Antisemitismus im Zeitalter der Globalisierung
Antisemitismus trat im Laufe der Geschichte auf unterschiedliche Weise auf. Der christliche Antijudaismus brauchte den Juden, der zwar den Ursprung der eigenen Religion verbürgen, doch zugleich als Ausgegrenzter den Triumph der Kirche beweisen sollte. Das Christentum zwang die Juden in das Zinsgeschäft, um es ihnen umso besser vorwerfen zu können. Der rassistische Antisemitismus zielte hingegen nicht mehr vornehmlich gegen den Andersgläubigen, sondern unterstellte, nachdem das Ghetto aufgelöst worden war, nicht nur dem gläubigen, sondern insbesondere dem assimilierten Juden, den Volkskörper heimtückisch zu unterwandern. Die jahrhundertealte Hetze war eine Voraussetzung für Auschwitz, obgleich der christliche Antijudaismus nicht unweigerlich in die Vernichtung hätte führen müssen. Aber mit dem Sieg über den Nazismus wurde der Antisemitismus in Europa weitgehend zum Tabu. Heute fordert keine Partei und erlässt kein westlicher Staat mehr antijüdische Gesetze. Kaum jemand bekennt sich noch öffentlich zu diesem Ressentiment, das in vielen weiter fortschwelt.
Jude als wandelndes Mahnmal von Schuldgefühlen
Aber der Antisemitismus ist nicht bloss ein Überbleibsel früherer Zeiten, denn längst ist in der Wissenschaft von einem sekundären Antisemitismus die Rede, der nicht trotz, sondern wegen Auschwitz existiert. Ironisch lässt sich beinah sagen: Man kann dem Juden nicht ganz verzeihen, was man ihm angetan hat. Der Jude wird zum wandelnden Mahnmal unterschiedlicher Schuldgefühle, die in einer Gesellschaft weiterwirken, in der diese Vernichtung möglich wurde. Die Shoah, wie die Massenverbrechen im jüdischen Verständnis genannt werden, stellt die christliche Passionsgeschichte auf den Kopf, denn nicht der Jude, sondern seine getauften Feinde waren hier die Schuldigen, weshalb "der Jude" überall, wo er einst als Sinnbild des Bösen galt, nun das schlechte Gewissen plagt. Entlastung bietet alles, was nachweist, die Opfer seien gar nicht so unschuldig, sondern ähnelten den Tätern im Grunde. Der antisemitische Reflex wehrt sich deshalb vor allem gegen die Erinnerung an Auschwitz.
Die Leugnung der Verbrechen ist das Lügengespinst der wahrhaft passionierten Antisemiten, denn sie setzt eine jüdische Weltverschwörung voraus, ein Komplott der Überlebenden, die zudem die internationalen Medien und die bestimmenden Staatsinstitutionen kontrollieren würden. Die gemässigte Form dieser Geschichtsleugnung ist die Relativierung der Vernichtung. Dem Juden wird vorgeworfen, aus der Vernichtung bloss Profit schlagen zu wollen. Die Mörder seien nicht gar so schlimm und die Opfer nicht ganz so unschuldig gewesen. Der jüdischen Führung wird angelastet, mit dem Nationalsozialismus verhandelt zu haben, um eine Minderheit der Juden retten zu können. Der Unterschied zwischen Opfern und Tätern wird verwischt.
Auffällig insbesondere, wie genüsslich gegen Israel zu Felde gezogen wird. Der Vergleich mit den Nazis ist hier schnell zur Hand. Wer hätte das 1945 für möglich gehalten? Nicht wenige, die wegen des Nazismus jegliche Form von Nationalismus ablehnen, wenden die Werte, auf denen ihre Ablehnung von Antisemitismus und Rassismus beruht, nun vor allem gegen die Juden, gegen Israel und gegen den Zionismus. Und ist es nicht praktisch? Das Objekt des Ressentiments muss so gar nicht ausgetauscht werden. Nur die Vorzeichen der Ablehnung ändern sich. Der Judenstaat kann so zum Juden unter den Staaten abgestempelt werden.
Seit den stalinistischen Prozessen ist der Begriff "Zionismus" längst zu einem Code verkommen, mit dem gegen alle Juden gehetzt werden kann. Jean Améry beschrieb in den 1970er-Jahren, wie dieser "ehrbare Antisemitismus " unter westlichen Linken aufkam. Wenn die Kritik an Israel sich gegen das Jüdische schlechthin wendet, der Judenstaat mit den Nazis gleichgesetzt und der Mord an Juden schlechthin gerechtfertigt wird, dann ist die Grenze des Zulässigen überschritten. Neu ist, dass diese einst ideologisch geprägte Praxis nun auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Israelkritik schlägt schnell in Hass um
Nicht von Kritik an israelischer Politik ist die Rede, sondern von "Israelkritik" – ein eigener Begriff, wie es ihn gegenüber anderen Ländern, ob Russland, Syrien oder Korea, zu Recht nicht gibt. Ein künstlerischer und wissenschaftlicher Boykott israelischer Intellektueller wird gefordert. Die Kampagne richtet sich nicht nur gegen bestimmte Gesetze oder allein gegen die Okkupation, sondern zielt nicht selten gegen die Existenz des gesamten Staates, da ganz Israel gerne als besetztes Gebiet und alle seine jüdischen Einwohner als Usurpatoren angesehen werden. Zum Vergleich: Niemand kam je auf die Idee, serbische, kroatische oder iranische Akademiker und Künstler zu boykottieren. Bei Israel gelten besondere Massstäbe. Selbstverständlich gibt es auch Gründe, die Regierung Israels zu kritisieren.
Was jedoch an vielen Demonstrationen gegen Israel auffällt, ist, wie schnell das Engagement in einen Hass gegen das Jüdische schlechthin, ob nun gegen Synagogen oder gegen Orthodoxe, umschlägt. Bei anderen Kriegen münden Proteste kaum in Angriffe auf die europäische Diaspora einer Seite. An der Zahl der Opfer oder daran, dass sie Muslime waren, kann es nicht liegen. In Tschetschenien oder in Bosnien waren mehr Tote zu beklagen, und dort starben ebenfalls Muslime. Wenn es jedoch um Juden geht, paradieren durchaus verfeindete Gruppen gemeinsam – radikale Islamisten und Neonazis, Rassisten und Migranten, Rechtsextreme und Linksradikale; Fraktionen, die in anderen Fällen nichts miteinander zu schaffen haben wollen.
Neuer Antisemitismus gibt sich oft antirassistisch
Vom "neuen Antisemitismus", der im Wesentlichen nicht rassistisch argumentiert, sondern sich im Gegenteil oft antirassistisch gibt, ist vielerorts die Rede. Der Begriff "neuer Antisemitismus " verweist auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten zugleich. Der Vorwurf wird erhoben, dass die Kritik an Israel in einigen Fällen weit über eine sachlich gerechtfertigte Kritik hinausgehe und dass ihr wahres Motiv antisemitisch sei. Als Zentren dieses neuen Antisemitismus werden islamistische Kräfte, doch auch Teile der Linken angesehen. Seinen Ausdruck finde der neue Antisemitismus einerseits in einer neuen verbalen Radikalität gegenüber Israel und den Juden insgesamt, andererseits in einer neuen Gewaltsamkeit, die sich in der gestiegenen Zahl der Übergriffe gegen Juden und in mörderischen Attentaten gegen jüdische Einrichtungen manifestiere. Die Kritiker des Begriffs vom "neuen Antisemitismus " sehen in ihm nur den Versuch, Kritik an israelischer Politik zu unterbinden.
Was die Debatte über diesen "neuen Antisemitismus " so kompliziert macht, ist just der ihr zugrundeliegende Konsens, dass offener Antisemitismus seit Auschwitz keinerlei Legitimität mehr besitzt. Beinah alle Beteiligten der Debatte arbeiten mit der Rhetorik des Verdachts: Der Antisemitismusvorwurf gründet auf der Vermutung, das Gesagte sei nicht das Gemeinte – Kritik an Israel diene nur dem bewussten oder unbewussten Wunsch, antisemitische Ideen oder Gefühle zu artikulieren. Die andere Seite hingegen argwöhnt, dass der Antisemitismusvorwurf nur dem Interesse Israels dient, legitime Kritik an seiner Politik und der Jerusalemer Regierung zum Schweigen zu bringen. Für beide Annahmen können auch durchaus Beispiele genannt werden.
Export des Antisemitismus in den Nahen Osten
Bemerkenswert ist indes, wie manche israelische Gewalt im Namen der Menschenrechte verurteilen und westlichen Rassismus bekämpfen, jedoch durchaus zur Apologie von verbrecherischen Bluttaten imstande sind, wenn es um Attentate radikaler Dschihadisten auf Juden geht. Neu ist der mörderische Antisemitismus in islamistischen Bewegungen, der teils auch von muslimischen Regierungen propagiert wird. Der klassische Antisemitismus mit seinen Topoi vom jüdischen Ritualmord und vom jüdischen Streben nach Weltherrschaft mag in Europa seit 1945 tabuisiert worden sein, doch er wurde zugleich in den Nahen Osten exportiert. Seit Jahren erklingen in Moscheen vieler Länder Hetztiraden gegen die Juden. In grossen arabischen Tageszeitungen erscheinen regelmässig Karikaturen, die jenen des "Stürmer" gleichen. In vielen arabischen Schulen lernen Kinder, der Jude sei ein Todfeind und werde es immer bleiben. In staat- lichen Fernsehserien werden "Die Protokolle der Weisen von Zion" neu verbreitet.
Die nach 1945 aus Europa in den Nahen Osten importierten antisemitischen Vorstellungen fliessen teils mit der Migration aus muslimischen Ländern wieder in den Westen zurück, wobei in diesem Zusammenhang auch jede Verallgemeinerung fatal wäre. Keinesfalls soll hier dem islamophoben Ressentiment das Wort geredet werden. So falsch es ist, den Islam an sich und alle Muslime des Judenhasses zu bezichtigen, wäre es jedoch ebenso kulturalistisch, judenfeindliche Hetzreden und Attentate nur deshalb zu beschönigen, weil die Akteure oder ihre Familien aus einem anderen Erdteil stammen. Integration ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es braucht den politischen Kampf gegen den Antisemitismus, wo immer er einem entgegentritt.
Im neuen Jahrtausend existiert ein globalisierter Antisemitismus. Der "Jude" und Israel werden zum Synonym des westlichen Imperialismus schlechthin. Es gibt heute weltweit – ob in Islamabad, in Budapest oder in aJakarta – mehr Anhänger antisemitischer Bewegungen als Juden. Die Zahl jener, die unbewusst antisemitischen Klischees anhängen, ist wohl noch grösser. Aber die meisten Menschen wollen mit dem Antisemitismus nichts zu schaffen haben. Sie sind die Mehrheit, die es zu sensibilisieren gilt, damit sie gegen den Hass und die Hetze entschlossen ankämpft. Es geht darum, die Auseinandersetzung mit den antisemitischen Vorurteilen und Feindbildern überall dort aufzunehmen, wo sie uns besonders leidenschaftlich und rabiat entgegenzutreten wagen.
Doron Rabinovici ist Historiker und Schriftsteller. Er kam 1961 in Tel Aviv zur Welt und lebt seit 1964 in Wien.
Die Leugnung der Verbrechen ist das Lügengespinst der wahrhaft passionierten Antisemiten, denn sie setzt eine jüdische Weltverschwörung voraus, ein Komplott der Überlebenden, die zudem die internationalen Medien und die bestimmenden Staatsinstitutionen kontrollieren würden. Die gemässigte Form dieser Geschichtsleugnung ist die Relativierung der Vernichtung. Dem Juden wird vorgeworfen, aus der Vernichtung bloss Profit schlagen zu wollen. Die Mörder seien nicht gar so schlimm und die Opfer nicht ganz so unschuldig gewesen. Der jüdischen Führung wird angelastet, mit dem Nationalsozialismus verhandelt zu haben, um eine Minderheit der Juden retten zu können. Der Unterschied zwischen Opfern und Tätern wird verwischt.
Auffällig insbesondere, wie genüsslich gegen Israel zu Felde gezogen wird. Der Vergleich mit den Nazis ist hier schnell zur Hand. Wer hätte das 1945 für möglich gehalten? Nicht wenige, die wegen des Nazismus jegliche Form von Nationalismus ablehnen, wenden die Werte, auf denen ihre Ablehnung von Antisemitismus und Rassismus beruht, nun vor allem gegen die Juden, gegen Israel und gegen den Zionismus. Und ist es nicht praktisch? Das Objekt des Ressentiments muss so gar nicht ausgetauscht werden. Nur die Vorzeichen der Ablehnung ändern sich. Der Judenstaat kann so zum Juden unter den Staaten abgestempelt werden.
Seit den stalinistischen Prozessen ist der Begriff "Zionismus" längst zu einem Code verkommen, mit dem gegen alle Juden gehetzt werden kann. Jean Améry beschrieb in den 1970er-Jahren, wie dieser "ehrbare Antisemitismus " unter westlichen Linken aufkam. Wenn die Kritik an Israel sich gegen das Jüdische schlechthin wendet, der Judenstaat mit den Nazis gleichgesetzt und der Mord an Juden schlechthin gerechtfertigt wird, dann ist die Grenze des Zulässigen überschritten. Neu ist, dass diese einst ideologisch geprägte Praxis nun auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Israelkritik schlägt schnell in Hass um
Nicht von Kritik an israelischer Politik ist die Rede, sondern von "Israelkritik" – ein eigener Begriff, wie es ihn gegenüber anderen Ländern, ob Russland, Syrien oder Korea, zu Recht nicht gibt. Ein künstlerischer und wissenschaftlicher Boykott israelischer Intellektueller wird gefordert. Die Kampagne richtet sich nicht nur gegen bestimmte Gesetze oder allein gegen die Okkupation, sondern zielt nicht selten gegen die Existenz des gesamten Staates, da ganz Israel gerne als besetztes Gebiet und alle seine jüdischen Einwohner als Usurpatoren angesehen werden. Zum Vergleich: Niemand kam je auf die Idee, serbische, kroatische oder iranische Akademiker und Künstler zu boykottieren. Bei Israel gelten besondere Massstäbe. Selbstverständlich gibt es auch Gründe, die Regierung Israels zu kritisieren.
Was jedoch an vielen Demonstrationen gegen Israel auffällt, ist, wie schnell das Engagement in einen Hass gegen das Jüdische schlechthin, ob nun gegen Synagogen oder gegen Orthodoxe, umschlägt. Bei anderen Kriegen münden Proteste kaum in Angriffe auf die europäische Diaspora einer Seite. An der Zahl der Opfer oder daran, dass sie Muslime waren, kann es nicht liegen. In Tschetschenien oder in Bosnien waren mehr Tote zu beklagen, und dort starben ebenfalls Muslime. Wenn es jedoch um Juden geht, paradieren durchaus verfeindete Gruppen gemeinsam – radikale Islamisten und Neonazis, Rassisten und Migranten, Rechtsextreme und Linksradikale; Fraktionen, die in anderen Fällen nichts miteinander zu schaffen haben wollen.
Neuer Antisemitismus gibt sich oft antirassistisch
Vom "neuen Antisemitismus", der im Wesentlichen nicht rassistisch argumentiert, sondern sich im Gegenteil oft antirassistisch gibt, ist vielerorts die Rede. Der Begriff "neuer Antisemitismus " verweist auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten zugleich. Der Vorwurf wird erhoben, dass die Kritik an Israel in einigen Fällen weit über eine sachlich gerechtfertigte Kritik hinausgehe und dass ihr wahres Motiv antisemitisch sei. Als Zentren dieses neuen Antisemitismus werden islamistische Kräfte, doch auch Teile der Linken angesehen. Seinen Ausdruck finde der neue Antisemitismus einerseits in einer neuen verbalen Radikalität gegenüber Israel und den Juden insgesamt, andererseits in einer neuen Gewaltsamkeit, die sich in der gestiegenen Zahl der Übergriffe gegen Juden und in mörderischen Attentaten gegen jüdische Einrichtungen manifestiere. Die Kritiker des Begriffs vom "neuen Antisemitismus " sehen in ihm nur den Versuch, Kritik an israelischer Politik zu unterbinden.
Was die Debatte über diesen "neuen Antisemitismus " so kompliziert macht, ist just der ihr zugrundeliegende Konsens, dass offener Antisemitismus seit Auschwitz keinerlei Legitimität mehr besitzt. Beinah alle Beteiligten der Debatte arbeiten mit der Rhetorik des Verdachts: Der Antisemitismusvorwurf gründet auf der Vermutung, das Gesagte sei nicht das Gemeinte – Kritik an Israel diene nur dem bewussten oder unbewussten Wunsch, antisemitische Ideen oder Gefühle zu artikulieren. Die andere Seite hingegen argwöhnt, dass der Antisemitismusvorwurf nur dem Interesse Israels dient, legitime Kritik an seiner Politik und der Jerusalemer Regierung zum Schweigen zu bringen. Für beide Annahmen können auch durchaus Beispiele genannt werden.
Export des Antisemitismus in den Nahen Osten
Bemerkenswert ist indes, wie manche israelische Gewalt im Namen der Menschenrechte verurteilen und westlichen Rassismus bekämpfen, jedoch durchaus zur Apologie von verbrecherischen Bluttaten imstande sind, wenn es um Attentate radikaler Dschihadisten auf Juden geht. Neu ist der mörderische Antisemitismus in islamistischen Bewegungen, der teils auch von muslimischen Regierungen propagiert wird. Der klassische Antisemitismus mit seinen Topoi vom jüdischen Ritualmord und vom jüdischen Streben nach Weltherrschaft mag in Europa seit 1945 tabuisiert worden sein, doch er wurde zugleich in den Nahen Osten exportiert. Seit Jahren erklingen in Moscheen vieler Länder Hetztiraden gegen die Juden. In grossen arabischen Tageszeitungen erscheinen regelmässig Karikaturen, die jenen des "Stürmer" gleichen. In vielen arabischen Schulen lernen Kinder, der Jude sei ein Todfeind und werde es immer bleiben. In staat- lichen Fernsehserien werden "Die Protokolle der Weisen von Zion" neu verbreitet.
Die nach 1945 aus Europa in den Nahen Osten importierten antisemitischen Vorstellungen fliessen teils mit der Migration aus muslimischen Ländern wieder in den Westen zurück, wobei in diesem Zusammenhang auch jede Verallgemeinerung fatal wäre. Keinesfalls soll hier dem islamophoben Ressentiment das Wort geredet werden. So falsch es ist, den Islam an sich und alle Muslime des Judenhasses zu bezichtigen, wäre es jedoch ebenso kulturalistisch, judenfeindliche Hetzreden und Attentate nur deshalb zu beschönigen, weil die Akteure oder ihre Familien aus einem anderen Erdteil stammen. Integration ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es braucht den politischen Kampf gegen den Antisemitismus, wo immer er einem entgegentritt.
Im neuen Jahrtausend existiert ein globalisierter Antisemitismus. Der "Jude" und Israel werden zum Synonym des westlichen Imperialismus schlechthin. Es gibt heute weltweit – ob in Islamabad, in Budapest oder in aJakarta – mehr Anhänger antisemitischer Bewegungen als Juden. Die Zahl jener, die unbewusst antisemitischen Klischees anhängen, ist wohl noch grösser. Aber die meisten Menschen wollen mit dem Antisemitismus nichts zu schaffen haben. Sie sind die Mehrheit, die es zu sensibilisieren gilt, damit sie gegen den Hass und die Hetze entschlossen ankämpft. Es geht darum, die Auseinandersetzung mit den antisemitischen Vorurteilen und Feindbildern überall dort aufzunehmen, wo sie uns besonders leidenschaftlich und rabiat entgegenzutreten wagen.
Doron Rabinovici ist Historiker und Schriftsteller. Er kam 1961 in Tel Aviv zur Welt und lebt seit 1964 in Wien.