Aus: «Einwurf Wenn Tourismuspolitik den Charme von Bundesordnern hat»
Das Betriebssystem, wie es auf tourismuswahlen.ch propagiert wird, bedarf eines Updates. Ansonsten werden die aktuellen Risiken und Probleme des Tourismus verpasst. Angesichts des Arbeitskräftemangels und der Überfremdungsängste zieht das Argument: «Wir schaffen Arbeitsplätze» nicht wirklich. Und angesichts der wegbrechenden Akzeptanz des Tourismus in den touristischen Hotspots, der schleichenden Zubetonierung unseres Landes und der wachsenden Wohnungsnot auch in den Randregionen schwächelt das Argument der Rettung der Bergbevölkerung.
Es braucht eine nachhaltige Tourismuspolitik, welche sich den heutigen Problemen stellt und dafür Lösungen sucht. Eine nachhaltige Tourismuspolitik anerkennt, dass
– Der Schutz der Landreserven und der Biodiversität auch Schutz des touristischen Kapitals bedeutet;
– Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeitgemässe Arbeitsbedingungen haben müssen und nicht von immer weiter her importiert werden können;
– die Klimaerhitzung zahlreiche touristische Praktiken und Geschäftsmodelle in Frage stellt und die Sustainable Air Fuels nicht das Wundermittel sind;
– Overtourismus auch in der Schweiz existiert und selbst in konservativen Regionen das Unbehagen gegenüber dem grenzenlosen Wachstum der Gästezahl wächst.
Wer diese Probleme anerkennt, wählt folglich Kandidatinnen und Kandidaten in den Stände- und Nationalrat, die
so liberal sind, dass sie Subventionen und Steuererleichterungen streichen, wo sie nicht im allgemeinen Interesse sind. Also etwa bei der geplanten Steuerprivilegierung von Kreuzfahrtunternehmen oder der staatlichen Förderung der Bearbeitung der Fernmärkte. Wenn Subventionen, dann müssen sie an Nachhaltigkeitsleistungen geknüpft werden;
so weitblickend sind, dass sie Grosskonzerne wie Kreuzfahrtreedereien für ihr Geschäftsgebaren auch in fernen Ländern zur Verantwortung ziehen;
so sozial sind, dass sie motivierende Arbeitsbedingungen auch im Tourismus fördern etwa mit der Durchsetzung der Mindestlöhne, dem Elternschaftsurlaub oder mit Arbeitszeitmodellen, die Jungen und Familien entsprechen und längere Auslandaufenthalte erleichtern;
so umwelt- und klimafreundlich sind, dass sie die tatsächlichen Umwelt- und Sozialkosten des (Flug-)Verkehrs und der Energie einpreisen; den Landverschleiss eingrenzen und auch mal reglementieren, was bei Kleinigkeiten wie dem Gebrauch von Werbefloskeln wie «klimaneutral» oder «nachhaltig» beginnt.
Ist das wirtschaftunfreundlich? Nein. Es ist schlicht und ergreifend notwendig für die langfristige Existenzsicherung des Tourismus.
Jon Andrea Florin ist der Geschäftsleiter von fairunterwegs, der Schweizer Non-Profit-Organisation, die sich seit 1977 für fairen und umweltverträglichen Tourismus einsetzt.