Amtshilfe neu auch für Entwicklungsländer – zumindest für ein paar…
Die OECD zählt 148 Länder dieser Welt zu den Entwicklungsländern. Mit 44 davon, also mit rund einem Drittel, hat die Schweiz bereits Doppelbesteuerungsabkommen. Aber nur vier dieser Abkommen sehen die sogenannte erweiterte Steueramtshilfe, also den Informationsaustausch auf Anfrage, vor. Konkret heisst das, dass die grosse Mehrheit aller Entwicklungsländer bislang noch immer keine Möglichkeit hat, bei der Schweiz Informationen über mögliche Steuerfluchtgelder einzuholen.
Das soll sich nun ändern. Heute hat der Bundesrat beschlossen, die erweiterte Amtshilfe auf sämtliche bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen auszudehnen – und zwar ohne Revisionsverhandlungen. Das tönt unspektakulär, ist aus Sicht von Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks, aber ein wichtiger erster Fortschritt. "Der heutige Beschluss bedeutet, dass die Schweiz einem Drittel aller Entwicklungsländer endlich auch ein bisschen Unterstützung im Kampf gegen die Steuerflucht gewährt", erklärt Mark Herkenrath, Steuerexperte bei Alliance Sud.
Verzicht auf Gegenforderungen
Als fortschrittlich beurteilt Alliance Sud auch, dass der Bundesrat endlich auf Gegenforderungen verzichten will. In den letzten Jahren hat er die Revision bestehender Abkommen nämlich nicht nur für die Einführung einer erweiterten Amtshilfeklausel genutzt, sondern von den Abkommenspartnern gleichzeitig massive Konzessionen verlangt. Die betroffenen Länder sollten sich unter anderem bereit erklären, die Quellensteuern auf die Einkünfte schweizerischer Auslandunternehmen zu senken.
"Die Schweiz betrieb bei der Revision ihrer Doppelbesteuerungsabkommen einen unfairen Kuhhandel: Amtshilfe im Fall von Steuerhinterziehung war nur gegen zusätzliche Steuerprivilegien für Schweizer Investoren zu haben", betont Mark Herkenrath. Aus Sicht der Entwicklungsländer hätten die verlangten Konzessionen jedoch zu beträchtlichen Steuerausfällen geführt. Alliance Sud begrüsst deshalb den Entscheid des Bundesrats, künftig auf solche Gegenforderungen zu verzichten.
Kein Ersatz für den automatischen Informationsaustausch
Trotzdem ist der heutige Beschluss des Bundesrates erst ein Anfang. Die über hundert Entwicklungsländer, mit denen die Schweiz bis jetzt noch kein Doppelbesteuerungsabkommen hat, bleiben davon unberührt. Für sie würde der Abschluss eines neuen Abkommens über die Doppelbesteuerung allerdings einen beträchtlichen Aufwand bedeuten. Der Bundesrat sollte ihnen darum rasch ein einfaches Steuerinformationsabkommen (TIEA: tax information exchange agreement) anbieten, das ausschliesslich die erweiterte Amtshilfe regelt.
Ausserdem wird der Bundesrat prüfen müssen, wie er die Entwicklungsländer innert nützlicher Frist in den automatischen Informationsaustausch einbezieht. Dieser hätte noch mehr als die erweiterte Amtshilfe den Effekt, dass er potentielle Steuerhinterzieher von vornherein von ihrem Tun abschrecken würde.