Aka Morchiladze: Santa Esperanza
„Santa Esperanza“ ist die fiktive Geschichtsschreibung zu einem fiktiven Archipel im Schwarzen Meer. Es könnte Georgien sein, wäre das Land nie von den Russen annektiert und nie unter der Herrschaft der Sowjetunion gewesen. Die drei Santa-Esperanza-Inseln werden von Georgiern, Türken, Italienern, Briten und Juden verschiedener Länder bewohnt. Letztere hatten 1919 vom ottomanischen Pascha Sari Beg die Inselgruppe gepachtet. 145 Jahre später sollte sie zurückgegeben werden.
Davon handelt der Roman, der im Jahr 2002 spielt. Genau wie das echte Georgien versinkt das fiktive Santa Esperanza nach der Unabhängigkeit in blutige Konflikte zwischen Clans und Cliquen: der verhassten bürgerlichen Wisramiani Familie, den mutigen aber barbarischen Sungalen und der genovesischen Händlerdynastie der Da Costa.
Britische Spione wollen Agatha, die greise Enkelin Sari Begs, zur Königin machen. Und die Wisramiani Tochter Salome besetzt ganze Gebiete der Inseln mit ihrer Armee – so wie einst Abchasien und Südossetien Georgiens Schwäche ausgenutzt und ihre Unabhängigkeit von Georgien erklärt hatten.
Es ist 16 Jahre her, dass in Georgien der Bürgerkrieg tobte. Der georgische Erfolgsautor lässt ihn auf der imaginären Inselgruppe Santa Esperanza (Heilige Hoffnung) in seinem ganzen Irrsinn wieder aufleben.
Santa Esperanza ist nicht einfach ein 850-Seitiger Roman. Es ist eine Sammlung von Heften in einem Filzschuber, aufgebaut wie ein Kartenspiel namens Inti mit vier Farben à neun Heften. Morchiladze schlägt 16 Lesarten vor und fügt hinzu, man könne sie auch einfach durcheinander lesen.
In diesen Heften lässt der georgische Erfolgsautor seiner Fabulierfreude freien Lauf: Er erfindet Briefe und Kirchenchroniken, Tagebücher und kleine Dramen, Ausschnitte aus der Verfassung, Internetsites mit Touristischen Informationen, ein Testament. Romantische Geschichten wechseln mit Beschreibungen von Mord und Totschlag, Übertriebenes à la Baron von Münchhausen mit nüchternen Inventaren der königlichen Besitztümer. Eine leichte Kost, die auf verspielte Weise Schönheiten und harte Realitäten Georgiens herüber bringt.
Aka Morchiladze: Santa Esperanza, Pendo Verlag, Zürich 2006, 850 Seiten, SFr. 48.40, Euro 27.50, ISBN 978-3-86612-5 – Bestellen Sie bei amazon.de