Beiträge zur Erforschung der Tourismusgesellschaft

Ein Mausklick, und schon ist die Abenteuerreise ins letzte Dschungelparadies gebucht. Der virtuelle Vertrieb von Erlebnistrips im last-minute Takt, etwa von Wochenendflügen in amerikanische Freizeitparks, ist Ausdruck der westlichen Non-Stop-Gesellschaft. Nach den gesellschaftlich verankerten Triebkräften des Tourismus fragen die „Beiträge zur Erforschung der Tourismusgesellschaft„. Der vage Titel „Gesund durch Erleben?„ will auf die indivi­duel­len Reisemotive hinweisen und stellt sie zugleich in Frage. Reiselust und Reisefrust bedingen sich gegenseitig. Reisen sei weit mehr als „Flucht vor dem Alltag„ und Kritik an dem, wovon sich der Reisende abwendet. Als historisch erlerntes Produkt in einer „Tourismusgesellschaft„ ist die heutige Bedürfnisvielfalt, die sich hinter dem Verlangen nach Erlebnis, Natur und authentischer Fremde verbirgt, nicht nur die Folge von alltagsbedingter „Sehnsucht„ nach der Verwirklichung von Glück und Freiheit. Reisen heißt heute, Symbole zu konsumieren. Der Alltag wird zum notwendigen, ja unverzichtbaren Stützpunkt des immer neuen Aufbruchs. Das Buch gibt eine Übersicht über hochspannende soziologische Fragen an die immer häufi­ger, kürzer und exklusiver reisende Fun- und Wellness-Generation. Es verweist treffend auf Analogien mit den Wachstums- und Globalisierungstendenzen des Tourismussektors. Die plakativen Werbeslogans, die insbesondere das Erlebnis – und damit das eigentlich nur individuell Erfahrbare – zum käuflichen (massenhaften) Produkt hochstilisieren, sind Motor der wachsenden Reisebranche. Sicher, erst wenn Reisende verstehen, was sie unablässig in die Ferne treibt, kann der Zirkel der Utopiensuche durchbrochen und ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen des „schönen Scheins„ der Freizeitkathedralen gewagt werden. Doch birgt das Begreifen der wechselseitigen Beziehung von Gesellschaft und Tourismus eine ambiva­lente Wirkung: Das soziologisch-psychologische Verständnis des heutigen Reiseverhaltens bietet umgekehrt hinreichend Potential für zunehmend raffinierte, subtilere Marketingstrate­gien. Folge ist ein immer exklusiveres Angebot von grenzenlosen Traumwelten in einer ent­grenzten Gesellschaft. Leider lassen die 17 Tourismusforscher, die hier zu Wort kommen, ebenso wie die Herausgeber, eine klare Zielbestimmung vermissen.
Profil Verlag , München 2000, DM 24.20, ISBN 3-89019-509-1