Vera Thaler: Philip, wo liegen deiner Meinung nach die grössten Hürden für euch als Campingplatz?  

Philip: Auch Vanlife/ Camping mit Wohnmobil/ Bulli hinterlässt natürlich einen nicht zu vernachlässigenden CO2-Fussabdruck. Wir sind nicht nur Campingplatzbetreiber, sondern auch Bullivermieter. Und auch, wenn wir Leuten die Chance geben, sich lieber einen Bulli zu mieten, als selbst einen zu kaufen (der dann nur 3 Wochen im Jahr genutzt wird) und auch das sicher besser fürs Klima ist, werden wir als Bullivermietung oder Campingplatz natürlich kritisch beäugt. Deshalb geben wir ordentlich “Gas”, um den Klimaschutzgedanken zu leben und sichtbar zu machen.

«Manchmal ist man etwas ungeduldig, weil man vieles gerne schneller vorantreiben würde, aber manches braucht eben auch seine Zeit.»

VT: Worauf seid ihr bei Ahoi besonders stolz? Was tut ihr, um die negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen zu minimieren? 

Philip: Wir sind gerade im Aufbau eines sogenannten Freilandlabors. Das ist ein Bauwagen, der extra dafür errichtet wird und als «Umweltstation» zum Naturerleben für Kinder und Schulklassen aus Fehmarn und Schleswig-Holstein dient. Als Teil unserer Sensibilisierungsarbeit bieten wir auch Müll-Sammel-Aktionen und Dünen-Exkursionen für Familien an. Was die Infrastruktur am Campingplatz betrifft, haben wir sowohl eine ökologisch moderne Kläranlage sowie moderne sanitäre Anlagen mit wassersparenden Massnahmen. Wir beziehen Ökostrom aus Photovoltaikanlagen und in unserem Campingladen gibt es Bio-Lebensmittel, unverpackt und aus der Region und zahlreiche weitere ökologische und nachhaltige Produkte. Und wer mit dem E-Auto, den Öffis oder dem Rad anreist, bekommt ausserdem unsere «Green-Rate» – also 10% Rabatt auf die Buchung.

VT: Und welche Schritte wollt ihr noch unternehmen? 

Philip: Die jährliche Erstellung einer CO2-Bilanz, der Bau von Ökotoiletten, die Inbetriebnahme eines energieeffizienten Nahwärmenetzes zur Versorgung der Sanitärgebäude mit Warmwasser und evtl. Regenwassernutzung für Wäsche, Toilettenspülung etc. stehen auf der Agenda. Ausserdem möchten wir unsere Sensibilisierungsarbeit ausweiten und weitere Workshops zum Thema Upcycling und Wildkräuter sammeln, zum Bau von Wurmkisten und Insektenhotels anbieten. Unser langfristiges Ziel ist es auch, weitere Plätze, die ausgeschrieben sind, zu übernehmen (Spoiler: Aktuell haben wir die berechtigte Hoffnung, dass wir 2024 vielleicht einen tollen Platz dazubekommen) und den Fokus noch mehr auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu richten.

VT: Nachhaltigkeit bedeutet auch faire Arbeitsbedingungen, soziale Gleichstellung und Inklusion. Sind das Themen, auf die ihr achtet? 

Philip: Absolut. Das Thema Inklusion leben wir! Bei Ahoi Bullis hat zum Beispiel vor einigen Monaten Julius über den Campus Uhlenhorst – eine Bildungseinrichtung für Jugendliche mit Lernbeeinträchtigung – angefangen zu arbeiten. Und unser Camp ist für alle barrierefrei zugänglich (inklusive nagelneuem Bad).

VT: Was haltet ihr von Zertifizierungen? Ecocamping ist zum Beispiel ein bekanntes Zertifizierungslabel, das nachhaltige Campingplätze auszeichnet. Ist das ein Schritt, den ihr selber auch gehen wollt? 

Philip: Wir sind gerade im Zertifizierungsprozess mit Ecocamping. Es ist ein kleiner Schritt, den wir gerne gehen möchten, um auch nach aussen sichtbar und transparent zu zeigen, dass wir Nachhaltigkeit leben.

«Ecocamping finden wir gut, aber es ist für uns vermutlich noch nicht das Ende der Fahnenstange.»

VT: Camper*innen können selbst viel für einen nachhaltigeren Campingurlaub machen. Welche Tipps habt ihr für Reisende, die diesen Sommer mit dem Camper oder Zelt losziehen wollen? 

Philip: Kund*innen, die über „Wildcampen“ (nicht erlaubt) oder Freistehen (in Grenzen erlaubt) nachdenken, empfehlen wir sich mit den rechtlichen Bedingungen vertraut zu machen. Maximal 1 Nacht, nur dort, wo es nicht ausdrücklich verboten ist, nur zur Wiederherstellung der Fahrtauglichkeit, kein Campingverhalten an den Tag legen, Schilder beachten, Natur respektieren, Nachbarschaft achten und das gesunde Bauchgefühl einschalten. Und ganz wichtig: Slow Travel – Fuss vom Gas und entspannen! Deutschland ist wunderschön! Man muss nicht 3000km in 5 Tagen mit dem Camper quer durch Europa fahren und dann gestresst wieder zu Hause ankommen – Auf Fehmarn oder dem Darss gibt es auch feinsten Sandstrand.

VT: Seit einigen Jahren gibt es einen regelrechten Campingboom. Wie denkt ihr darüber und wo führt dieser Hype eurer Meinung nach hin?  

Philip: Das war die letzten Jahre schon extrem spürbar. Überall, wo man hinsah, sprang einem #Vanlife ins Auge. Camper auf Waldparkplätzen, Camper, die dauerhaft in Wohngebieten parken. Wir sehen das natürlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es gibt viele verschiedene Perspektiven und Interessenvertretende. Die Natur sollte aber überall im Fokus stehen – und auch die gegenseitige Rücksichtnahme.

«Wir erleben im Übrigen, dass der ganz grosse Coronaboom vielleicht wieder ein kleines Stückchen abebbt und der Markt eine gewisse Selbstbereinigung erfährt. Das ist auch gut so, um die Natur, die Stellplätze und alles, was dazugehört nicht zu sehr zu überlasten.»

VT: Ihr seid bemüht, das «schöne, ruhige Fleckchen Erde» – die Natur um euren Campingplatz zu schützen. Gleichzeitig braucht man einen Camper, um euren Campingplatz überhaupt ansteuern zu können. Warum gibt es keine Zeltplätze mehr – eine Beobachtung, die wir auch bei anderen Campingplätzen gemacht haben? 

Philip: Wir kommen zwar aus der Bullibranche und vermieten ja auch Bullis in Hamburg… und tatsächlich haben wir auch überwiegend Stellplätze für Camper, es gibt aber auch Zeltplätze! Die werden auch gut gebucht. Aber die Mehrheit der Leute möchte Bequemlichkeit, Vanlife und Freiheit… möglichst mit dem eigenen Heim und mit der nötigen Mobilität.  Das ist mit dem Zelt nicht ganz so einfach bzw. eine andere Art des Urlaubs. Vielleicht war Zelten in den letzten Jahren auch einfach nicht ganz so hip wie Camping mit Bulli oder Van. Wir können uns aber vorstellen, dass das auch wieder irgendwann eine Renaissance erfährt.

VT: Die Massen an Campern brauchen Platz. Wie sieht es mit dem Landverbrauch durch Campingplätze aus – bestimmt ein grosses Thema? 

Philip: Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass Gebäude und befestigte Wege auf dem Platz zu Bodenversiegelungen bzw. Bodenverdichtungen (Flächenverbrauch) führen. Für extra Befestigungen der Plätze haben wir uns aber bewusst nur in kleinen Teilbereichen entschieden, wo es gar nicht anders geht. In erster Linie zum Schutz von Dünen (was wiederum zu einem geringeren Landverbrauch führt) haben wir auch bewusst auf Stellplätze verzichtet und diese der Natur überlassen. Darüber hinaus gibt es angrenzend an das Ahoi Camp Kompensationsflächen, um der Beeinträchtigung von Natur und Landschaft wenigstens auf diesem Weg etwas entgegenzutreten.

VT: Du hast in der Vergangenheit schon Sensibilisierungsarbeit für Wildcampen bzw. Freistehen angeboten. Wie stehst du zu dieser Art von Campen und was hältst du von Apps wie park4night, die immer mehr Menschen dazu bewegen, in freier Natur zu parken?

Philip: Ich selbst habe park4night lange Zeit genutzt und tolle Plätze damit gefunden. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass es immer mehr und mehr wird. Hier und da leider auch ein „Mehr“ an Menschen, die wenig Gespür für die Natur, die «Nachbarschaft» und für das haben, was nach ihrem Besuch «dableibt». Das ist dann ein Campingverhalten auf Kosten der Natur (Müll und Hinterlassenschaften in den Büschen sind absolutes No Go, aber leider häufig Realität) und Ortsansässigen, die dort morgens ihre Runden zu Fuss/ mit Hund drehen und plötzlich auf im Unterholz hockende Camper*in mit heruntergelassener Shorts treffen. So ein Verhalten führt leider – aber verständlicherweise – dazu, dass solche Plätze immer häufiger mit Schranken, Schlagbäumen und Campingverbotsschildern ausgestattet werden. Ich sehe Apps wie park4night trotz des Verständnisses einer «user-generated-content Plattform» auch in der Verantwortung, auf angemessenes Campingverhaltenl hinzuweisen. Ein langsamer Wandel mit einem gewissen Bewusstsein scheint immerhin stattzufinden: Freistehplätze sind nur noch für «Community-Mitglieder» zugänglich und in der App findet sich die «Charta des verantwortungsbewussten Reisenden in Wohnmobilen und umgebauten Vans» – eine Liste an Verhaltensregeln, die zwar kurz ist aber immerhin existiert.

VT: Gibt es Alternativen zu park4night? 

Philip: Definitiv. Inzwischen gibt es ganz tolle Angebote, die meiner Meinung nach oft besser und schöner sind und dazu noch die lokale Wirtschaft unterstützen: «Alternatives Camping» z.B mit Hinterland.camp. Stehen auf der Streuobstwiese, Bauernhofcamping mit Alpakas oder Camping in den Weinreben. Camping auf privaten Bauerhöfen finden wir neben Naturcampingplätze mit Sinn für Umwelt und Nachhaltigkeit sehr charmant. Für unsere Kund*innen haben wir auch eine eigene Ahoi App mit Platzempfehlungen.

VT: Mal abgesehen vom Ahoi Camp Fehmarn- was wäre deine persönliche Platzempfehlung für unsere Leser*innen? 

Philip: In der Schweiz ist der Ferienhof Rueti einer unserer Ahoi Top 10.

Ahoi Camping, nachhaltiges campen

Philip Mehlhop

Projektmanager Ahoi Bullis Campervermietung GmbH

Philip Mehlhop ist unter anderem für Nachhaltigkeit bei Ahoi Camp Fehmarn und Ahoi Bullies zuständig. In den letzten Jahren hat er für ihre Kund*innen auch Tourenberatung inklusive Stellplatzsuche/ Sensibilisierung für Wildcampen bzw. Freistehen angeboten.