Im Vorfeld des Ökotourismus-Weltgipfels, der im Mai 2002 in Quebec (Kanada) stattfinden wird, sorgt kaum eine Frage für mehr Kontroversen als jene, ob die vom Tourismus Betroffenen im Vorbereitungsprozess des internationalen UN-Jahres des Ökotourismus 2002 (IYE) gebührend mitreden und ihre Anliegen zur Geltung bringen konnten. Bereits vor einem Jahr hatte eine internationale Koalition von Nicht-Regierungsorganisationen die Welttourismusorganisation (WTO) und das UN-Umweltprogramm (UNEP) aufgefordert, den „Multi-Stakeholder-Dialogue“ – die Partizipation aller betroffenen Parteien –, zu dem sich die Vereinten Nationen im Rio-Folgeprozess verpflichtet haben, bei ihren Vorbereitungsarbeiten ernster zu nehmen (vgl. akte-Kuna 2/2001).
Die UNEP beauftragte die „International Ecotourism Society“ (TIES), regionale Treffen zu organisieren, die eine aktive Beteiligung der lokalen Akteure und Betroffenen im Vorbereitungsprozess ermöglichen sollte. Dass damit die Frage der Partizipation bei weitem nicht gelöst ist, machte jüngst die südostasiatische Vorbereitungskonferenz vom 3. bis 7. März in Chiang Mai (Thailand) deutlich. Während die einen die Konferenz zum „Community Based Ecotourism“ als fruchtbares Forum des Austausches erlebten, fühlten sich andere nicht als gleichberechtigte PartnerInnen respektiert. So präsentierte ein Ausschuss von indigenen und lokalen Gemeinschaften, der sich während der Konferenz spontan formiert hatte, am letzten Tag eine Erklärung, in welcher der Vorbereitungsprozess als undemokratisch kritisiert wird. Die Erklärung löste in der IYE-Newsgroup im Internet einen regelrechten Sturm der Entrüstung, Anschuldigungen und Rechtfertigungen aus, der nur zu deutlich zeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sowie die Vorstellung darüber sind, wie ein wahrhaftiger „Multi-Stakeholder-Dialogue“ auszusehen hat.
Die Kritik des Ausschusses entfachte sich an der international normierten Themenliste der IYE-Vorbereitungskonferenzen, die den Betroffenen kaum Raum gelassen habe, ihre Situation und Erfahrungen mit dem „Ökotourismus“ in die Diskussion einzubringen. Die einseitige Ausrichtung auf Rentabilitätsfragen des Tourismus habe dem Ausschuss das Gefühl vermittelt, dass die gastgebenden Menschen vor Ort bloss als eine weitere Ware auf dem Tourismusmarkt betrachtet würden. Eine inhaltliche Position gegenüber dem „Ökotourismus“ präsentierte der Ausschuss nicht. Die Philippinin Jenny Nanglihan, welche die Erklärung in Chiang Mai verlas, erklärte dies damit, dass die Lokalbevölkerungen und Indigenen an der Konferenz nur marginal vertreten und somit nicht legitimiert gewesen seien, im Namen einer derart heterogenen Gruppe zu sprechen. Die Kritik des Ausschusses, wonach indigene und lokale Gemeinschaften aufgrund ihrer Armut vom „Konsultationsprozess“ mehrheitlich ausgeschlossen seien, wurde auch von Heike Löschmann – Vertreterin der Heinrich Böll Stiftung, Sponsorin der Konferenz – in ihrer Rede in Chiang Mai aufgegriffen. „Worin liegt der höhere Sinn, ‚Ökotourismus’ zu fördern, indem man das Jahr 2002 zum Jahr des Ökotourismus erklärt“, fragt Löschmann, „wenn nicht in der breit angelegten Konsultation von lokalen RechtsinhaberInnen?! Es kann kaum den lokalen OrganisatorInnen und ihrem Fundraising-Erfolg überlassen werden, ob eine derart wichtige Voraussetzung für die Legitimität des ganzen Prozesses erfüllt wird oder nicht.“ Das strukturelle Problem, das Löschmann hier ortet, führt sie zur Frage, ob es nicht die Aufgabe der UNEP und WTO sei, für ausreichende Mittel zu sorgen, um eine angemessene Partizipation jener zu sichern, die sich die Reise- und Konferenzkosten nicht leisten könnten. Zumal die Ergebnisse des „Konsultationsprozesses“ in die Schlusserklärung des Ökotourismus-Weltgipfels einfliessen sollen. Anita Pleumarom von der thailändischen Organisation „Tourism Investigation & Monitoring Team (tim-team) bezweifelt, dass der südostasiatische Regionalbericht die Situation auf der lokalen Ebene repräsentativ wiedergeben wird und pocht darauf, dass die Erklärung des Ausschusses wörtlich in den Bericht aufgenommen wird. Die Erfahrungen mit dem versprochenen „Multi-Stakeholder-Dialogue“ im Rahmen des Ökotourismus-Jahres (IYE) haben Pleumarom ernüchtert: Zehn Jahre nach dem Rio-Gipfel müsse sich die Zivilgesellschaft gründlich überlegen, welches der effektivste Weg sei, um internationale Prozesse mitzugestalten. Etwas Positives kann sie dem IYE dennoch abgewinnen: Erstmals habe sich eine internationale Gegenbewegung ausserhalb des offiziellen Prozesses formiert, die in Sachen Bewusstseinsbildung, Vernetzung und Erfahrungsaustausch viel gebracht habe. /frei

Quellen: Third World Network / tim-team, Clearinghouse for Reviewing Ecotourism, No. 24, 13.3.2002; Diskussionen und Informationen auf der IYE-Newsgroup (http://groups.yahoo.com/group/iye2002); Gespräch mit Anita Pleumarom, 11.4.2002

Weitere Informationen:

–    Erklärung der Konferenz „Indigenous Peoples Interfaith Dialogue on Globalisation and Tourismus“ (mit Stellungnahme zum IYE 2002), Chiang Rai, 14.-18.1.2002: www.tebtebba.org –    Erklärung des Ausschusses der indigenen und loka¬len Gemeinschaften zuhanden des „Regional Conference on Community Based Ecotou¬rism in Southeast Asia“, Chiang Mai, 3.-7.3.2002: www.twnside.org.sg/tourism.htm (Clearinghouse for Reviewing Ecotourism, No. 24)-    Erklärung von Oaxaca zuhanden der Vereinten Nationen, Schlusserklärung des „Inter¬national Forum on Indigenous Tourism“, Mexiko, 18.-20. März 2002: demnächst auf www.rethinkingtourism.org –    IYE-Vorbereitungskonferenz auf dem Internet, „Sustainable Development of Ecotourism Conference“, April 2002: www.planeta.com/2002ecotourism.html