer Welt, in der Kontrolle nie garantiert ist. Ein Plan kann Sie vor den wunderbaren Freuden der Entdeckung schützen. Also schlenderte sie durch die breiten Boulevards und hörte zu, wie der Harmattan das Dach des Klosters, in dem wie wohnte, sandstrahlte. Nyabola war nun vom Reisefieber ergriffen und unternahm mehrere Reisen in verschiedene Länder Afrikas.

Später kehrte sie zu ihren Reiseführern zurück und erkannte: Die überwiegende Mehrheit der Reiseführer und insbesondere der Afrika-Reisebücher werden von Weissen für Weiße geschrieben. Zwar sollte das keine Rolle spielen. Aber natürlich tut es das trotzdem: Rasse (wie Geschlecht, Sexualität und andere Identitätsmerkmale) prägt das Reisen – und insbesondere das Rucksackreisen. Als schwarze Frau findet Nyabola Bereiche, in denen sie ihre Rasse und ihr Geschlecht unsichtbar machen. Das bedeutet, dass sie vollständiger in das Leben der Menschen um sie herum eintauchen kann. Sie kann einen Monat lang mit einer Reihe von öffentlichen Bussen von Kapstadt nach Nairobi fahren, ohne dass jemand merkt, dass sie Tausende von Kilometern von ihrer Heimat entfernt ist. Aber ebenso gibt es Räume, in denen sie die Farbe ihrer Haut hyper-sichtbar macht, wie zum Beispiel im Zug von Wien nach Bern, wo sie die einzige Person ist, deren Ausweispapiere kontrolliert werden. 

Die Autoren der Afrika-Reiseführer, mit all ihren Warnungen vor gewalttätigen Schlägern und Langfingern, erwarten von ihren Lesern, dass sie Angst vor Afrika haben. Der Grund dafür ortet Nyabolo darin, dass sie über ein beträchtliches Mass an Privilegien und Macht verfügen, mehr als die meisten Menschen in den Gemeinden, die sie besuchen wollen. Diese Anmassung von Reichtum und Macht – dieses Privileg werde diesen weissen Männern vorausgehen, wenn sie ausserhalb Europas reisen – und sie zur Zielscheibe für die Art von Verbrechen machen, vor denen die Reiseführer warnen.

Die unkonventionelle Essaysammlung regt an. Nyabolo bietet die kostbare Gelegenheit, die Welt durch ihre Augen zu sehen.

Nanjala Nyabola: Travelling While Black. Essays Inspired by a Life on the Move. Hurst, London 2020, £ 14.99; ISBN 978-1-7873-8382-1