Apartheid Unfinished Business: Rassismus
"Wir müssen noch Vieles verändern. Ich erhalte viele Anrufe von Hausangestellten, die sich darüber beklagen, dass sie von ihren Arbeitgebern immer noch behandelt werden wie zu Zeiten der Apartheid."*
Das Apartheid-System beruhte auf drei Säulen: Erstens historisch auf der Sklaverei und der kolonialen Eroberung durch europäische Mächte, zweitens ideologisch auf der Vorstellung einer grundsätzlichen Überlegenheit der europäischen Zivilisation und drittens mental auf dem festen Willen die weisse Vorherrschaft in Südafrika aufrecht zu erhalten. Dabei ist der Begriff der «getrennten Entwicklung», wie die Apartheid zuweilen von ihren Schöpfern benannt wurde, Schönfärberei. Im Zentrum der Apartheid stand die Sicherung der weissen Herrschaft mit allen Mitteln. Menschen afrikanischer Herkunft wurden als von Natur aus minderwertig dargestellt und behandelt, ihre Kulturen und Traditionen als primitiv und barbarisch bezeichnet. Von einigen Theoretikern der Apartheid wurde ihnen gar die Menschenwürde abgesprochen, andere sahen in ihnen eine noch zu entwickelnde Spezies, die wie Kinder (und Frauen) eines (männlichen) Vormundes bedurften. Mit dieser Ideologie wurde die Entrechtung und Enteignung der schwarzen Bevölkerung gerechtfertigt.
Dabei umfasste die Gruppe der Weissen nur knapp einen Fünftel der Bevölkerung Südafrikas. Um die Kontrolle über die nichtweisse Bevölkerungsmehrheit zu behalten, wurde ein verästelter Polizei- und Geheimdienst mit weitreichenden Kompetenzen aufgebaut. Je stärker der Widerstand der unterdrückten Bevölkerung wurde, desto brutaler wurde dieser Repressionsapparat eingesetzt. Das Apartheid-Regime förderte sogar die chemisch-biologische Forschung, mit dem Ziel die Fruchtbarkeit von schwarzen Frauen zu beeinträchtigen.
Mental hatte sich die weisse Bevölkerung in einer Festung verschanzt und nahm Schwarze in erster Linie als Bedrohung wahr. Aus dieser Perspektive bedeutete das allgemeine Stimm- und Wahlrecht, das die Befreiungsbewegungen forderten, den Untergang der weissen Zivilisation. Dagegen stemmte sich die grosse Mehrheit der weissen Bevölkerung. Deren Beziehung zur schwarzen Bevölkerung war folglich von Angst und Misstrauen gekennzeichnet.
Begegnungen zwischen Schwarz und Weiss konnten unter der Apartheid nur in einem Verhältnis von HerrIn – DienerIn stattfinden: Der weisse Vorarbeiter und die schwarzen Mineure, die weisse Hausfrau und ihre schwarzen Hausangestellten. Die getrennte Entwicklung unterband systematisch alle anderen sozialen Kontakte durch eine Fülle von Gesetzen und Verordnungen.
Im Alltag waren schwarze Menschen zahlreichen Demütigungen ausgesetzt. Auf Beleidigungen und Provokationen konnten sie nicht reagieren, weil sie sich damit ins Unrecht gesetzt hätten. Um Probleme zu vermeiden, musste ein schwarzer Südafrikaner einem weissen gegenüber unterwürfig auftreten, auch wenn dieser jünger, ungebildeter und von niedrigerem sozialem Status war. Schwarze Hausangestellte wurden «girl» bzw. «boy» genannt, während die Arbeitgeber mit «Madam» bzw. «Master» angesprochen werden mussten. Beim Kreuzen auf dem Gehsteig war es klar, dass der Schwarze auf die Strasse ausweichen musste. Bei der schwarzen Bevölkerung lösten solche Praktiken verschiedene tiefgreifende Reaktionen aus: Wut und Misstrauen gegenüber Weissen auf der einen Seite, Selbstherabsetzung und Resignation/Passivität auf der anderen.
Rassistische Einstellungen und Praktiken sind im heutigen Südafrika noch keineswegs Vergangenheit – wie sollten sie auch nach einer historisch so kurzen Zeit. Sie zeigen sich in der Behandlung von Hausangestellten, wie das Zitat von Hester Stephens von der Hausangestellten-Gewerkschaft belegt. FarmarbeiterInnen berichten, dass Körperstrafen auf den Farmen immer noch gang und gäbe sind und dass sich die Betroffenen nicht getrauen, deswegen Anzeige zu erstatten. Womöglich sind die xenophoben Übergriffe der letzten Jahre auf Migranten auch ein Erbe der rassistischen Tradition, in der alles «Andere» systematisch ausgegrenzt bzw. vernichtet wurde.
*Hester Stephens, Hausangestellte und Präsidentin der südafrikanischen Hausangestellten- Gewerkschaft SADSAWU (Aussage in Videoaufnahme 2010)
KEESA – Informationen Frühjahr 2010. Mit diesem Informationsblatt weist die KEESA (Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika) auf einige ungelöste Probleme aus der Apartheid-Zeit hin, die Südafrikas Zukunft gefährden. Darüber hinaus wirft sie die grundsätzliche Frage nach der Entschädigung für die Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen und der Verantwortung von Konzernen und Banken auch aus der Schweiz auf. Auf fairunterwegs.org geben wir in lockerer Folge die einzelnen Beiträge mit freundlicher Genehmigung wieder. Sie können auch die gesamte eInfozeitung der KEESA downloaden.