Mr. Abdel Nour trat an der ägyptischen Pressekonferenz vom 10. März auf, einer der zahlreichen öffentlichen Anlässe, die von Tunesien und Ägypten veranstaltet wurden – den zwei Ländern im Rampenlicht der Aktualität, welche die grösste Messe der Welt nach Kräften nutzten, um das Banner der neu gewonnenen Freiheit und Demokratie zu schwenken und Touristen so rasch wie möglich wieder in ihre Länder zu locken.

Beide Tourismusminister erschienen gemeinsam an einer Pressekonferenz der UN Welttourismusorganisation, um ihre Nachricht zu vermitteln und ihre eigenen Pläne und Strategien näher zu erläutern. Vor allem die ägyptische Pressekonferenz war ein Hit: Der Konferenzraum, in dem etwa 120 Personen Platz haben, war zum Bersten voll. Das Geschehen wurde per Videobildschirm nach draussen übertragen – zum ersten Mal in den 25 Jahren, in denen der Autor über die ITB berichtet. Insgesamt war die Veranstaltung meilenweit von den Zeiten entfernt, da sich Ägypten wieder und wieder erklären und Krisen- und Erholungspläne nach Terroranschlägen präsentieren musste.

Sowohl Mr. Abdel Nour als auch der tunesische Tourismusminister, Mr. Mehdi Houas, hoben das historische Erbe ihrer Länder hervor, um die Bedeutung der aktuellen Veränderungen noch zu unterstreichen. Sie stellten fest, dass sich die positive Aufmerksamkeit gegenüber ihren Ländern auf einem Allzeithoch befindet und dass Hotels, Fluglinien, Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele offen für Geschäfte sind. In beiden Ländern kommt ein Grossteil der Besucher aus Europa, weshalb sie sich bemühten, Reiseveranstalter und andere Partner davon zu überzeugen, dass trotz aller momentanen und kommenden Veränderungen in ihren Ländern die touristischen Partnerschaften bestehen bleiben.

Die beiden Minister verkörpern den Wandel. Mr. Abdel Nour (66), stammt aus Kairo, hat einen Abschluss der Amerikanischen Universität in Kairo und ist Politiker, Banker und Unternehmer. Der koptische Christ berichtete an der Pressekonferenz, er sei selbst während drei Tagen unter den Demonstrierenden auf dem Tahrirplatz gewesen. Obwohl sein Vorgänger Mohammed Zoheir Garanah der Korruption beschuldigt wird, kehrte dessen Stellvertreter Mr. Hisham Za’azou inzwischen als erster Assistent des neuen Ministers zurück. Mr. Za’azou berichtete dem Autor, dass auch er unter den Demonstrierenden gewesen sei.

Mr. Houas, der tunesische Tourismusminister, ist Alt-Präsident der CETO-Vereinigung französischer Reiseveranstalter und führte bis vor wenigen Monaten ein Unternehmen in Paris.

Beide Minister betonten ihre Unternehmervergangenheit, um glaubhaft zu machen, dass die Reise- und Tourismusbranche hält, was sie verspricht. "Damit die Demokratie gedeiht, brauchen wir eine starke Wirtschaft", sagte Mr. Houas. "Tourismus macht sieben Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts aus und generiert direkt 400’000 Jobs, indirekt sind es noch einmal so viele. Das heisst, dass ein Drittel unserer Bevölkerung vom Tourismus lebt."

Der Leiter des tunesischen Tourismusbüros in Deutschland, Mr. Saidi Mohammed, berichtete an der tunesischen Pressekonferenz, er warte auf die Genehmigung des Budgets, um die Marketing- und Werbekampagnen gemeinsam mit deutschen Reiseveranstaltern wieder starten zu können. Er machte klar, dass er sich mehr Eigeninitiative der Deutschen wünschen würde. "Früher kamen wir ihnen immer mit 50 zu 50-Partnerschaften entgegen. Jetzt wollen wir, dass sie uns unterstützen." Obwohl sämtliche Flüge zwischen Deutschland und Tunesien wieder aufgenommen wurden, zeigte Mohammed sich unglücklich darüber, dass die deutsche Regierung aufgrund der Situation an der libyschen Grenze und wegen tausender Flüchtlinge vor Reisen in den Süden Tunesiens warnte.

Veränderte Werbeslogans
Sowohl Tunesien als auch Ägypten nehmen aufgrund der Entwicklungen Änderungen an ihrer Vermarktungsstrategie vor. Der neue tunesische Tourismusslogan lautet: "Ich liebe Tunesien – den Ort, an dem man JETZT sein sollte." Das Wort "Liebe" wurde durch ein Herz ersetzt. Entsprechende Aufkleber wurden auf alle Broschüren und Publikationen geklebt und am Tunesien-Stand verteilt.

Ägypten hat seinen bestehenden Slogan "Ägypten – wo alles beginnt" mit weiteren Werbesprüchen und Bildern untermauert, die sich auf die friedliche Revolution und das neu gewonnene Gefühl des Stolzes und der Kraft in der Bevölkerung beziehen. "The Online-Revolution made in Egypt", "Tahrir – a square that rocks the world" (Tahrir – ein Platz bewegt die Welt) und "Welcome to the country of peaceful revolution" sind einige der Slogans. Eine Briefmarke erinnert an den 25. Januar 2011, den Tag, an dem die Revolution begann. Ein Poster zeigt eins der berühmten Gebäude auf dem Tahrir-Platz, begleitet von den Worten: "Tahrir Square, from Egypt with love."

An der ägyptischen Pressekonferenz betonten Mr. Abdel Nour, Mr. Za’azou und der Präsident der ägyptischen Tourismusbehörde, Mr. Amr Elezabi, wie einzigartig es sei, Ägypten in diesen Zeiten zu besuchen. Es gehe über eine normale Reise hinaus, sei eine "menschliche Erfahrung", jetzt im Land zu sein und das aufregende Gefühl zu geniessen, wenn man eine Stätte wie die Tempel von Karnak fast allein besichtigen könne, wo sich sonst praktisch jederzeit 10’000 BesucherInnen pro Tag drängelten.

Im vergangenen Jahr zählte Ägypten 14,7 Millionen BesucherInnen. Im Januar, noch vor Ausbruch der Revolution, kamen 1,2 Millionen BesucherInnen. Unter normalen Umständen verbucht der Tourismus einen durchschnittlichen Aufenthalt von neun Tagen, wobei etwa 85 Dollar pro Tag ausgegeben werden. Der Kollaps der Besucherzahlen, der quasi über Nacht eintrat, richtete daher gewaltigen wirtschaftlichen Schaden an.

80 Prozent der BesucherInnen kommen über Reiseveranstalter ins Land, inklusive 70 Prozent, die via Charter zu Resorts ans Rote Meer reisen. Obwohl es aus existenziellen wirtschaftlichen Gründen Priorität hat, diesen Massenmarkt neu zu beleben, werden neue Möglichkeiten gesucht, um auch Touristen aus dem asiatischen Raum (vor allem aus Indien und China) sowie aus Lateinamerika anzusprechen. Man setzt auf die hohe Sensibilisierung der Konsumenten, um mehr Direktbuchungen zu bekommen.

Gemäss Za’azou ist der MICE-Sektor (Meeting, Incentives, Conferences und Events) logischerweise stark betroffen. Es gebe aber starke Anzeichen, dass der Markt wieder zulege. So lägen  beispielsweise Pläne vor, zusätzlich zum bereits bestehenden Büro in Mumbai in Indien ein Büro in der Hauptstadt Malaysias, in Kuala Lumpur, zu eröffnen. Noch müssten dafür aber die Finanzen gesprochen werden.

Ein Hotelier sagte, sein Steigenberger-Hotel am Roten Meer sei im Jahr 2010 zu 90 Prozent ausgebucht gewesen; jetzt sei man wieder bei 40 Prozent Auslastung und erwarte dies bis April auf 45 Prozent, später im Jahr auf 70 Prozent zu steigern. "Gäste oder Ausländer hatten zu keiner Zeit Angst während der Revolution. Ich ziehe sogar meinen Hut vor den ägyptischen Mitarbeitenden. Sie kümmerten sich noch mehr als sonst um unsere Gäste. Ich lade alle Gäste ein, zu uns zu kommen. Es ist friedlich."

Günstlinge des Regimes
Obwohl die meisten Fragen auf das neue, bessere Ägypten abzielten, ging es auch um Sicherheit, sowie um die Zukunft früherer Geschäftsmänner, die Beziehungen zum Ex-Präsidenten Hosni Mubarak unterhielten, und um das Militär – beide Seiten sind für ihre starke Beziehungen zur Reise- und Tourismusindustrie bekannt.

Die Antwort von Mr. Abdel Nour fiel deutlich aus: "Gamal Mubarak war umgeben von Günstlingen, nicht von Geschäftsmännern. Das ist ein Unterschied." Er deutete an, die Beteiligung des Militärs an Geschäften werde heruntergefahren, so dass es seine Macht zugunsten einer frei gewählten Regierung zurückstufen und sich auf seine traditionelle verteidigende Rolle beschränken könne. "Was die Günstlinge angeht – ihr Fall wird untersucht", sagte Mr. Abdel Nour.

Im gleichen Zusammenhang übte er scharfe Kritik an der Politik der Wirtschaftsliberalisierung, bei der der Tourismus eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Günstlinge Mubaraks seien die Hauptprofiteure gewesen. Diese Strategie, meinte er, möge für die USA in Ordnung gewesen sein, für Ägypten sei sie nicht angebracht.

"Sie müssen wissen, dass unser grosses Problem darin besteht, dass die vom Ex-Regime vorangetriebene extreme Liberalisierung ganz schreckliche Auswirkungen auf die sozialen Strukturen der Bevölkerung hatte. Der riesige Unterschied zwischen Einkommen und Reichtum, zwischen den Reichen, die einen unglaublich verschwenderischen Lebensstil geniessen und in hochklassigen, bewachten Wohnanlagen leben, und den 42 Prozent der ägyptischen Bevölkerung, die von zwei Dollar pro Tag leben müssen und nicht einmal das Nötigste zum Leben haben, war nicht akzeptabel. Es war nicht nachhaltig.

Ich kritisiere die extreme Liberalisierung nicht, ohne sie zu rechtfertigen. Man dachte, diese Strategie würde einen Fahrstuhleffekt auslösen, man dachte, dass die Profite, die oben gemacht wurden, irgendwann unten ankämen. Das passierte nicht. Die Unterschiede vergrösserten sich immer weiter. Das Ergebnis ist, dass alles aufflog.

Das System flog auf eine friedliche, intelligente Art und Weise auf, mit den Technologien des 21. Jahrhunderts. Wir haben es mit einer intelligenten, technischen Revolution zu tun, die von einer ambitionierten Jugend gemacht wird. Diese Jugend verfolgt das Ziel, eine neue, demokratische, freie, faire und gleichberechtigte sowie säkulare Gesellschaft aufzubauen."

Dinge ins rechte Licht rücken
Unter den Eindrücken des 9. März, als es zu Zusammenstössen zwischen verschiedenen Konfessionen gekommen war, fragte ein deutscher Journalist nach der Sicherheitslage. Er wollte wissen, ob Christen in Ägypten sicher seien und ob Animositäten der Muslime gegenüber den Christen bestünden. In seiner Antwort wies der Minister darauf hin, dass er selbst Christ sei: "Ich begegne hier keinerlei Aggressionen." Worauf der Journalist entgegnete: "Sie sind auch nicht in Ägypten." Mr. Abdel Nour ignorierte diesen Einwurf. Er antwortete:
"Als ich sagte, dass ich froh sei, hier sein zu können, um Fragen zu beantworten und Dinge ins richtige Licht zu rücken, dachte ich auch an Fragen wie Ihre, die mir ein typisches Beispiel zu sein scheint. Lassen Sie mich daran erinnern, dass die Demonstrationen auf dem Tahrirplatz jeden Freitag stattfanden, samt den Freitagsgebeten. Die Betenden wurden von Christen beschützt. Um den Geist des Tahrirplatzes und der Demonstrationen zu beschreiben, entschied man, auch am Sonntag zu demonstrieren, damit die Christen eine Messe feiern konnten. Diese Messe wurde von muslimischen Jugendlichen beschützt. Jeder Versuch, die ägyptische Einheit zu zerstören, wird schwer bestraft werden.

Was bei den Zusammenstössen vom 9. März unglücklicherweise passierte, ist das Werk einer Minderheit, die nicht will, dass diese Revolution Erfolg hat. Ich wiederhole, es geht um eine sehr, sehr kleine Minderheit. Für nächsten Freitag lade ich Sie und Ihre Leute ein, auf dem Tahrirplatz zu filmen, wo Christen und Muslimem, wo Ägypter ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit hingehen werden, um ihrer Entschlossenheit Ausdruck zu verleihen, die nationale Einheit Ägyptens zu bewahren. Wir wollen ein faires, säkulares, gleichberechtigtes, demokratisches Land aufbauen, in dem es keine Unterschiede zwischen einem Ägypter und seinem Bruder aufgrund von Religion oder Ethnie gibt. Was am 9. März passierte, ist eine Ausnahme. Wir halten unerschütterlich an der nationalen Einheit der ägyptischen Bevölkerung und am Geist des Tahrirplatzes fest."
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Imtiaz Muqbil (55), ist Chefredaktor von Travel Impact Newswire, eines Fachnewsletters, der kritisch über die touristischen Entwicklungen berichtet. Der erfahrene Fachjournalist begann vor über 30 Jahren seine journalitische Karriere als Reporter für verschiedene auch internationale Zeitungen und Magazine. 1978 liess er sich in Bangkok nieder, seit 20 Jahren schreibt er über die Reise- und Tourismusindustrie im asiatisch-pazifischen Raum. Imtiaz Muqbils wöchentlichen Travel Impact Newswire finden Sie online auf www.travel-impact-newswire.com; er schreibt auch im Blog auf www.ttrweekly.com
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