16 junge Frauen und Männer aus Galle im Süden Sri Lankas, alles "waschechte" Singhalesinnen und  Singhalesen, reisen in den Norden des Landes, verbringen einige Tage mit tamilischen Gleichaltrigen und wohnen bei deren Familien. Was für uns banal klingt, ist in Sri Lanka ein Ereignis. In dem vom Krieg zerrissenen Land erschweren tief verwurzelte und politisch geschürte Vorurteile, gegenseitiges Misstrauen und mangelnde Gesprächsbereitschaft bei allen Volksgruppen die Aufarbeitung der ethnisch geprägten Konflikte.

Wie Feinde zu Menschen werden

"Unsere Eltern hatten Bedenken, sie fürchteten um unsere Sicherheit", erzählt der 19-jährige Lehrerssohn Amila Kasun Pathina Jaka. Für die Jungen selbst war es zu Beginn vor allem ein Abenteuer: Reisen, die fremde Sprache, eine andere Kultur, darauf waren sie gespannt. Über den Krieg wussten Amila und die anderen nur wenig, aus den Medien oder aus Gesprächen der Erwachsenen. "In der Schule war der Krieg kein Thema", sagt er. "Bei uns galten alle Tamilen im Norden als Terroristen, sie waren uns verhasst."
In Killinochi im von Tamilen besiedelten Norden Sri Lankas erlebten die Gäste eine andere Realität: Ihnen fiel auf, dass es in vielen Haushalten nur Frauen, Kinder und alte Menschen gab, die Männer waren im Krieg getötet worden. Sie lernten Kriegsverletzte kennen, der Bruder in Amilas Gastfamilie wird nie mehr gehen können. "Wir fühlten tiefes Mitleid. Die Kindheitserfahrungen der tamilischen Jungen und Mädchen waren so anders als unsere: Sie haben den Krieg hautnah erlebt. Sie standen immer wieder zwischen den Fronten und fürchteten um ihr Leben. Das hat uns sehr berührt."
Im Rahmen des Helvetas-Projekts "Crossing boundaries" ("Grenzen überschreiten") konnten die jungen Leute ihre Gefühle und unterschiedlichen Lebenserfahrungen reflektieren und austauschen. Trotzdem hätten sie in Killinochi auch viel zusammen gelacht und sich gemeinsam amüsiert, berichtet Amila, bei Ausflügen, kulturellen Anlässen und am Lagerfeuer. "Wir Jungen haben so vieles gemeinsam: Musik, soziale Netzwerke, Schule, Beruf, unsere Zukunftspläne." Zum Programm gehörte auch ein Sprachtraining. "Jetzt kann ich mich schon etwas auf Tamilisch unterhalten. Ich bleibe dran, ich will die Sprache richtig lernen, das nützt mir sicher auch bei der Arbeitssuche."

Konfliktbewältigung lernen

Nebst Friedens- und Versöhnungsarbeit verfolgt das Projekt das Ziel, die Fähigkeiten und Potenziale der jungen Menschen zu fördern. Sie erwerben Grundkenntnisse in Konfliktmanagement und Kommunikation und lernen, eigene Initiativen zu planen und umzusetzen. Zudem haben sie Gelegenheit, gemeinsam Methoden zur Konfliktbewältigung zu üben und ihre Auftrittskompetenz zu erproben. Das stärkt das Selbstvertrauen und verbessert ihre beruflichen Chancen. Amila und seine Kolleginnen und Kollegen geben ihre Erfahrungen in Schulen, in Jugend- und Sportclubs und an Gemeindeveranstaltungen weiter und kämpfen so gegen Vorurteile –  mit einigem Erfolg, wie Amila feststellt: "Anfangs gab es Vorbehalte, auch Widerstand, gegen das Friedensprojekt.Das ist heute anders. Als die jungen Leute aus Killinochi zu uns nach Galle reisten, wurden sie wie eigene Kinder aufgenommen."

Überlebende der Kampfzone

In Killinochi hatten die Tamil Tigers jahrelang ihr Hauptquartier, hier wütete der Bürgerkrieg 26 Jahre und forderte unzählige Opfer. Kaum eine Familie blieb verschont. Im Gemeindezentrum eines kleinen Dorfes in der Umgebung findet ein Workshop zum Thema Konfliktbewältigung statt. Rund 30 Frauen jeden Alters nehmen teil: Bäuerinnen, Händlerinnen, Studentinnen, Angestellte, Hausfrauen und Mütter. Zwei junge Studentinnen haben den Workshop initiiert und vorbereitet. Dazu motiviert wurden sie durch ihre Teilnahme am Austauschprojekt "Crossing boundaries ". Die 25-jährige Kejita Balachandran ist das einzige überlebende Kind in ihrer Familie, ihre Schwester und ihr Bruder sind im Kampf getötet worden, sie selbst wurde von den Tamil Tigers zwangsrekrutiert: "Sie verlangten, dass ich meine gefallene Schwester ersetze. Ich war 16", erzählt sie, lächelnd, und Tränen rinnen über ihre Wangen. Ihr Vater ist gebrochen und krank, die Mutter bringt die Familie mit Schneiderarbeiten durch. Ihre Kollegin Yogawathani Gundabalasingh ist 24 und in einer siebenköpfigen Bauernfamilie aufgewachsen: "Wir wurden fünf Mal von unserem Land vertrieben, zogen von einem Flüchtlingslager zum andern, wurden selbst in den ‹No Fire Zones› bombardiert."
Bei "Crossing boundaries" lernten die beiden, ihre Erlebnisse ansatzweise zu verarbeiten. "Wir konnten auch Methoden einüben, wie Konflikte besser zu bewältigen oder zu vermeiden sind. Das hat uns sehr geholfen, und das wollen wir auch andern Frauen ermöglichen", begründet Kejita ihre Initiative. "Konflikte prägen hier den Alltag – und doch wird kaum offen darüber gesprochen", sagt Yogawathani. Da sind die Wunden des Krieges, die Erinnerung an die stetige Angst ist noch sehr lebendig. Die Menschen sind traumatisiert. In vielen Familien haben politische Differenzen tiefe Risse verursacht. "Manche erleben häusliche Gewalt, auch sie ist zum Teil eine Folge der Traumatisierung. Und da sind auch kleinere, aber zermürbende Konflikte, Diskriminierungen, im alltäglichen Umgang mit Behörden, beim Arzt oder im Spital."

Die Sprache wiederfinden

Es ist beeindruckend, wie professionell die beiden jungen Frauen durch den Workshop führen: Mit Empathie und Fingerspitzengefühl, aber auch mit ansteckender Energie und grossem persönlichen Einsatz gelingt es ihnen, die Frauen zum Reden zu bringen. Der Austausch ist angeregt, in Gruppen wird konzentriert gearbeitet. Und zum Schluss lockert sich die ansonsten ernste Atmosphäre: bei einem Spiel, das aufzeigt, wie durch gegenseitige Achtsamkeit eine Aufgabe gelöst werden kann. Über Trinkhalme zwischen den Lippen geben die Frauen einen Ring von einer zur anderen weiter. Es wird gelacht, so etwas wie Aufbruchsstimmung kommt auf. "Wir haben heute erlebt, wie hilfreich es ist, über Konflikte offen zu sprechen, und wie wir gemeinsam Lösungen finden können", bringt eine ältere Frau auf den Punkt, was viele empfinden. Schüchtern, aber sichtlich stolz nehmen Kejita und Yogawathani den Dank entgegen: Sie konnten ein Zeichen der Hoffnung setzen. Die jungen Menschen aus Killinochi und aus Galle, sie haben allererste kleine, aber überzeugende Schritte in eine friedlichere Zukunft getan.
Bruna Fossati ist selbstständige Kommunikationsfachfrau mit langjähriger journalistischer Erfahrung.  

Konfliktbewältigung lernen

Nebst Friedens- und Versöhnungsarbeit verfolgt das Projekt das Ziel, die Fähigkeiten und Potenziale der jungen Menschen zu fördern. Sie erwerben Grundkenntnisse in Konfliktmanagement und Kommunikation und lernen, eigene Initiativen zu planen und umzusetzen. Zudem haben sie Gelegenheit, gemeinsam Methoden zur Konfliktbewältigung zu üben und ihre Auftrittskompetenz zu erproben. Das stärkt das Selbstvertrauen und verbessert ihre beruflichen Chancen. Amila und seine Kolleginnen und Kollegen geben ihre Erfahrungen in Schulen, in Jugend- und Sportclubs und an Gemeindeveranstaltungen weiter und kämpfen so gegen Vorurteile –  mit einigem Erfolg, wie Amila feststellt: "Anfangs gab es Vorbehalte, auch Widerstand, gegen das Friedensprojekt.Das ist heute anders. Als die jungen Leute aus Killinochi zu uns nach Galle reisten, wurden sie wie eigene Kinder aufgenommen."

Überlebende der Kampfzone

In Killinochi hatten die Tamil Tigers jahrelang ihr Hauptquartier, hier wütete der Bürgerkrieg 26 Jahre und forderte unzählige Opfer. Kaum eine Familie blieb verschont. Im Gemeindezentrum eines kleinen Dorfes in der Umgebung findet ein Workshop zum Thema Konfliktbewältigung statt. Rund 30 Frauen jeden Alters nehmen teil: Bäuerinnen, Händlerinnen, Studentinnen, Angestellte, Hausfrauen und Mütter. Zwei junge Studentinnen haben den Workshop initiiert und vorbereitet. Dazu motiviert wurden sie durch ihre Teilnahme am Austauschprojekt "Crossing boundaries ". Die 25-jährige Kejita Balachandran ist das einzige überlebende Kind in ihrer Familie, ihre Schwester und ihr Bruder sind im Kampf getötet worden, sie selbst wurde von den Tamil Tigers zwangsrekrutiert: "Sie verlangten, dass ich meine gefallene Schwester ersetze. Ich war 16", erzählt sie, lächelnd, und Tränen rinnen über ihre Wangen. Ihr Vater ist gebrochen und krank, die Mutter bringt die Familie mit Schneiderarbeiten durch. Ihre Kollegin Yogawathani Gundabalasingh ist 24 und in einer siebenköpfigen Bauernfamilie aufgewachsen: "Wir wurden fünf Mal von unserem Land vertrieben, zogen von einem Flüchtlingslager zum andern, wurden selbst in den ‹No Fire Zones› bombardiert."
Bei "Crossing boundaries" lernten die beiden, ihre Erlebnisse ansatzweise zu verarbeiten. "Wir konnten auch Methoden einüben, wie Konflikte besser zu bewältigen oder zu vermeiden sind. Das hat uns sehr geholfen, und das wollen wir auch andern Frauen ermöglichen", begründet Kejita ihre Initiative. "Konflikte prägen hier den Alltag – und doch wird kaum offen darüber gesprochen", sagt Yogawathani. Da sind die Wunden des Krieges, die Erinnerung an die stetige Angst ist noch sehr lebendig. Die Menschen sind traumatisiert. In vielen Familien haben politische Differenzen tiefe Risse verursacht. "Manche erleben häusliche Gewalt, auch sie ist zum Teil eine Folge der Traumatisierung. Und da sind auch kleinere, aber zermürbende Konflikte, Diskriminierungen, im alltäglichen Umgang mit Behörden, beim Arzt oder im Spital."

Die Sprache wiederfinden

Es ist beeindruckend, wie professionell die beiden jungen Frauen durch den Workshop führen: Mit Empathie und Fingerspitzengefühl, aber auch mit ansteckender Energie und grossem persönlichen Einsatz gelingt es ihnen, die Frauen zum Reden zu bringen. Der Austausch ist angeregt, in Gruppen wird konzentriert gearbeitet. Und zum Schluss lockert sich die ansonsten ernste Atmosphäre: bei einem Spiel, das aufzeigt, wie durch gegenseitige Achtsamkeit eine Aufgabe gelöst werden kann. Über Trinkhalme zwischen den Lippen geben die Frauen einen Ring von einer zur anderen weiter. Es wird gelacht, so etwas wie Aufbruchsstimmung kommt auf. "Wir haben heute erlebt, wie hilfreich es ist, über Konflikte offen zu sprechen, und wie wir gemeinsam Lösungen finden können", bringt eine ältere Frau auf den Punkt, was viele empfinden. Schüchtern, aber sichtlich stolz nehmen Kejita und Yogawathani den Dank entgegen: Sie konnten ein Zeichen der Hoffnung setzen. Die jungen Menschen aus Killinochi und aus Galle, sie haben allererste kleine, aber überzeugende Schritte in eine friedlichere Zukunft getan.
Bruna Fossati ist selbstständige Kommunikationsfachfrau mit langjähriger journalistischer Erfahrung.