Am 6. Mai 2002 hat das burmesische Militärregime die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi nach jahrelangem Hausarrest ohne Auflagen in die Freiheit entlassen. Die Friedensnobelpreisträgerin wertete ihre Freilassung verhalten optimistisch: „Ich sehe uns in fünf Jahren noch immer kämpfen, aber hoffentlich glücklich und in Freiheit.“ Sie rief in Erinnerung, dass noch 1’600 politische Gefangene auf ihre Freilassung warteten, und betonte auch, dass die Aufhebung des Hausarrestes noch kein Anlass sei, die Sanktionen gegen das Militärregime aufzuheben. Die Demokratiebewegung habe ihre Haltung gegenüber Auslandsinvestitionen und Tourismus nicht geändert: „Kommen Sie nicht jetzt! Burma wird noch da sein, wenn die Generäle nicht mehr an der Macht sind.“
Ihre Einschätzung wird durch die Verhandlungen zu Burma auf der jährlichen Arbeitskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom Juni 2002 bestätigt: Angesichts der weit verbreiteten Zwangsarbeit in Burma hat die ILO vor zwei Jahren die härtesten Massnahmen ihrer Geschichte gegen die Militärjunta ergriffen und ihre Mitglieder – Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen – aufgerufen, die Beziehungen zu Burma zu überprüfen und von jeglicher Zusammenarbeit abzusehen, die direkt oder indirekt zu Zwangsarbeit beitragen. Seither haben Delegationen der ILO verschiedentlich Abklärungen im Lande durchgeführt. Bislang konnten sie aber keine wesentliche Verbesserung der Verhältnisse feststellen, beruht doch das Regime weitgehend auf der landesweit unter Terror erbrachten Gratisarbeit der Bevölkerung für militärische Zwecke aber auch zivile Infrastrukturbauten, unter anderem für den Tourismus. Der internationale Sanktionskurs hat jedoch auf politischer Ebene einiges in Bewegung gebracht: Die Generäle nahmen die Verhandlungen mit der Demokratiebewegung wieder auf, Aung San Suu Kyi kann sich wieder frei bewegen und die ILO hat – just auf den 6. Mai 2002 – einen vorerst interimistischen Liaison-Officier in Burmas Hauptstadt Rangoon entsandt, der den politischen Dialog begleiten und als unabhängige Stelle Klagen über Menschenrechtsverletzungen aufnehmen soll. Doch machen die Berichte und Zeugenaussagen auf der Arbeitskonferenz der ILO vom Juni 2002 auch deutlich, dass der Sanktionsdruck auf die burmesischen Militärs aufrechterhalten werden muss, damit sich die Zustände in Burma effektiv ändern. Nicht die Sanktionen, sondern die 40-jährige Misswirtschaft der herrschenden Militärs habe die dramatische Verelendung der Bevölkerung in Burma zu verantworten, hielten zahlreiche Regierungs- und Gewerkschaftsvertreter fest.
Verschiedene Delegierte aus OECD-Ländern unterstrichen dabei auch die Bedeutung der im Jahr 2000 revidierten OECD-Richtlinien für Multinationale Unternehmen, die neu die Verurteilung und aktive Bekämpfung jeglicher Form der Zwangsarbeit enthielten und so im Sinn der ILO-Massnahmen auf in Burma tätige Unternehmen aus dem OECD-Raum zur Anwendung gebracht werden könnten. In Holland und Grossbritannien seien aufgrund der Nichterfüllung der OECD-Richtlinien nun bereits Verfahren gegen Unternehmen eingeleitet worden und weitere würden zur Zeit ins Auge gefasst, insbesondere auch gegen Reiseveranstalter in Holland. /plus

Quellen: International Labour Conference, Provisional Record, 90th Session, Geneva 2002: Special sitting to examine developments concerning the question of the observance by the Government of Myanmar of the Forced Labour Convention, 1930 (N° 29), auf www.ilo.org; The Irrawaddy-Interview with Aung San Suu Kyi, by Tony Broadmoor, 24.5.2002 auf www.irrawaddy.org; Myanmar tourism sees profit from Suu Kyi release, by Dominic Whiting, Reuters 14.5.2002; International Confederation of Free Trade Unions (ICFTU), Statement by ICFTU-APRO/Global Union Federations (GUF) 8.5.2002, Burma Campaign auf www.icftu.org