Aktiver Kinderschutz in Projekten und Einsätzen der Entwicklungszusammenarbeit
Basel, 19.10.2012, akte/ Kinder sind überall auf der Welt dem Risiko ausgesetzt, misshandelt, vernachlässigt oder ausgebeutet zu werden – auch in Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit. Das mag erstaunen, könnte man doch meinen, dass Menschen, die in der Entwicklungszusammenarbeit als Fachkräfte oder Freiwillige tätig sind, nur Gutes für Kinder wollen. Doch schon nur die bekannten Fälle sprechen eine deutliche Sprache: So stellte zum Beispiel die Organisation Save the Children UK in einer Studie über sexuelle Gewalt im Rahmen Humanitärer Hilfe in Haiti, Sudan und der Elfenbeinküste fest, dass 65 Prozent der interviewten Kinder von verbalen Beleidigungen berichten, 53 Prozent von sexuellen Handlungen im Kontext von Nötigungen und 30 Prozent von erzwungenen sexuellen Handlungen (Csáki, 2008). In den letzten Jahren wurden auch immer wieder Fälle von Pädokriminellen bekannt, die sich in Freiwilligenorganisationen einschleusten, um in Kinderheimen und Waisenhäusern verschiedener Entwicklungsländer ungehinderten Zugang zu Kindern zu erhalten, oder die zu diesem Zweck sogar selbst Waisenhäuser eröffneten.
Grund genug für den Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO), aktiv zu werden. Die Mitglieder verpflichteten sich an ihrer Jahresversammlung im Dezember 2009 auf einen "Kodex zum Schutz von Kindern vor Missbrauch und Ausbeutung in der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe". Damit haben sie sich auf den Weg gemacht, Standards zum Schutz von Kindern als Qualitätsmerkmal ihrer In- und Auslandsarbeit zu etablieren. Die VENRO-Arbeitsgruppe "Kinderrechte in der Entwicklungszusammenarbeit" entwickelte im Jahr darauf Indikatoren, die als Leitlinien und Orientierung für die Umsetzung dienen, sowie ein Muster für Verhaltensrichtlinien zum Schutz von Kindern. Dieses Jahr nun sind die Schulungsmaterialien "aktiver Kindesschutz konkret" erschienen, die VENRO in Kooperation mit ECPAT Deutschland und der Evangelischen Jugend erarbeitet hat.
Sensible Situationen erkennen und richtig handeln
Wo kommt ein Mitarbeitender während seiner Arbeitswoche virtuell oder tatsächlich mit Kindern in Kontakt? Wo besteht durch das Machtgefälle ein Risiko von Übergriffen? Über welche Verhaltensregeln und Präventionsmechanismen verfügt die Organisation? Gibt es ein Täterprofil, oder ein typisches Vorgehen von TäterInnen? Was ist das Standardvorgehen bei mutmasslichen oder erwiesenen Übergriffen? Selbst Buchhalter können mit sensiblen Situationen in Kontakt kommen – etwa bei Spenden Dritter, gegen die zum Beispiel wegen Kinderpornografie ermittelt wird.
In sechs Modulen lernt man die Grundlagen der Kinderrechte kennen, erfährt düstere Fakten zum Thema Gewalt an Minderjährigen in Deutschland und weltweit, erhält die Definitionen zu den vielfältigen Formen sexueller Gewalt und sexueller Übergriffe und wird Schritt für Schritt zu einer tragfähigen Kindesschutz-Policy begleitet, deren Eckpfeiler vorgestellt werden. Teil des Schulungspakets ist eine DVD mit wertvollen Zusatzmaterialien, Videospots und bearbeitbare Vorlagen für Workshops, Aktionspläne, VENRO-Verhaltensregeln zum Schutz von Kindern, Monitoring und Evaluation.
Es ist eine Stärke des Schulungsmaterials, dass es von VENRO-Mitgliedern und Kinderschutzfachleuten entwickelt wurde. Das vielfältige, gut verständliche und didaktisch durchdachte Schulungsmaterial ebnet den Weg für die VENRO-Mitglieder ebenso für alle anderen in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen NGOs, die Mitarbeitenden im Entsendeland und bei den Partnern im Süden so zu schulen, dass der Kinderschutz in allen Projekten und bei allen Einsätzen zur gelebten Wirklichkeit wird.
Aktiver Kinderschutz konkret. Schulungsmaterialien für Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe. (ECPAT Deutschland e.V. Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung/Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V. (aej)/Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO e.V.) (Hrsg.), 1. Ausgabe Juni 2012, 34 S.
Broschüre kann kostenlos bezogen werden: VENRO e.V., Kaiserstraße 201, D-53113 Bonn, sekretariat@venro.org