An welche Regeln halte ich mich beim Fotografieren?
Das Zeitalter der Postkarten scheint vorbei: Heute posten UrlauberInnen gemäss einer aktuellen Umfrage in England durchschnittlich 45 Urlaubsfotos bei Facebook & Co. Die Bilder erinnern an schöne Momente, dienen aber auch als Beweis und Statussymbol für die gemachte Reise. Nebst unverfänglichen Sujets von Sonnenauf- und untergängen, Sehenswürdigkeiten und gebräunten Beinen am Stand knipsen UrlauberInnen auch gerne Land und Leute, Mitreisende, exotische Tiere und Pflanzen. Davon können aber die Rechte oder Interessen der Fotografierten betroffen sein.
Erkundigen Sie sich an Ihrem Reiseort nach dem religiös oder sozial angebrachten Umgang mit Fotografie und fragen Sie auch lokale ReisebegleiterInnen. Seien Sie selbstkritisch in Bezug auf eigenen Voyeurismus, Gedankenlosigkeit oder Egoismus ("so ein tolles Motiv!").
Menschen verdienen Respekt
Fragen Sie Sich beim Ablichten von anderen Menschen: "Wie würde ich mich fühlen, wäre ich in der Situation des Gegenübers?" Bitten Sie eine Person um Erlaubnis, sie zu fotografieren. So befreien Sie das "Motiv" aus seiner passiven Rolle und räumen ihm Mitspracherecht ein. Ein echter Dialog entsteht und Sie zollen dem Recht des potenziellen Fotomotivs auf Privatsphäre und auf das eigene Bild Respekt. Heimlich um Häuserecken herum und in Privaträume hinein zu fotografieren, ist unfair und zu unterlassen.
Begegnen Sie auch Mitreisenden aus dem eigenen kulturellen Kontext respektvoll. Niemand möchte gern ungefragt verewigt werden, auch nicht beim Entspannen im Urlaub. Dies gilt selbstverständlich auch für ReiseveranstalterInnen oder HotelbesitzerInnen: KundInnen dürfen nicht ohne ihr Einverständnis als Werbemotive missbraucht werden, auch nicht im rechtlichen Graubereich der Social Media. Das Recht auf das eigene Bild ist in vielen Ländern auch gesetzlich geschützt.
Viele Menschen haben keinerlei Vorstellung davon, welche Wege ein Foto nehmen kann, für das sie ihr Einverständnis gegeben haben. Auch können Sie selbst als FotografIn nicht immer sicherstellen, dass ein Bild – steht es erst einmal online im Internet – nicht an einem unpassenden Ort wieder auftaucht. Tabuisierte Orte wie religiöse Stätten und Riten, Frauenrückzugsräume oder auch politische Proteste sind gern fotografierte Motive, bergen aber für die Abgebildeten je nach Kontext grosse Gefahr. Denn auch staatliche Institutionen und soziale wie religiöse Netzwerke nutzen das Internet und die Social Media, unter anderem um Kontrolle und Macht auszuüben. Vorsicht ist ausserdem beim Fotografieren von Militäranlagen oder -personal geboten, dies ist in vielen Ländern verboten und kann unsanft verfolgt werden.
Manche Menschen in Touristenzentren verdienen ihren Lebensunterhalt als Fotomotiv, gelegentlich werden auch Tiere als solche angeboten. Erkundigen Sie sich nach den lokal üblichen Preisen. Tierquälerei (Affen an der Leine, Schlangenbeschwörungen oder Tanzbärshows) sollten Sie nicht unterstützen, indem sie ihr durch weitere Fotos zusätzlich Aufmerksamkeit verschaffen. Enthalten Sie sich aber eines vorschnellen Urteils; wir wissen meist wenig über die Lebensumstände der betroffenen Menschen und deren Motive.
Kinder brauchen besonderen Schutz
Der Kinderschutz, der in unserem Kulturraum gilt, sollten Sie auch den Kindern auf ihren Reisen gewähren: Fotografieren sie keine Kinder ohne ihre Erlaubnis und die der Eltern. Achten Sie beim Abbilden von Kindern darauf, Fotos auf gleicher Augenhöhe entstehen zu lassen, indem Sie sich beim Fotografieren auf die Grösse des Kindes einstellen. Kinderschutzorganisationen wie ECPAT warnen davor, auf Facebook & Co Kinderfotos zu posten, ganz besonders, wenn diese freizügig sind. Bilder, die einmal im Internet sind, können missbraucht werden und lassen sich nicht wieder zurückholen.
Kinder sollten darüber hinaus niemals mit Geld oder Geschenken fürs Fotografieren entlohnt werden, da dies im Extremfall zum Abbruch der Schule und zu einer wenig versprechenden Karriere als touristisches Fotomotiv führen kann.
Schonender Umgang mit Tieren, Pflanzen und Lebensräumen
Tiere und Naturszenerien sollten Sie nur dann fotografieren, wenn Sie dabei nichts zerstören, Tiere und Pflanze keiner Gefahr aussetzen oder ihnen Stress verursachen: Sie sollten beispielsweise nicht scheinbar häufig vorkommende und daher uninteressante Pflanzen achtlos zertrampeln, um eine seltene Blume aufzunehmen. Tiere in freier Wildbahn aufzuscheuchen, um ein gutes Foto zu bekommen, ist ebenfalls tabu, so wie auch das Heranpirschen an Nester oder sonstige Rückzugsorte. Überlassen Sie das Fotografieren solch heikler Motive erfahrenen SpezialistInnen, die sich mit den Tieren und ihren Bedürfnissen gut auskennen. Besonders wichtig für den Schutz bedrohter Tierarten ist zudem, dass Sie keinerlei Fotos mit Ortsangaben (oftmals versteckt in den technischen Daten von Digitalkameras) im Internet veröffentlichen. Zahlreiche Naturschutzparks bitten sogar darum, vor dem Betreten des Geländes die sogenannten Ortungsdienste in Telefon und Kamera abzustellen, damit keine Informationen zum Aufenthaltsort seltener Tiere an Wilderer geraten.