In einem Aufsehen erregenden Entscheid hat ein New Yorker Gericht am 8. April die vor über sechs Jahren eingereichten Apartheidklagen zugelassen. Jetzt können Apartheidopfer die international tätigen Konzerne IBM, Daimler, Ford, General Motors und Rheinmetall wegen Beihilfe zu gewaltsamer Unterdrückung und zwangsmässiger Rassensegregation vor Gericht ziehen und auf Entschädigung verklagen. Rheinmetall ist aufgrund der Übernahme der Waffenschmiede Oerlikon Contraves für die Schweiz von Bedeutung. Wegen ungenügend nachgewiesenem Kausalzusammenhang hat Richterin Shira Scheindlin die Klage gegen den Finanzsektor abgewiesen.

Was bedeutet dieses Urteil auf der prozessualen Ebene? Die Apartheidopfer können die Öffnung der Firmenarchive verlangen und Einsicht in wichtige Dokumente erhalten, die damit der Öffentlichkeit zum ersten Mal zugänglich werden. Mit der definitiven Zulassung (gegen den Entscheid kann nicht mehr rekurriert werden) beginnt die materielle Phase der Apartheidklagen, in welcher die klagende Partei Beweismaterial betreffend das Verhalten der Beklagten vorlegen wird.
Was bedeutet das Urteil auf der prinzipiellen Ebene für die Weiterschreibung des internationalen Rechts? Es legt fest, dass Konzerne in gleicher Weise wie natürliche Personen für Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden können. In dem 144-seitigen Urteil wird bestätigt, dass multinationale Konzerne bei der Durchführung von schweren Menschenrechtsverletzungen in Apartheid-Südafrika Beihilfe geleistet haben und dafür ein gewisses Mass an Verantwortung übernehmen müssen. Die Beihilfe geschah mit dem Wissen, dass dies zur Verletzung der Menschenrechte von mehrheitlich schwarzen SüdafrikanerInnen führen würde. Die Konzerne stellten sich vorsätzlich blind gegenüber diesen Verletzungen des internationalen Rechts, die damals allgemein zugängliches Wissen darstellten. Andererseits hält das Urteil aber auch fest, dass Konzerne nur für bestimmte Handlungen haftbar gemacht werden können, nicht für den gesamten durch die Apartheid verursachten Schaden. Die einklagbaren Handlungen müssen zudem klar bestimmbar sein und Beihilfe zu schwerwiegenden Verbrechen darstellen.

Fahrzeuge und Software für Polizei
Diese Voraussetzungen sind bei den beklagten Firmen erfüllt. Den Autoherstellern wird vorgeworfen, dass sie Polizei und Sicherheitskräfte mit Spezialfahrzeugen ausrüsteten und damit Beihilfe zu Folter, aussergerichtlichen Tötungen und zum Verbrechen der Apartheid leisteten. IBM stellte der Polizei Software zur Verfügung, welche zur Erfassung und Ausbürgerung der schwarzen Bevölkerung und damit zur Durchsetzung der Apartheidpolitik diente. Dem Konzern Rheinmetall wird vorgeworfen, über seine Tochtergesellschaft, die Schweizer Waffenherstellerin Rheinmetall Air Defence (früher Oerlikon Contraves beziehungsweise Oerlikon-Bührle), Beihilfe zu aussergerichtlichen Tötungen und zur Apartheid geleistet zu haben.
Die Richterin setzte sich mit diesem Urteil über die Stellungnahmen der Regierungen der USA, Südafrikas, Deutschlands, Englands und auch der Schweiz hinweg, welche die Ablehnung der Klagen gefordert hatten. Die Mbeki-Administration sah die Souveränität Südafrikas gefährdet und befürchtete ein verschlechtertes Investitionsklima, während die USA schädliche Auswirkungen auf ihre Aussenpolitik, insbesondere auf ihre Beziehungen zu Südafrika, geltend machten. Mit der Nichtbeachtung dieser Eingaben wertet das Urteil das Recht der Opfer auf Wiedergutmachung höher als die aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Interessen der involvierten Länder. Auch damit setzt das Urteil einen wichtigen Massstab.

UBS und CS nicht mehr dabei
Die schweizerische Kampagne KEESA bedauert, dass die Banken, und damit auch UBS und Credit Swiss, nicht mehr Gegenstand der Klagen sind. Verschiedene Studien haben belegt, dass gerade die UBS eng mit dem Apartheidregime zusammen arbeitete und mit ihren Krediten, Umschuldungsverhandlungen und mit dem Goldpool wesentlich zur Stützung und sogar zur Verlängerung des südafrikanischen Unrechtsregimes beitrug. Die Entlassung des Finanzsektors aus der Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen ist ein Wermutstropfen und zeigt, dass die Rechtsprechung in diesem Punkt noch schwach ist.
Einen Meilenstein in der Weiterentwicklung des internationalen Rechts in Sachen Bürger- und Menschenrechte nannte Michael Hausfeld, der Rechtsanwalt der Opfer, den Entscheid. Für Marjorie Jobson von Khulumani, der Gruppe Überlebender und Angehöriger von Opfern des Apartheidregimes, bedeutet der Entscheid neue Hoffnung und Aussicht auf materielle Besserstellung für die oft in grosser Armut lebenden Apartheidopfer.

Barbara Müller ist Koordinatorin der Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika KEESA. Dieser Artikel erschien in "Finanzplatz Informationen" 2/2009. Mit freundlicher Genehmigung. Weitere Informationen unter: www.aktionfinanzplatz.ch