Alarm in Zanzibar: Startschuss für das umstrittene Nungwi Peninsula-Projekt?
Für 1 US Dollar pro Jahr soll die East African Development Company (EADC) den Zuschlag erhalten haben, der sie zur touristischen Erschliessung und Nutzung auf 49 Jahre des 57 Quadratkilometer grossen Gebietes für das «Nungwi Peninsula»-Projekt berechtigt. Dies berichtet die Wochenzeitschrift East African vom 20.5.98. Das Nungwi-Projekt auf der gleichnamigen Halbinsel im Norden von Zanzibar soll der grösste Tourismuskomplex Ostafrikas werden. Geplant sind 16 Luxushotels und 100 Luxusvillen mit allen dazugehörigen Einrichtungen, Yachthafen, Sportanlagen, einem 27-Loch-Golfplatz und einem künstlichen See (siehe AkT&E-Kurznachrichten 1/98). Kostenpunkt der gigantischen Anlagen: 4 Milliarden US Dollar. Diese Summe habe die auf der britischen Isle of Man ansässige Unternehmergruppe EADC allerdings noch bei weitem nicht zusammengebracht. Erst 300 Millionen US Dollar seien für die Tourismuserschliessung vorhanden, nachdem die zur Weltbank gehörende International Finance Corporation einen Finanzantrag der EADC abgelehnt habe. Doch EADC-Direktor Patrick D. O’Sullivan gibt sich nach dem äusserst günstigen Zuschlag der Landnutzung zuversichtlich: «Das Nungwi-Peninsula-Projekt ist gestartet. Bald werden die Bauarbeiten
beginnen», kündigt er im Interview mit Joseph Muwanmungyange, dem Korrespondenten der East African in Zanzibar, an. Bereits hätte die EADC Landstücke in Nungwi nun zum stolzen Preis von 50’000 US Dollar weiterverkauft.
Die EADC kann sich der Sache sicher wähnen. Obwohl die Firma im vergangenen Jahr Negativschlagzeilen machte, als einer ihrer Direktoren, Tom Wells, am Flughafen der tanzanischen Hauptstadt Dar es Salaam verhaftet wurde – gesucht von Interpol , um ihn aufgrund einer in Oman verhängten Gefängnisstrafe wegen krimineller Betrügereien hinter Gitter zu bringen -, geniesst die EADC offenbar mächtigen Rückhalt in hohen Politsphären Zanzibars. Gerüchteweise sollen sogar Zanzibars Präsident, Salmin Amour, der Finanzminister und weitere Persönlichkeiten am Nungwi-Projekt der EADC beteiligt sein. Um das riesige Projekt wird aber in der Regierung heftig gerangelt, denn ein anderes Politlager um den Aussenminister und den Ersten Sekretär des Finanzministers unterstützt die konkurrente Zanzibar Investment Company (ZICO), die ebenfalls den Zuschlag für die Land-nutzung erhalten haben will.
Sicher ist zur Zeit nur, dass die von der Tourismuserschliessung betroffene Bevölkerung erst aus der Zeitung vom Projekt erfahren hat, wie Nachforschungen ergeben haben, welche die Schweizer Entwicklungsorganisation Swissaid in Nungwi hat anstellen lassen. Auf den Plänen der gigantischen Tourismusanlage sind keine Dörfer mehr zu sehen, die immerhin 20’000 EinwohnerInnen zählen. Auch die bereits existierenden Hotels entlang der Strände müssten offensichtlich weichen, die Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung und die Verdienstmöglichkeiten für die Zulieferer wären damit verloren. Von Entschädigung ist bislang keine Rede; man würde zum gegebenen Zeitpunkt umfassend orientieren, vertrösten Regierung und EADC einhellig. Derweil wird in Grossbritannien die Nungwi-Halbinsel bereits als «ödes und unberührtes Terrain» angepriesen. Die DorfbewohnerInnen sorgen sich auch um das Wasser, das jetzt schon knapp und rationiert ist. Der Zugang zum Strand ist gemäss den Plänen für sie versperrt, Abwasser- und Abfallentsorgung ist aus den Plänen nicht ersichtlich. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde nicht durchgeführt. In den Dörfern herrsche ein Klima der Angst, berichtet übereinstimmend auch Jay Griffith, der für den Guardian & Observer eben vorort recherchiert hat. Die BewohnerInnen wurden bedroht und eingeschüchtert von den Projekt- und Regierungsverantwortlichen. Keiner traue sich mehr, gegenüber einem Journalisten auszusagen, wenn es um das milliardenschwere Tourismusprojekt gehe.
Eine solch riesige Luxusanlage entspreche überhaupt nicht den Bedürfnissen von Schweizer Reisenden, meint Peter Lutz von der Produktionsabteilung Badeferien-Süd bei Hotelplan gegenüber dem AkT&E. Er war erst kürzlich in Zanzibar und hat sich auch über das bevorstehende Projekt informiert. Die Gäste von Hotelplan -in der vergangenen Saison waren es immerhin über 1’000 – logieren auf Zanzibar in kleineren und mittleren Hotels, die sich nach Möglichkeit auf den lokalen Märkten versorgen und einheimisches Personal angestellt haben. So profitieren auch die Menschen in Zanzibar etwas vom Tourismus, unterstreicht Lutz. Die Kundschaft von Hotelplan reise nach Zanzibar, um den Reiz der Insel zu erleben. Das würden sie mit Sicherheit nicht mehr in der Luxuswelt einer Hightech-Anlage, wie sie in Nungwi entstehen soll.
Vorabdruck für die Tourismusbeilage des Guardian & Observer, 17.6.98; Telefoninterview mit Peter Lutz, Abteilung Badeferien-Süd Hotelplan vom 17.6.98; Nungwi Report für Swissaid 15.6.98; East African 20.-26.5.98; Building Design 20.5.98; AkT&E-Kuna 1/98/cp