«Aus Tourismussicht bescheiden»
Das Klimaabkommen von Paris wird als Meilenstein bejubelt, zu Recht?
Von Münchhausen: Grundsätzlich ja, weil sich hier erstmals alle Länder zu einem ambitionierten Ziel verpflichtetet haben – die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad beschränkt werden, weiterreichende Anstrengungen mit Blick auf 1,5 Grad werden angestrebt. Gerade für die in ihrer Existenz bedrohten pazifischen Inselstaaten oder Urlaubsparadiese wie die Malediven ist dies ein wichtiges politisches Signal: Die Weltgemeinschaft lässt sie nicht alleine. Aus Tourismussicht jedoch ist das Abkommen eher bescheiden.
Warum?
Weil es wesentliche Player der Branche außen vor lässt. So gibt es bei der Frage der Reduzierung der Emissionen im Luft- und Schiffsverkehr keine konkreten Verpflichtungen, die Textpassagen sind in der finalen Version gestrichen worden. Deren Lobby hat ganze Arbeit geleistet. Der WWF hätte sich hier gewünscht, dass auch in dieser Frage Ziele formuliert worden wären, die die touristischen Unternehmen zu einem Beitrag zum Klimaschutz verpflichtet hätten.
Als Aufforderung an die Regierungen, ordnungspolitisch einzugreifen?
In Deutschland fordern Umweltverbände eine Kerosin-Steuer. Sie kann zu fairen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern beitragen und würde einen starken ökonomischen Anreiz setzen, Kerosin einzusparen und vom Flugzeug auf klimafreundlichere Verkehrsmittel – insbesondere die Bahn – umzusteigen.
Die Reiseindustrie hält ihren Anteil an der globalen Klimaerwärmung für gering – stimmt das?
Nach Berechnungen – die allerdings schon älter sind – ist die Branche weltweit für fünf Prozent der Emissionen verantwortlich. Damit muss sich die Branche ihrer Verantwortung stellen. Zudem wird der Tourismus in den kommenden Jahren ganz enorm ansteigen – und damit auch die Emissionen, die die Branche in Zukunft verursacht. Dieses Wachstum wird die Klimaziele konterkarieren, wenn der Flug- und Schiffsverkehr, wie in Paris geschehen, weiter ausgeklammert bleibt. Betrachten wir nur mal den Luftverkehr. Der Sektor hat im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern weniger entwickelte Emissionsstandards. Gleichzeitig erfährt er ein starkes Wachstum.
Ihre Zahlen?
Derzeit hat die Branche einen Anteil von zwei Prozent am globalen Ausstoß von Treibhausgasen und jährlich steigen die weltweiten Flugemissionen um weitere zwei bis drei Prozent an. Emissionen, die in großer Höhe abgegeben werden, sind zudem besonders klimawirksam. Daher darf dieser Sektor bei den Klimaverhandlungen nicht außen vor gelassen werden.
Unternehmen wie Studiosus kompensieren bereits Ausflugstouren mit Bussen. Die Kosten bei Flügen zu übernehmen, sei aber zu teuer, dann ließen sich die meisten Reisen nicht mehr verkaufen – sagt das Unternehmen. Was würden Sie darauf antworten?
In Relation auf den Gesamtpreis einer Reise sind diese Zusatzkosten erträglich und vertretbar. Die Frage ist zudem, wie die Anbieter damit umgehen: Legen sie die Kompensationskosten auf den Reisepreis um oder zahlen zumindest einen Teil davon selber, um ihre Gäste zu motivieren? Entscheidend ist, dass das Thema nicht weiter ignoriert wird.
Aber sind Urlauber denn überhaupt bereit, einen höheren Preis zu zahlen?
Das Interesse an nachhaltigen Reiseangeboten hat in den vergangenen Jahren zwar zugenommen, dennoch steht der Preis beim Urlaub nach wie vor im Vordergrund. Die Menschen sind im Alltag bereit, in eine moderne klimaschonende Heizungsanlage zu investieren oder weniger Auto zu fahren, aber wenn es um Urlaub geht, kann der Klimaschutz zuhause bleiben. Genau deshalb wäre es so wichtig gewesen, wenn von Paris auch ein Signal an die Tourismusbranche gegangen wäre. Wenn Sie die Fluggesellschaften oder Kreuzfahrtunternehmen ausklammern, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass der Reisende nicht derjenige sein will, der auf seinen Flug verzichtet oder einen höheren Preis für seinen Urlaub zahlt.
Mal ehrlich: Kann man Menschen vom Reisen abraten, ihre Sehnsüchte nach fremden Welten und anderen Kulturen abtun – und ihre Neugier auf andere Menschen?
Nein, das will der WWF auch nicht. Schon allein deshalb, weil wir wissen, dass nachhaltiger Tourismus für die Entwicklung vieler Länder wichtig ist. Auch muss es jedem Menschen überlassen bleiben, sein Urlaubsziel frei auszuwählen. Wir würden uns aber wünschen, dass die Menschen ihre Reiseentscheidung bewusster treffen – und dabei auch den Klimaschutz einkalkulieren. Und bei der Schaffung dieses Bewusstseins können auch die Veranstalter eine verantwortliche Rolle spielen.
Wie definiert der WWF eigentlich umweltverträgliches Reisen?
Wir sprechen da lieber von nachhaltigem Reisen, da auch die sozialen Komponenten wichtig sind. Im Prinzip geht es darum, dass alle Stationen einer Reise so nachhaltig wie möglich gestaltet werden müssen. Das fängt bei der Wahl des Anbieters an, geht über die Kompensierung der Emissionen, die beim Flug entstehen – und endet beim Hotel, das sich der lokalen Wertschöpfung im Urlaubsland als auch dem Umweltschutz verpflichtet fühlen sollte.