Anne Badger/ Patricia Barnett/ Lynn Corbynn/ Jean Keefe (Eds.): Trading Places: Tourism as Trade
Im Lichte des Erfolges beim Kaffee oder den Bananen drängt sich die Frage auf, ob die Konzepte des "fairen Handels" nicht auch auf Tourismus angewendet werden könnten, damit die lokalen Anbieter mehr von dieser Aktivität profitieren. Die Idee ist bestechend und zieht immer breitere Kreise. Bevor allerdings der "faire Tourismus" ultimativ zum Programm erhoben wird, bedarf es einer eingehenderen Betrachtung dessen, was Tourismus als "Handelsware" auszeichnet. Genau diesem Unterfangen, an dem sich Fachleute seit Jahren die Zähne ausbeissen, ist die neue Publikation der in London ansässigen tourismuskritischen Organisation Tourism Concern gewidmet. Denn Tourismus ist, wie die AutorInnen zeigen, weit mehr als Menschen, die zur Erholung und zum Vergnügen reisen. Allein schon, ob sie es im eigenen Land tun oder ins Ausland fahren, verleiht der Sache eine völlig andere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung. Unter Tourismus wird gängig ein Bündel von Aktivitäten – vom Transport über Verpflegung und Unterkunft bis zum Banking – zusammengefasst, die generell den Dienstleistungen zugeordnet werden, wenn nicht gerade, um die Bilanz zu verschönern, der Bausektor oder die landwrtschaftlichen Zulieferbetriebe mitgezählt werden. Noch immer unter demselben Begriff "Tourismus" wird dieses ganze Bündel zusammen mit nicht monetarisierten Werten wie Natur oder Gastfreundschaft sowohl konsumiert wie auch ausgetauscht. Das Ganze ist zwar nie lagerbar – ein "Produkt" wie ein Flugsitz oder ein Bett verfällt bekanntlich, wenn nicht genutzt; es kann jedoch zum gewichtigen Exportfaktor werden, und da kommt der komplexe englische Ausdruck "Trade" der Sache schon näher. So war Tourismus eine der heiss umstrittenen Fragen in der Uruguay-Runde des GATT, wobei die Auswirkungen der von der Mehrzahl der Länder dieser Erde eingegangenen Liberalisiserungsverpflichtungen im Rahmen der GATT-Abkommen, wie die AutorInnen der Tourism Concern-Studie unterstreichen, noch kaum abgeschätzt werden können. Das Freihandelsabkommen sieht eine konsequente Liberalisierung des Wirtschaftszweiges Tourismus vor, die – so heben die AutorInnen der Publikation von Tourism Concern hervor – von ihren Verfechtern auch als die "faire" Form des Handels verstanden wird. Diese Liberalisierung wird jedoch bereits seit Jahren – so die Studie im synthetischen Teil weiter – vom Internationalen Währungsfonds IWF vorangetrieben, der im Rahmen der Strukturanpassungen immer wieder die Förderung der "Exportbranche" Tourismus vorsieht. Und sie ist, in einem anderen Begriffsverständnis, alles andere als "fair". Wie wenig die lokale Bevölkerung von dieser Form der Tourismusförderung profitiert, belegt die Publikation mit beredten Fallstudien über Gambia, Kenya, Sri Lanka, St. Lucia, Barbados, die Philippinen, Ägypten und die Türkei, einer Länderanalyse, die von Gaby Fierz, Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung, stammt. Diese wertvolle aktualisierte Zusammenfassung von Zahlen und Fakten zu Strukturanpassung und Tourismus hinterlässt ein eindrücklich ernüchterndes Bild. Konsequent – und dennoch sehr abgehoben von den vorgängigen Analysen – skizzieren die AutorInnen im Schlusskapitel ihre Kriterien für einen "fairen Tourismus":
· gerechter Preis für das Tourismusprodukt, der soziale und ökologische Kosten mitrechnet und Marktfluktuationen auffangen kann;
· lokale Mitsprache und Partizipation;
· faire Löhne und Anstellungsbedingungen sowie Ausbildungsmöglichkeiten für ArbeitnehmerInnen im Tourismus;
· breiter Zugang zu fairen Krediten;
· Tourismus muss im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich nachhaltig sein sowie
· internationalen Standards entsprechen.
Mit diesen Forderungen, die Tourism Concern anhand eigener Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Gambia interessant dokumentiert, liegt die Publikation durchaus auf der Linie von althergebrachten Postulaten, etwa der Internationalen Labour Organisation (ILO). Der Katalog kann sofort bedenkenlos unterschrieben werden; bloss nimmt er sich aus wie eine Weihnachtswunschliste, weil höchstens andiskutiert wird und damit unklar bleibt, wie die Umsetzung der Forderungen in diesem komplexen Wirtschaftsbereich tatsächlich zu bewerkstelligen wäre. Nur ganz am Rande vermerkt die Studie, dass sich das weltweite Tourismusgeschäft heute in der Hand von allein 13 Transnationalen Unternehmen befindet (die durch die Freihandelsabkommen entscheidend weiter begünstigt werden). Die Analyse über die ökonomische und politische Grosswetterlage mit erbittertem Konkurrenzgerangel und entsprechendem Preiszerfall (Stichwort Billigreisen) fehlt fast gänzlich. Da weht jeglichem Versuch von "fairem Tourismus" eine steife Brise ins Gesicht, die alle noch so umsichtigen Ansätze im Keim zu ersticken droht, wie die AutorInnen von Tourism Concern selbst eingestehen. Es ist sicherlich hilfreich, den Finger klar auf die Schwachstelle zu halten, wobei es eindeutig konstruktiver wäre, diese analytischen Schwachstellen endlich zu füllen, um mit konkreten Forderungen an die richtigen Adressaten zu gelangen. Die AutorInnen der Tourism Concern-Publikation bescheiden sich denn auch selber, mit ihrem Beitrag die Diskussion ins Rollen bringen zu wollen. Erfolgreich, so hoffen wir allen Schwächen der Publikation zum Trotz. Uns jedenfalls haben sie schon ganz schön zur Feder greifen lassen.
Tourism Concern, London 1996, 92 S.
Zu beziehen bei: Tourism Concern, Southlands College, Roehampton Institute, Wimbledon Parkside, London SW19 5NN, Tel 44 181 944 0464, Fax 44 181 944 6583