Armand Mattelart: Kultur und Globalisierung. Marktmacht gegen Vielfalt
Wo Kultur zur frei gehandelten Dienstleistung auf dem „global democratic marketplace“ wird, geht die Vielfalt verloren und gleichzeitig die Kultur als „öffentliches Gemeingut“, ohne das Demokratie nicht möglich wäre. Der französisch-belgische Medienexperte Armand Mattelart weiss, dass er sich mit dieser im Essay „Kultur und Globalisierung“ vertretenen These in die Küche des Teufels begibt, der bekanntlich im Detail liegt. Denn was ist Kultur? Ist es alles vom Mensch Geschaffene oder lediglich das künstlerische Schaffen? Und kann man letzteres tatsächlich als „öffentliches Gemeingut“ bezeichnen oder geht es da nicht um doch eher elitäre Welten? Wurde der „Universalitätsanspruch der von der Aufklärung verkündeten Werte“ von dem im Zeichen des Freihandels stehenden Projekt der „universellen Warenrepublik“ in Frage gestellt, wie Mattelart schreibt, oder ist die weltweite Gültigkeit dieser Werte bloss eine vom Westen behauptete These? Und wie steht die globale Kultur des Volkes zur Massenkultur? In weiser Voraussicht kommunikativer Unwägbarkeiten leitet Mattelart sein Essay mit dem Zitat von Michel Cereau ein: „Jede Erörterung kultureller Probleme bewegt sich auf dem Boden unbeständiger Worte, sie begrifflich definierend zu fassen ist unmöglich: Ihre Bedeutung hängt on ihrer Funktionsweise innerhalb disparater Ideologien und Systeme ab.“
Am Beispiel der Filmindustrie illustriert Mattelart, wie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Globalisierung der (meist staatliche) Diskurs über die kulturelle Vielfalt als Grundlage der Demokratie an Bedeutung gewonnen hat. So versuchen verschiedene Staaten in internationalen Gremien durch Ausnahmeklauseln ihr Volk davor zu schützen, dass nur noch der Marktstärkste den „Way of life“ und die „Mainstream“-Kultur definieren und damit die kulturelle Vielfalt verdrängen kann. Dabei erwähnt er im Sinne einer Relativierung auch die ideologischen Fallstricke einer staatlich geförderten Filmindustrie, sowie die „independent Productions“, bei denen der künstlerische Anspruch wichtiger ist als der Gewinn. Kultur als durch die marktwirtschaftliche Globalisierung gefährdetes Volkseigentum ist für Mattelart nur ein Beispiel, welches uns zum Nachdenken darüber animieren soll, „welche Gesellschaft wir wollen und welchen Status die Weltgemeingüter darin haben sollen – wozu nicht nur Kultur, Information und Bildung zählen, sondern zum Beispiel auch Gesundheit, Umwelt, Wasser und Funkfrequenzen.“ Güter, die nach Mattelarts Vorstellung für alle Menschen gleichermassen zugänglich bleiben müssen.
Das lesenswerte Essay „Kultur und Globalisierung“ animiert mit starken Positionen und vielen Beispielen zum Nachdenken über Kultur, Demokratie und Globalisierung.
Rotpunktverlag, Zürich 2006, 161 Seiten, Sfr. 32.-, ISBN 13: 978-3-85869-328-0