Ámbrach Past, Maruch Mendes Peres, Tamana Araki: Als die Sonne ein Kind war
Basel, 21.12.2012, akte/ In der Dunkelheit des Urwalds lebt eine Mutter mit ihren drei Söhnen. Der Jüngste, NeNe, hat Zauberkräfte: er kann Tiere zum Leben erwecken und noch einiges mehr … In diesem poetischen Schöpfungsmythos der mexikanischen Tzotzil-Maya wird vom Anfang der Zeit und von der Schaffung der Gestirne erzählt. NeNe verwandelt sich am Ende in die Sonne und schenkt der Welt das Licht und das Leben.
Die Tzotzil leben im zentralen Hochland von Chiapas in Mexiko. Die grössten Tzotzil-Gemeinden Chamula und Zinacantan, in denen nach der Volkszählung von 2010 jeweils über 99 Prozent der Bevölkerung Tzotzil, aber jeweils weniger als die Hälfte Spanisch sprechen, liegen nördlich der Stadt San Cristóbal de las Casas, einem der wichtigsten touristischen Anziehungspunkte in Chiapas. Sie gelten als die direkten Nachfahren der alten Maya. Einst eine Hochkultur, leben die meisten Tzotzil-Maya heute in bitterer Armut und müssen für ihre Rechte kämpfen. Sonja Matheson, Geschäftsführerin von Baobab Books, schreibt über ihren Besuch bei den Tzotzil: "Besonders in den indigenen Gemeinden fehlt es an jeglicher Infrastruktur, die Wasserqualität ist miserabel und Ursache vieler Infektionskrankheiten. Die Tzotzil, die nicht in die Städte abgewandert sind, bauen auf ihren bescheidenen Feldern in harter Arbeit und oft ohne Wasser Gemüse und Früchte an, manche verkaufen Kunsthandwerk an Touristen. Im Gegensatz zu vielen anderen indigenen Kulturen konnten sie aber ihre Sprache und viele ihrer Traditionen bewahren." In den Legenden und Überlieferungen der Tzotzil spiegelt sich die starke Naturverbundenheit dieses Volkes.
Baobab-Kinderbücher sind etwas Besonderes. Ihr Zustandekommen ist immer eine Geschichte, eine Kette von Zufällen, verbunden mit der Tugend der Zähigkeit und der Stärke im Bauen von tragfähigen Brücken zwischen Kulturen und Kontinenten. Für das Buch "Als die Sonne ein Kind war" verbanden drei Frauen ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten: Die Idee für das Buch kam von der japanischen Künstlerin Tamana Araki. Sie war mehrmals in Mexiko und hatte sich länger in Chiapas bei den Tzotzil aufgehalten, lebt aber wieder in Japan. Es ist ihr ein Anliegen, auf die Situation der indigenen Bevölkerung Mexikos aufmerksam zu machen und den Kulturaustausch zu pflegen. Die Legende selbst wurde von der Tzotzil-Maya Maruch Mendes Peres überliefert. Sie erzählte Ambar Past, der Gründerin des Kleinstverlages "Taller Leñateros" in Chiapas, die Legende in ihrer Muttersprache. Eine Erzählung über vier Stunden voller Detail, rhythmischen Wiederholungen und Gesängen. Mendes Peres ist Mitautorin verschiedener Bücher des Verlags "Taller Leñateros", mit Gedichten, Gesängen und Texten der Tzotzil und verkauft kleine Handarbeiten. Sie lebt in einfachsten Verhältnissen, doch sie findet: "Ich habe so viel erreicht, mir geht es im Vergleich zu den meisten hier sehr gut. Ich kann mich nicht beklagen." Ambar Past hat die Geschichte für das Kinderbuch adaptiert. Die gebürtige Amerikanerin lebte in früheren Jahren im Urwald mit den Tzotzil und lernte deren Sprache, Kulturtechniken und Riten. Sie ist eine enge Freundin von Mendes Peres.
Das Buch vermittelt etwas vom Zauber des einfach so seins, von der Lebensfreude und der Magie der Zusammenhänge zwischen Mensch, Natur und Schicksal. Die Bildsprache ist schlicht und stimmungsvoll. Die Lesenden und Betrachtenden werden für einen kostbaren Moment in den Lebensraum der Tzotzil versetzt, mit Acker und Urwald über einem Nachthimmel mit hellen Gestirnen. Einmal mehr ist es Baobab Books gelungen, mit diesem Kinderbuch eine echte Kostbarkeit zugänglich zu machen.
Ámbar Past, Maruch, Mendes Peres (Text), Tamana Araki (Illustration): Als die Sonne eine Kind war. Nach einem Mythos der Maya. Aus dem Spanischen von Jochen Weber. Baobab Books. Basel 2012, 40 Seiten, gebunden, CHF 24.80, EUR 15.90 (D) – 16.40 (A). ISBN 978-3-905408-0. Ab fünf Jahren.