"An sich hätte stets die Möglichkeit bestanden, … eine Basis für eine Haltung zu schaffen, die dem menschenrechtlichen Aspekt und dem Gebot internationaler Solidarität stärker entsprochen hätte."*
So die Schlussfolgerung von Georg Kreis, dem Leiter des 2001 eingesetzten Nationalen Forschungsprogramms zur Untersuchung der Beziehungen der Schweiz zu Apartheid-Südafrika. Schweizerische ParlamentarierInnen und südafrikanische Menschenrechtsorganisationen fordern den Bundesrat seither vergeblich auf, zu den schockierenden Resultaten der Forschungsberichte Stellung zu beziehen. Danach zeichnete sich die schweizerische Aussen- und Wirtschaftspolitik gegenüber dem Apartheid-Regime durch Verständnis, Kollaboration und heimliche Unterstützung aus, und die Zusammenarbeit war noch systematischer und intensiver als bislang bekannt. Diese bis heute unerledigte Geschichte ist das «Unfinished Business of Apartheid» der Schweiz. Blicken wir zurück:

Der 21. März wird in Südafrika als Tag der Menschenrechte begangen, zu Ehren der 69 Toten des Massakers von Sharpeville von 1960. Dieses Jahr sind es 50 Jahre seit dem Ereignis, das eine entscheidende Wende im Widerstand gegen die Apartheid bedeutete. «Sharpeville» stürzte Südafrika in eine Krise: Die Börse brach zusammen, internationale Proteste bedrängten das Apartheid-Regime, und erste Boykottmassnahmen wurden verhängt. Tausende wurden verhaftet, und das Regime erklärte die Befreiungsbewegungen für illegal. In der Folge von Sharpeville wurde auch Nelson Mandela verhaftet, der erst 1990 nach 27 Jahren Haft freigelassen wurde.

Für Schweizer Unternehmen bot Sharpeville die Chance, die von boykottierenden Ländern aufgegebenen Geschäfte zu übernehmen. Der Goldpool wurde von London nach Zürich verlegt, und fortan wurden bis zu 80% des südafrikanischen Goldes über die Schweiz umgesetzt. Trotz eines Waffenembargos der UNO gab der Bundesrat 1963 die Lieferung von Geschützen der Firma Oerlikon Bührle an die südafrikanische Armee frei. Unbeabsichtigt gelangte der geheim abgewickelte Deal an die Öffentlichkeit und löste einen internationalen Skandal aus. Trotzdem wurde das Geschäft nicht rückgängig gemacht.

Die Schweiz verstand sich lange Zeit als Verbündete Südafrikas – zwischen der Apartheid-Elite und führenden Exponenten der schweizerischen Wirtschaft, Politik, Armee und Nachrichtendiensten bestanden enge freundschaftliche Beziehungen und gewinnbringende Geschäftsbeziehungen. In den internationalen Gremien zögerte die Schweiz lange das rassistische System Südafrikas zu verurteilen, das von der UNO 1977 als verbrecherisch erklärt worden war. Auch den von vielen Staaten ergriffenen Boykottmassnahmen schloss sich die Schweiz bis zuletzt nicht an.

Besonders die Grossbanken Bankgesellschaft SBG und Bankverein SBV (heute UBS) sowie die Kreditanstalt (heute Crédit Suisse) waren im Südafrikageschäft engagiert. Sie gewährten dem Land Kredite und Gutsprachen, die für Südafrika überlebenswichtig aren. 1986 stand Südafrika kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Fritz Leutwiler, ehemaliger Präsident der schweizerischen Nationalbank, sprang ein: Die von ihm geführten Umschuldungsverhandlungen retteten das Apartheid-Regime vor dem Bankrott.

Die innerschweizerische Auseinandersetzung um die Apartheid wurde erbittert geführt. Die in der Bevölkerung gut verankerte Anti-Apartheid-Bewegung verlangte, dass die schweizerische Aussenpolitik sich an den Menschenrechten und nicht ausschliesslich an den Interessen der Wirtschaft orientieren sollte. Anders als in anderen Ländern konnten sich diese Stimmen im Parlament gegen die mächtige Wirtschafts- und Bankenlobby jedoch nicht durchsetzen. Die bürgerlichen Parteien betrachteten Südafrika als ein mit dem Westen verbündetes weisses Land, das man gegen die schwarze Bevölkerungsmehrheit verteidigen musste.
*Kreis, Georg, 2005: Die Schweiz und Südafrika 948 – 1994. Schlussbericht des im Aftrag des Bundesrates durchgeführten NFP 42+. Bern/Stuttgart/Wien, S. 491
KEESA – Informationen Frühjahr 2010. Mit diesem Informationsblatt weist die KEESA (Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika) auf einige ungelöste Probleme aus der Apartheid-Zeit hin, die Südafrikas Zukunft gefährden. Darüber hinaus wirft sie die grundsätzliche Frage nach der Entschädigung für die Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen und der Verantwortung von Konzernen und Banken auch aus der Schweiz auf. Auf fairunterwegs.org haben wir in lockerer Folge die einzelnen Beiträge mit freundlicher Genehmigung wiedergegeben. Dies ist der letzte Beitrag. Sie können die gesamte eInfozeitung der KEESA downloaden.