Wer die Bahamas längst als „Hinterhof“ von Florida abgeschrieben hat, wo die Natur höchstens noch die Kulisse für Stars aus Film, Business und Politik liefert, hat sich gründlich getäuscht: Im tropischen Inselreich ist eine heisse Auseinandersetzung um die letzten Naturreserven entbrannt. Vergangenen März zogen die BewohnerInnen von Guana Cay geschlossen zur Demonstration gegen die Regierung, die hinter verschlossenen Türen mit der Investorengruppe „Discovery Land Company“ aus San Francisco ein 400 Millionen US-Dollar schweres Luxustourismus-Projekt ausgehandelt hatte. Ende Mai 2005 eskalierte der seit längerem schwelende Unmut der BewohnerInnen von Bimini zu einer massiven Protestkundgebung gegen das Mega-Projekt „Bimini Bay Resort & Casino“.
Bimini, ein handtuchbreites elf Kilometer langes Inselgrüppchen keine 80 Kilometer von Florida entfernt, ist noch weitgehend unbesiedelt, die 1’600 EinwohnerInnen konzentrieren sich auf die Ortschaft Alicetown. Die Inselgruppe gilt als Heimstätte eines der letzten Mangrovenwälder der Bahamas, wo sich der Fischreichtum der ganzen Region nährt. Ausgerechnet da plant der aus Kuba stammende amerikanische Investor Gerardo Capo ein „Mega-Tourism-Development“ mit 1’000 Appartments, 450 Villas, einem Luxushotel mit Restaurants, Casino, Wellness-Center und selbstverständlich einem 18-Loch Golfplatz sowie einem Yachthafen mit rund 400 Anlegeplätzen. „In bloss 20 Minuten mit dem Privatjet von Florida aus erreichbar“, säuselt die Werbung der „Bimini Bay Resort“-Gruppe für die „luxuriöseste Suburb von Florida“. Was nun gebaut werden soll, ist nur noch die redimensionierte Version der ursprünglichen Pläne von Capo, die 2004 auf Druck der Bevölkerung von der Regierung zurückgestutzt wurden. Die Kleinigkeit von 75 Millionen US-Dollar soll in den Bau dieser Anlagen gesteckt werden, der jetzt sittsam „Phase 1“ genannt wird. Genau das lässt allerdings die BewohnerInnen von Bimini das Schlimmste fürchten, misstrauen sie doch den von ihrer Regierung getroffenen Vereinbarungen zu tiefst. Denn anstelle der versprochenen Umweltverträglichkeitsprüfungen sehen sie derzeit die Bulldozer von Capo unaufhaltsam Kanäle durch die Sumpfgebiete graben, Mangroven abholzen und Feuchtgebiete und Lagunen aufschütten, etwa für den Golfplatz, dessen Abwässer mitsamt allen Düngern und Pestiziden in die letzten reichen Laichgründe des Golfstromes fliessen werden. Und statt der in Aussicht gestellten neuen Arbeitsplätzen sehen sie Mexikaner und Angehörige anderer armer mittelamerikanischer Staaten, die zu Dumpinglöhnen angeheuert werden. Der Unmut wächst in der Bevölkerung und dagegen helfen weder Gerardo Capos öffentliche Bekenntnisse zu Gott und dem Umweltschutz, noch die „PR“-Aktion von Tourismusminister Obie Wilchcombe, zu Weihnachten gemeinsam mit Capo grosszügig Truthähne und Geschenkkarten ans Volk zu verteilen. Diese Bescherung erntete im Gegenteil spöttische Kommentare in der Presse, nun sei endgültig klar, wer mit wem unter einer Decke stecke. Seit Jahren kämpft die Umweltorganisation „Bimini Biological Field Station“ im Rahmen des Bahamian Marine Reserve Programmes für ein Schutzgebiet – genau da wird nun für den 18-Loch-Golfplatz gebaggert und aufgeschüttet. Jahrelang haben sich die BewohnerInnen von Bimini vergeblich gegen das Mega-Projekt gewehrt. Nun erhalten sie Unterstützung von Reiseveranstaltern und Tauchgästen aus Übersee. Mit Petitionen, Briefkampagnen, Boykottdrohungen und Demonstrationen versuchen sie die Entwicklung zu stoppen, die unausweichlich zur Vernichtung ihrer Naturressourcen und bisherigen Einnahmen aus einem viel bescheideneren Tourismus führen würde.
Auftrieb erhalten sie unversehens auch von Protestbewegungen auf anderen Inseln der Bahamas, insbesondere den Protestkundgebungen auf Guana Cay vom März 2005. Das Mega-Projekt von „Discovery Land Company“ enthalte zwar, so kommentiert ein scharfsinniger Mitstreiter der Umweltbewegung „reEarth“, sehr weitreichende Garantien von namhaften Experten aus amerikanischen Hochschulen für die Umweltverträglichkeit und sehe Infrastrukturen für die kulturelle und soziale Entwicklung der Gemeinden vor. Die Investoren hätten gar zugesichert, die infamen Überreste der von Disney lizensierten „Big Red Boat“-Hafenattraktion, die seit dem plötzlichen Rückzug der Betreibergesellschaft „Premium Cruises“ 1993 in Form von Schrott, unentsorgten Surfbrettern, anderem Schwermüll und Wracks vor sich hindümpelte, fachgerecht zu beseitigen. Das wäre ja alles sehr begrüssenswert. Doch trauen würde den Versprechungen, welche die Regierung mit den finanzstarken US-Investoren getroffen hätte, ohnehin niemand. Sicher könne man die harschen öffentlichen Proteste auch damit abtun, dass sie vornehmlich von den reichen Zweitwohnungsbesitzern auf Guana Cay unterstützt worden seien, die ansonsten jeder Weiterentwicklung zustimmten, sofern diese nicht gerade in „ihrem eigenen Hinterhof“ stattfinde. Doch offenbar haben die gut orchestrierten Kundgebungen auf Guana Cay der Regierung der Bahamas erstmals klar und kohärent vorgeführt, dass die Bevölkerung nicht länger bereit ist, ihr Land und die letzten Reste ihres Natur- und Kulturerbes jedem von der Regierung an Land gezogenen Investor preiszugeben, und sei dieser auch noch so finanzstark. Gefordert seien jetzt, so der Tenor in den Medien, klare Strategien zur nationalen Entwicklung, die auch die künftige Tourismusentwicklung festlege, sowie griffige Gesetze zum Schutz der gefährdeten Naturressourcen und die Auszonung von Meeresschutzgebieten in einem integrierten Raumordnungsplan. Guana Cay werde zum Prüfstein für die Zukunft der Bahamas. Geprüft wird allerdings auf den Bahamas, wie die Ereignisse von Bimini zeigen, in der Regel erst, wenn die lokalen Proteste gegen den zerstörerischen Tourismusausbau auch internationale Aufmerksamkeit erhalten. Aktive internationale Unterstützung ist deshalb jetzt vonnöten, um die letzten Paradiese wirksam zu schützen. /plus

Quellen: Informationen und Aktionsvorschläge auf www.saveguanacayreef.com, www.sharktrust.org, www.miami.edu/sharklab/news_protectbimini.html,www.tropicdiver.com/bimini.htm; Adressen der Regierungsverantwortlichen für Protestbriefe auf www.bahamas.gov.bs; Projektinformation und Werbung der Investoren aus www.biminibayresort.com, www.discoverylandco.com; The Nassau Guardian May 25, 2005; Nassau Tribune and Miami Herald, March 10, 2005; The Tribune 30.3.2005, 2.11.2001; BJ March 4th, 2005; The Bahama Journal March 2nd, 2005; The Nassau Guardian Online Guide 16.2.2005, 14.4.2003; The Nassau Tribune, 24.12.2003