Die Hitze ist drückend, die Sonne brennt auf die Köpfe der Männer und Frauen, die im Kreis sitzen. Auch der Wind, der die rote Erde durch die Luft wirbelt und das Atmen schwierig macht, bringt keine Erleichterung. Wer kann, sucht Schutz im Schatten eines Baumes. So auch Amadou Gueye. Der HEKS-Koordinator in Senegal sitzt zusammen mit einer Gruppe von Bäuerinnen und Bauern im Dorf Soune und bespricht mit ihnen die Fortschritte, die sie in den letzten Wochen und Monaten auf ihren Feldern gemacht haben. Es ist eine sogenannte Bauernschule.
HEKS und die lokale Partnerorganisation Enda Pronat begleiten einen regelmässigen Austausch zwischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus 21 Dörfern des Distrikts Keur Moussa im Westen von Senegal. "Wir müssen die Fähigkeiten der Produzenten stärken, was die Anbautechnik und den Vertrieb angeht", sagt Gueye. "Dank all diesen Ausbildungen im Obstbau haben sie nun viel bessere Erträge, grössere Ernten und folglich mehr Geld." Auf Initiative der Bauern haben HEKS und Enda Pronat Schulungen in biologischer Landwirtschaft begonnen. Weil grosse Teile des Landes überdüngt und durch Pestizide beinahe zerstört waren, mussten neue Wege und nachhaltigere Methoden gefunden werden.
Prekäre Besitzverhältnisse
Eine wichtige Lebensgrundlage für kleinbäuerliche Gemeinschaften ist der gesicherte Zugang zu Land. Wie in vielen Ländern besteht in Senegal eine Diskrepanz zwischen den gewohnheitsrechtlichen Besitzverhältnissen, die sich nach informellen Traditionen richten, über die das Land von Generation von Generation weitergegeben wird, und den formalen Rechtstiteln, über welche die wenigsten Kleinbauern tatsächlich verfügen. Amadou Gueye erklärt: "Von fünfzehn Personen konnte mir nur eine ihren Landtitel zeigen. Das ist ein echtes Problem, und die Bauern müssen dafür kämpfen, ihre Papiere zu erhalten." Die meisten Menschen bewirtschaften mit ihren Familien seit Generationen Land, für das sie aber keine Papiere haben. So sind sie stets bedroht, von ihrem Land vertrieben zu werden, wenn Anspruch darauf erhoben wird.
Momentan wird die Situation in der Region durch den Bau eines neuen Flughafens verschärft. Bäuerinnen und Bauern im Dorf Soune sind von Enteignung und Umsiedlung bedroht. Das Schicksal vieler Menschen ist noch nicht geklärt. HEKS und Enda Pronat informieren und sensibilisieren die dörflichen Gemeinschaften und unterstützen sie dabei, bei den Behörden ihre Rechte einzufordern, in Entscheide einbezogen zu werden und offizielle Landtitel zu erhalten. Diese Schritte sind entscheidend für einen gesicherten Zugang der Bäuerinnen und Bauern zu ihrem Land.
Den Boden wieder fruchtbar machen
Ein weiteres Problem ist die fortschreitende Erosion des Bodens. Die Region ist extrem trocken, was durch den Klimawandel noch verstärkt wird. Nur während etwa drei Monaten fällt Regen, dann allerdings äusserst stark. Das Dorf Soune war regelmässig bedroht. "Früher lief in der Regenzeit alles Wasser ins Dorf", erklärt Salimata Coly, die Projektverantwortliche bei der HEKS-Partnerorganisation Enda Pronat. "Das Dorf liegt in einer Senke. Das Wasser bedrohte die Häuser und nahm manchmal sogar ein Kind mit, das man flussabwärts suchen gehen musste. Das ist der Aspekt des Schutzes." Aber es geht auch um die Wiedergewinnung von Land. "Das Problem war auch, dass der Boden unfruchtbar wurde", fährt Coly fort. "Denn wenn es regnet und keine Pflanzen die Erde zusammenhalten, nimmt das Regenwasser beim Abfliessen die oberste, fruchtbare Schicht mit. Die obersten zehn Zentimeter Erde sind viel fruchtbarer als der Boden darunter und somit sehr wichtig für die Landwirtschaft. Aber dank diesen Arbeiten bildet sich wieder fruchtbarer Boden, und die Vegetation kommt zurück."
Das Dorf Soune kämpft gemeinsam gegen die Bedrohung durch die Bodenerosion. Jede Woche arbeiten die Bäuerinnen und Bauern gemeinsam rund ums Dorf, bauen Schutzmauern, pflanzen Hecken oder graben Wassersammelbecken oder Abflusskanäle. Der Erfolg ist eindrücklich. So sagt Mor Pouye, einer der Bauern aus Soune: "Wenn es regnet, kam das Wasser manchmal in die Häuser. Seit wir diese Arbeiten machen, passiert das nicht mehr. Wir bestimmen, wohin das Wasser fliessen soll, und schichten Steinmäuerchen auf, die das Wasser bei Regenfällen bremsen, damit es versickern kann und nicht die Erde wegschwemmt. Das Land ist jetzt stabil. Deshalb besitzen wir all diese Mangobäume. Dank dem Erosionsschutz konnten wir sie bewahren."
Verbesserte Anbaumethoden bringen höhere Erträge
Mor Pouye hilft nicht nur mit bei den Anti-Erosionsmassnahmen auf Gemeindeland. Er wendet auch auf seiner eigenen Parzelle alles an, was er in der Bauernschule und auf dem Gemeindeland lernt. "Die anderen halten mich wegen meiner Anbaumethoden für verrückt", erklärt Pouye mit einem Lachen. "Wenn sie mich auf dem Feld sehen, sagen sie, ich werde mich noch umbringen, denn das sei alles sinnlos. Aber sie täuschen sich, denn du siehst hier kein Feld wie meines." Pouye hat Mango- und Zitronenbäume gepflanzt. Während der Regenzeit kommen Auberginen hinzu. Für den Eigengebrauch verfügen er, seine Frau Rokhaya und die vier Kinder zudem über Hibiskus, Minze sowie die Früchte des Baobab-Baumes und der Doum-Palme.
Alle diese Pflanzen gedeihen nur dank erfolgreichen Antierosionsmassnahmen und den gelernten Anbautechniken. Die Pflanzen werden mit natürlichen Methoden geschützt. So streut Mor Pouye beispielsweise Asche, um Termiten fernzuhalten, oder hängt Fallen mit pflanzlichen Lockstoffen an den Fruchtbäumen auf, um Schädlinge zu fangen. Gleichzeitig haben er und die anderen Kleinbauern aus Soune gelernt, wie sie trotz extremer Trockenheit mit einfachen, aber effizienten Methoden Setzlinge und Fruchtbäume bewässern können. Pouye nimmt eine Pet-Flasche, schlitzt deren Boden auf, um Wasser hineinzugiessen und sticht ein Loch in den Deckel, durch welchen die Tröpfchenbewässerung erfolgen wird. Dann steckt er die Flasche mit dem Deckel nach unten in den Boden. "Früher haben wir Wasser auf die Pflanzen gegossen. Das ist aber immer schnell verdunstet. Mit der Flasche bleibt das Wasser erhalten, und die Pflanze erhält so viel, wie sie braucht", erklärt er.
Zentrales Ziel des HEKS-Projekts ist es, dass die ländliche Bevölkerung ihre Rechte, insbesondere in Bezug auf ihr Land, selbst wahrnehmen kann. Das Land soll gegen die drohende Erosion geschützt und wieder fruchtbar gemacht werden. Die Bewirtschaftung soll dazu führen, dass die Menschen von den Erträgen selbstbestimmt leben können. Dazu muss auch die Vermarktung der Produkte gefördert werden. HEKS arbeitet seit den 1980er Jahren mit Enda Pronat zusammen. Im Distrikt Keur Moussa werden die dörflichen Gemeinschaften seit 2007 in ihrem Kampf gegen die Bodenerosion unterstützt. Seit 2009 werden zudem Anbautechniken vermittelt und neue Vermarktungsmöglichkeiten gesucht. Heute profitieren etwa 34’000 Menschen in 21 Dörfern vom HEKS-Projekt. Für Mariam Sow, Leiterin der HEKS-Partnerorganisation Enda Pronat, ist ein solches Projekt nur möglich, wenn es gemeinsame Werte und eine gemeinsame Vision von HEKS, Enda Pronat und den lokalen Bauernorganisationen gibt. "Die grösste Gefahr für die Menschen ist, wenn sie ihre eigenen Werte aufgeben", sagt sie. Deshalb war es entscheidend, dass die Bevölkerung selbst ihre Probleme analysiert hat und zu den gleichen Schlüssen gekommen ist wie HEKS und Enda Pronat. Dadurch war die Basis geschaffen, dass Entwicklung möglich wird.
Starthilfen schaffen neue Perspektiven
Das Projekt entwickelt sich auf Initiative der lokalen Bevölkerung laufend weiter. Vor zwei Jahren haben sich mehr als 130 Frauen aus sieben Dörfern, welche auf dem Gemeindeland an den Antierosionsmassnahmen arbeiten, zu einer Spar- und Kreditgruppe zusammengeschlossen. Die Idee war, dass sie kleine Geldbeträge in einen Sammelfonds einzahlen. Daraus werden dann Starthilfen in Form eines Kleinkredits vergeben. Bereits 75 Frauen haben eine Starthilfe erhalten. Sie müssen lediglich einen Zins von 2,5 Prozent bezahlen, während bei kommerziellen Krediten 11 Prozent an der Tagesordnung sind. So profitieren die Frauen einerseits von der Verzinsung ihres gesparten Geldes und können gleichzeitig zu günstigen Konditionen Kredite für eigene Geschäftsideen beziehen. HEKS und Enda Pronat unterstützen die Frauen in administrativen Fragen und der Buchhaltung. So werden in jedem Dorf Frauen ausgebildet, welche dann die Spar- und Kreditgruppe betreuen.
Das Angebot wird rege genutzt. So hat Rokhaya Faye, die Ehefrau von Mor Pouye, Palmblätter gekauft, die sie zu Schwämmen verarbeitet, sowie Kaffee, den sie in kleinen Portionen weiterverkauft. Dies ermöglicht ihr ein kleines Zusatzeinkommen. "Seit ich meinen Geschäften nachgehe, merke ich, dass es gut für mich ist", sagt sie. "Wenn es das nicht gäbe, müsste man sich Geld leihen von jemand anderem. Wenn dein Mann kein Geld hat, kannst du deinen Kindern nichts geben. Auch nicht, wenn sie dich bitten, ihnen Kleider zu kaufen."
Rokhaya Faye bringt ihre selbstgefertigten Produkte, aber auch Früchte und Gemüse auf den Markt zum Verkauf. Kleinere Mengen verkauft sie in der nächstgrösseren Stadt. Grössere Mengen bringt sie gemeinsam mit den anderen Bäuerinnen und Bauern aus Soune nach Dakar.
Die Gemeinschaft als Schlüssel zum Erfolg
Das Projekt spricht die Menschen offensichtlich erfolgreich an. Nicht nur in Soune, sondern auch in anderen Dörfern möchten sich immer mehr Bäuerinnen und Bauern beteiligen. Wichtig für HEKS und Enda Pronat ist dabei, dass die Initiative jeweils aus der dörflichen Gemeinschaft kommt. Überhaupt zeigt sich, dass die Gemeinschaft der Schlüssel gegen die Armut ist. "Hier in Senegal spricht man nicht gerne über Armut", sagt Mariam Sow. "Viele Leute weigern sich zu sagen, sie seien arm. Sie sagen, dass derjenige arm ist, der niemanden mehr um sich hat." In Senegal leben mehr als 50 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. "Was die Leute interessiert, ist ihr täglicher Lebensunterhalt, ihr Frühstück, ihr Mittagessen, ihr Abendessen", ergänzt Amadou Gueye. "Wenn sie mit dem Verkauf ihrer Produkte Geld verdienen, denken sie als Erstes daran, wie sie sich ernähren können." Das tägliche Überleben steht im Zentrum des Alltags, auch im Dorf Soune. Entscheidend für die Zukunft ist, dass die Gemeinschaft Perspektiven sieht und in die Lage versetzt wird, die Entwicklung selbst zu tragen. "Wir sind auf halbem Weg", sagt Salimata Coly. "Es wurde viel erreicht. Die Gemeinschaft hat viel gelernt über den Kampf gegen die Bodenerosion und über landwirtschaftliche Fragen. Sie ist auch besser organisiert. Aber es gibt noch viel zu tun."
"Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind der Motor einer nachhaltigen Entwicklung", ist Mariam Sow überzeugt. Aber Entwicklung geschieht nur, wenn die Menschen vom Sinn der Aktivitäten überzeugt sind. Oder wie Mor Pouye es ausdrückt: "Ich bin hingegangen und habe mir die Arbeiten angeschaut. Ich habe gesehen, dass es gute Arbeiten fürs Dorf sind. Deshalb bin ich stolz, sie zu tun." Und er ist nicht mehr allein.
Dieser Beitrag wurde "Handeln", dem Magazin des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz HEKS, Nr. 318 vom November 2012 entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.