Schulden sind illegitim, wenn die betroffene Bevölkerung der Aufnahme und Verwendung der Kredite nicht zugestimmt hat, ihr die  Verwendung der Kredite nichts genutzt oder gar geschadet hat und die Gläubiger über die unrechtmässige Verwendung des Geldes Bescheid wussten oder sich nicht darum bemüht haben, es zu erfahren. Würden diese Richtlinien international anerkannt, so könnten gleich 44 Länder der Dritten Welt ihre Schulden zur Streichung beantragen. Nachzulesen in der Broschüre  „Illegitime Schulden – Verschuldung und Menschenrechte“ der Aktion Finanzplatz Schweiz. In dieser dritten Broschüre zum selben Thema gibt die Aktion Finanzplatz einen Überblick über die Entwicklungen seit den 80er Jahren und den heuten Stand in der Entschuldungsfrage.
Ein kurzer Rückblick auf das Jahr 1889: Damals urteilte das höchste US-amerikanischen Gericht aufgrund der obgenannten Kriterien, die kubanischen Schulden gegenüber Spanien seien „odious“, also „abscheulich“, und daher von den aus dem amerikanisch-spanischen Krieg siegreich hervorgegangenen USA nicht zu übernehmen. Seither sind rund ein halbes Dutzend Präzedenzfälle hinzugekommen. Dennoch und trotz viel Druck von Seiten der NGOs auf die Finanzinstitute hat sich das Prinzip der „odious debts“ international noch nicht durchsetzen können. Rechtsanwalt Charles Abrahams, der in Südafrika die Khulumani-Klage von südafrikanischen Apartheid-Opfern gegen westliche Konzerne und Banken vertritt, plädiert daher für eine stärker vom Völkerrecht her argumentierende Definition der illegitimen Schulden: Demnach würden Schulden als illegitim qualifiziert, wenn ein Staat sie für Zwecke eingegangen ist, die dem Völkerrecht und insbesondere der Charta der Vereinten Nationen widersprechen. Leider wird in der Broschüre nicht weiter auf diesen interessanten Ansatz eingegangen.
Die Aufnahme von Krediten ermöglichte dem Apartheidregime, Millionen von Schwarzen in Knechtschaft zu halten, dem irakischen Diktator Saddam Hussein, ganze Völker zu massakrieren, der russischen Mafia, den Staat zu plündern. Verschiedene in der Broschüre aufgenommene Stellungnahmen aus dem Süden gehen in ihrer Kritik noch weiter: Bereits Kolonisierung, Sklaverei und Stellvertreterkriege haben die betroffenen Länder derart geschädigt und den Industrieländern derart viel Reichtum gebracht, dass alle Schulden aller Entwicklungsländer bedingungslos zu streichen sind – eine berechtigte Forderung, aber auch ein frommer Wunsch angesichts der derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse. Die aufgeführten Länderbeispiele verdichten sich zu einem Spiegel der Habgier und Herrschsucht der Industrieländer und Eliten der Dritten Welt. Damit rückt Aktion Finanzplatz die Schuldendiskussion von der karitativ motivierten Forderung nach einer Reduktion der unerträglichen Schuldenlast, etwa durch eine internationales Insolvenzrecht (ähnlich dem in vielen Staaten bestehenden Insolvenzrecht für Firmen) hin zu einer menschenrechtlich motivierten Argumentation. Das Prinzip der illegitimen Schulden nimmt die Gläubiger ins Visier und fragt nach der Legitimität ihres Anspruchs. Kein Wunder, setzen diese alles darauf, einen neuen Präzedenzfall mit der Streichung der irakischen Schulden als illegitim zu verhindern – wohl wissend, dass diesem unumstrittenen Fall noch etliche folgen würden.

Basel 2005, 111 Seiten, Fr. 20.—
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