Ausbleibende Touristenströme und der Preiszerfall der Datteln lähmen die Wirtschaft im Süden Tunesiens. Der Faire Handel weckt Hoffnung.
Die Region nahe des grossen Salzsees Chott el Djerid am nördlichen Rand der Sahara wird von Touristen gerne wegen der alten Stadt Tozeur, dem Tor zur Sahara, und ihrer Oasen besucht. Den eigentlichen Reichtum dieser Gegend stellen die Datteln dar. Die Dattelbauern kämpfen jedoch mit schwierigen Anbaubedingungen, schwankenden Erträgen und Konkurrenz durch Grossproduzenten. gebana hat örtlichen Kleinbauernfamilien Zugang zum Fairen Handel verschafft.
Die rund 80 tunesischen Dattelbauernfamilien, welche die bei gebana erhältichen Bio&Fair Rispendatteln produzieren, stammen aus den Oasen Bargouthia und Derjine. gebana Maghreb bietet ihnen Unterstützung und Schulung im Bio-Anbau, leistet Vorfinanzierung und zahlt existenzsichernde Preise. Die Datteln werden bei gebana Maghreb in Kebili weiter verarbeitet. In ihrem Weihnachtsmailing berichtet gebana von den Herausforderungen, die es beim Aufbau des Fairtrade-Systems für biologisch angebaute Datteln zu überwinden galt, und den Hoffnungen der tunesischen Bevölkerung auf eine umfassendere Gerechtigkeit.
Unter der Diktatur war es den Menschen in Tunesien verboten, sich zu organisieren. Deswegen konnten tunesische Bauern lange Zeit kein Fairtrade-Label von FLO (in der Schweiz Max Havelaar) erhalten, denn dieses Label wird nur an organisierte Bauerngruppen vergeben. In persönlichen Gesprächen konnten wir vor einigen Jahren den lokalen Gouverneur von Kebili und danach FLO überzeugen, die traditionellen Wasserkooperativen zu zertifizieren. Diesen hatte das Regime eigentlich nur erlaubt, die Wasserverteilung in den Oasen zu regeln. Nun befassten sie sich auch mit Datteln und sozialen Projekten.
Nach diesem Durchbruch wurden viele Kooperativen zertifiziert und die Bauern profitierten von besseren Handelsbedingungen. Es dauerte allerdings nicht lange, bis auch die Grossexporteure, Stützen und Profiteure des Ben Ali Regimes, auf den Fairtrade-Zug aufsprangen: Sie wurden ebenfalls von FLO zertifiziert, exportierten Fairtrade Datteln und wurden zu einer starken Konkurrenz. Nach der Revolution vom 14. Januar 2011 besetzten Kleinbauern die Parzellen der Grossexporteure. Offenbar nahmen die Bauern diese nicht als "fair" wahr, obwohl sie sich an die formellen Regeln hielten und auch regelmässig kontrolliert wurden.
Umfassendere Gerechtigkeit
Grundsätzlich gilt: Je mehr Menschen dem Fairtrade-System angeschlossen sind, desto besser. Dennoch spielt es eine grosse Rolle, wer die Handelspartner sind, welchen Werten sie verpflichtet sind und wie sie sich – neben dem Fairen Handel – im und neben dem Markt verhalten. Die tunesischen Bauern suchten Freiheit und Gerechtigkeit in einem umfassenderen Sinn als es das FLO-System gewährleisten kann: "Tounis, tounis, hourra, hourra. Ben Ali rouh el berra!", riefen Sie in den Strassen von Kebili: Tunesien, Tunesien, frei, frei, Ben Ali hau ab!
Heute verfolgen wir das Ringen Tunesiens um eine neue Struktur und demokratische Verhältnisse. Wir sind beeindruckt, wie geduldig die Tunesierinnen und Tunesier während der Monate der Unsicherheit nach dem Sturz des Regimes ausgeharrt haben und nun versuchen, ihre Anliegen in eine neue Verfassung zu giessen. Sie tun dies entschieden und stolz, aber auch unaufgeregt und bescheiden. Bei unserem Besuch vor den Wahlen waren die alten Männer in der Oase Derjine nicht nur voller Hoffnung, sondern auch skeptisch. Eine Studentin in Kebili fragte uns bange: "Was meint ihr, können wir es schaffen?" Die Sorge der Tunesierinnen und Tunesier ist, dass alte Akteure mit neuem Label erscheinen – oder neue Akteure, die alte Ungerechtigkeiten wiederholen.
Was Tunesien zur Zeit erlebt, heisst in der Wirtschaft "Change Management": Nach dem Bruch mit dem Alten kommt eine Phase der Unsicherheit, bevor etwas Neues strukturiert und gefestigt werden kann. Auch der Faire Handel folgte dieser Logik. Er entstand aus der persönlichen Betroffenheit über Hunger und Armut, aus Wut über die offensichtlichen Ungerechtigkeiten im bestehenden Handelssystem. Das Aufbegehren von Konsumentinnen und Produzenten war erfolgreich: Heute müssen sich selbst riesige Konzerne Fragen zur Herkunft ihrer Produkte und Arbeitsbedingungen gefallen lassen und verschiedene Zertifizierungen und Labels sind entstanden. Die Anliegen der Fairtrade-Pioniere haben weit über den Fairen Handel hinaus Wirkung entfaltet.
Ideale konsolidieren?
In dem Moment aber, wo ein Ideal wie "Gerechtigkeit" konsolidiert werden soll, ist Vorsicht geboten. Ein "gerechtes", ein "faires Produkt"? Das ist, als wollten die Tunesierinnen und Tunesier in der Verfassung nicht die Grundrechte festlegen, sondern in der Präambel definieren: "Tunesien ist ein gerechtes Land".
Den Pionierinnen des Fairen Handels war klar, dass sie Fragen haben, keine Antworten. "Warum sind Bananen billiger als Äpfel?" – "Warum gibt es Bananen von Dole oder Chiquita, jedoch keine konzernunabhängigen?". Ursula Brunner, Mitgründerin der Bananenfrauen, formulierte: "Schon früh erkannten wir, dass wir nicht sagen können: ‹Hier haben wir ein gerechtes Produkt, für das wir einen gerechten Preis bezahlen.› Wir erkannten, dass das, was wir zu erreichen versuchten, mit Gerechtigkeit etwas zu tun hatte, aber noch lange nicht wirklich Gerechtigkeit war." Haben wir denn heute faire Produkte? Oder geht es uns wie den Tunesierinnen und Tunesiern, die befürchten, dass neue Akteure die alten Ungerechtigkeiten wiederholen, oder dass alte Akteure mit einem neuen Label auftreten?
Der Faire Handel braucht Strukturen und Zertifizierungen wie Max Havelaar. Erst diese ermöglichen Detailhändlern, Verarbeitern und grossen Marken, Fairtrade-Produkte zu führen und so eine breitere Kundenschicht anzusprechen. Ebenso ist das gesetzliche Festschreiben von sozialen und ökologischen Standards unabdingbar. Doch damit ist es nicht getan.
gebana sieht sich in der Tradition der Bananenfrauen, der Fairtrade Pioniere, der Revolte. Sie brachen mit der Gleichgültigkeit der Komsumentinnen und Konsumenten gegenüber den Ungerechtigkeiten des internationalen Handelssystems und gegenüber den Produzenten unserer Lebensmittel. Wir knüpfen direkte Beziehungen zu den Produzenten und leiten daraus unser Handeln ab. Dabei gehen wir – auch an der Seite der tunesischen Kleinbauern – Schritt für Schritt weiter. Das "faire Produkt" wird es niemals geben, aber "fairer" ist immer möglich. Unsere tunesischen Freunde haben uns in diesem Jahr an unsere Wurzeln erinnert.
Bestellen Sie die Rispendatteln noch heute, damit sie vor Weihnachten ausgeliefert werden können.