Barbara Mumenthaler sitzt im Restaurant Kreuz in Solothurn und isst zu Mittag. Sie lacht viel und unterstreicht mit facettenreicher Mimik die Anekdoten aus ihrer Zeit auf einem Kreuzfahrtschiff. Vier Wochen lang arbeitete die 39-jährige Hotelière und Lehrerin letzten Herbst als Restaurantleiterin auf hoher See. Für die Hobbyseglerin eine Herausforderung, ein Abenteuer, aber kein Broterwerb, oder, wie sie es ausdrückt: "Ich war extrem privilegiert, denn ich konnte das Experiment jederzeit abbrechen." Das hat sie auch getan: nach einem Monat kündigte sie und ging von Bord. Die Idee mit dem Kreuzfahrtschiff hatte Mumenthalers Mann, sie setzte sie in die Tat um. "So ist das immer, er hat die Furzideen und ich ziehe sie durch." Den Job zu bekommen, das ging "locker vom Hocker", sagt Mumenthaler. Sie bewarb sich online. Am nächsten Tag klingelte ihr Telefon. Sie könne am Montag anfangen. Ganz so rasch ging es dann doch nicht. Zumal Mumenthaler eine Bedingung hatte: Ihr Mann musste mit. Obwohl er keine Ausbildung im Gastrobereich und nur ein wenig Erfahrung als Barkeeper hatte, wurde er sofort eingestellt. "Die nehmen jeden."

"Tut das nicht!"

Bevor sie an Bord konnten, stand eine Sicherheitsausbildung im deutschen Rostock an. Der Kursleiter redete Klartext: "Er hat von Montagmorgen früh bis Freitagabend spät erzählt, was für ein Horror die Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff sei. Am Montag denkst du noch, dass er scherze. Doch irgendwann merkst du: Der meint das ernst." Der Kursleiter habe ihnen immer wieder ans Herz gelegt, es sich noch mal zu überlegen: "Tut das nicht. Wisst ihr, auf was ihr euch einlasst?"  Und dann, in den ersten Stunden an Bord, habe sie mehrmals gedacht: Genau das hat der Ausbilder in Rostock damals doch erzählt.

Kaum Freizeit

Barbara Mumenthaler liebt das Meer. Auch darum wollte sie aufs Schiff. "Es hat mich sehr schockiert, dass es mich nach dem dritten Tag nicht mehr interessiert hat." Gründe dafür gab es viele. Etwa die Arbeitszeiten. "Mir war klar, dass ich 12, 13, 14 Stunden am Tag arbeiten werde. Aber das das nicht am Stück sein würde, dass war mir zu wenig bewusst. 1,5 Stunden Pause zwischen Frühstücksdienst und Mittagessen? Das bringt dir rein gar nichts." Denn bis sie vom Restaurant durch das Schiff zur Raucherecke und zurück zur Kabine gegangen sei, sei ein Grossteil ihrer Pause schon wieder vorbei gewesen. Als sie nach 14 Stunden Arbeit am Stück drei Stunden frei gehabt habe, "musste ich in einen Sicherheitskurs". Diese Pflichtkurse finden immer in der Freizeit statt. "Ich finde sie extrem wichtig. Aber wenn die ganze Belegschaft übernächtigt ist und die Motivation auf dem Nullpunkt, dann bringen sie nichts."
Ein anderes Kapitel war die Arbeitsorganisation. Beispielsweise die "Tea-Time" am Nachmittag. Von einem Tag auf den anderen wurde diese neu neben der Bar veranstaltet. Nur gab es dort kein Geschirr. "also mussten jeden Tag vier Leute auf dem ganzen Schiff 600 Teller, Unterteller, Tassli, Kuchengäbeli, Zuckerdösli, Kaffeerahmdösli usw. zusammensuchen und später alles wieder zurückbringen. Dafür haben wir zig Arbeitsstunden pro Tag verbraten. ich hab gefragt, ob denn eine Arbeitsstunde günstiger sei als Arbeitsmaterial. Die Antwort war Ja."

"Wer Geld hat, regiert"

Eine andere Sache war das Zusammenleben. "Wer Geld hat, regiert", sagt Barbara Mumenthaler. Beispielsweise beim Waschen. Es gab vier Waschmaschinen für das ganze Personal. "Entweder stellte man sich den Wecker, um da zu sein, wenn die Wäsche fertig war. Denn sonst kam der nächste und schmiss dein Zeug auf den Boden. Oder aber man bezahlte jemanden, der die Wäsche für einen aus der Maschine nahm So läuft das mit allem. Es ist wirklich mafiös." Kein Wunder, ist die Fluktuation so gross. "Ich kam im Oktober auf das Schiff, das seit April unterwegs war. Ich war die zwölfte Person in meiner Funktion. Innerhalb von sechs Monaten. Es war Wahnsinn."
Trotzdem: Barbara Mumenthaler möchte die Erfahrungen vom Kreuzfahrtschiff nicht missen. Und sie würde auch niemandem grundsätzlich davon abraten, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten. "Mach es, wenn du genug Geld hast, dass du jederzeit davonlaufen kannst. Aber probier’s, schau’s dir an. Es ist interessant, es ist spannend, es bringt dich weiter. Es ist gut."


Barbara Mumenthaler ist 39 und im solothurnischen Dornach geboren. Mit 20 kam sie nach Solothurn ins Lehrerseminar. Später hat sie die Hotelfachschule gemacht. Bevor sie vom 9. Oktober bis 6. November 2011 auf Kreuzfahrt ging, war Mumenthaler Geschäftsführerin im Genossenschaftsrestaurant Kreuz in Solothurn. Dort wird sie heuer mit ihrem Mann die Sommerbeiz führen.
Mumenthaler verdiente auf dem Schiff 1’858 Euro im Monat, inklusive Kost, Logis und Versicherung. Ihr Mann bekam als ungelernter Barkeeper 800 Euro. Noch einmal so viel machte er mit Trinkgeld. Ausgaben hat das Personal auf dem Schiff so gut wie keine.