Apartheid Unfinished Business: Khulumani
"Der Gerichtsentscheid ist ein Sieg im langen Kampf für Gerechtigkeit, den die Opfer der Komplizenschaft von Konzernen mit der illegitimen Apartheid-Regierung führen."*
Die Mitglieder von Khulumani – das Zuluwort bedeutet «Sprich es aus!» – waren direkt oder indirekt Opfer von politischer Gewalt während der Apartheid. Die Organisation will die von der Wahrheits- und Versöhnungskommission TRC aufgeworfenen Themen in der Öffentlichkeit präsent halten. Mit einem Mandat des Parlamentes zur Aufdeckung der begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen sollte die TRC Mitte der 1990er Jahre den friedlichen Übergang zum demokratischen Südafrika sicherstellen. In diesem Zusammenhang organisierte sie öffentliche Zeugenaussagen von Tätern und Opfern. Dabei wurde den Tätern im Austausch gegen eine wahrheitsgetreue und vollständige Aussage Amnestie angeboten, den Opfern wurden Entschädigungszahlungen in Aussicht gestellt.
Aus losen Netzwerken von Selbsthilfegruppen der oft traumatisierten Opfer entwickelte sich Khulumani zum allgemein anerkannten Sprachrohr der Opfer, zunehmend auch jener, die vom nationalen Prozess der TRC nicht erreicht wurden. Ihre mittlerweile rund 58‘000 Mitglieder und deren Geschichte sind in einer Datenbank erfasst, der umfassendsten bezüglich Menschenrechtsverletzungen unter dem Apartheid- Regime. In den letzten zehn Jahren hat sich Khulumani zudem als kritische Stimme profiliert, die an das immer noch unerledigte Geschäft der Apartheid – das «unfinished business» – erinnert. Mit öffentlichen Märschen, mit Memoranden sowie durch unermüdliche Verhandlungen mit den Behörden tritt Khulumani für die Interessen seiner Mitglieder ein. In der Lobbyarbeit der Organisation sind die Themen Wiedergutmachung und Entschädigungszahlungen zentral.
Dabei ist der Kampf für die Anerkennung der Apartheid-Opfer von wachsendem Erfolg gekrönt. 2002 verklagte die Organisation in den USA transnationale Konzerne und Banken wegen Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen während der Apartheid- Zeit auf Reparationszahlungen. Nach verschiedenen juristischen Manövern errang Khulumani 2009 einen wichtigen Erfolg: Das zuständige Distriktgericht hat die Klagen zugelassen.
Von den ursprünglich 23 beklagten Unternehmen müssen sich heute noch vier vor Gericht verantworten – IBM, Ford, Daimler und Rheinmetall. Das Gericht liess nur Klagen gegen Firmen zu, deren Geschäftstätigkeit in einer direkten Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen stand. Dies ist bei den Autoherstellern Ford und Daimler der Fall, die Fahrzeuge für die Sicherheitskräfte herstellten. IBM entwickelte die Software, mit der das Apartheid-Regime die Rassensegregation durchsetzen konnte. Rheinmetall lieferte Waffen und Munition. Für die Schweiz von besonderem Interesse ist dabei die deutsche Rheinmetall AG, welche 1999 die Waffenfabrik Oerlikon Contraves (ehemals Bührle) übernommen hat, die ihrerseits während Jahrzehnten Waffen und Lizenzen nach Südafrika lieferte.
Solche direkten Verbindungen zu Menschenrechtsverletzungen lassen sich gemäss US-Gericht für den Finanzsektor nicht nachweisen. Die Richterin hat deshalb die Banken, darunter die Schweizer UBS und CS, von der Liste der beklagten Unternehmen gestrichen.
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Beauty Kotta
Beauty Kotta ist in ihren 60ern und das Oberhaupt eines Sechs-Personen- Haushaltes: mit ihrem Sohn und ihre Tochter sowie deren drei Kindern wohnen sie in einem 2-Zimmer Haus im Township Philippi ausserhalb Kapstadts. Hier leben viele, die sich nicht in das vom Staat zugewiesene Township Kayelitsha vertreiben liessen. Beauty Kotta hatte zwei Söhne. 1984 verbrannte der ältere bei der Zerstörung der informellen Siedlung Nyang Bush. Der 12-jährige Knabe konnte sich bei der Attacke der Sicherheitskräfte des Apartheidregimes nicht retten. Beauty Kottas zweiter Sohn flüchtete sich in ein Gemeinschaftszentrum, das den Opfer der gewaltsamen Vertreibung Schutz bot. Heute lebt er wieder bei der Mutter, in Philippi nur durch eine Strasse vom ehemaligen Nyanga Bush getrennt. Er ist schwerstens traumatisiert aufgrund dessen, was er als Junge erleben musste. Beauty Kotta kümmert sich ausserdem um die drei Kinder ihrer Tochter und muss von einer schmalen Rente leben in Verhältnissen gleich ärmlich wie in den 1980er Jahren.
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* Khulumani, Pressecommuniqué, Oktober 2007
KEESA – Informationen Frühjahr 2010. Mit diesem Informationsblatt weist die KEESA (Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika) auf einige ungelöste Probleme aus der Apartheid-Zeit hin, die Südafrikas Zukunft gefährden. Darüber hinaus wirft sie die grundsätzliche Frage nach der Entschädigung für die Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen und der Verantwortung von Konzernen und Banken auch aus der Schweiz auf. Auf fairunterwegs.org geben wir in lockerer Folge die einzelnen Beiträge mit freundlicher Genehmigung wieder. Sie können auch die gesamte eInfozeitung der KEESA downloaden.