Ausstellung: KIGOGO – Das Dorf der Verdammten
Es gibt Geschichten, die spielen sich jenseits von Gut und Böse, jenseits von Schwarz und Weiss, jenseits von Sünde und Vergebung ab. Die Geschichte des ostkongolesischen Dorfes Kigogo ist so eine Geschichte.
Kigogo, ein Dorf im tiefen Wald Süd-Kivus, einer Provinz im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Es ist um die Mittagszeit, angenehme 25 Grad, an diesem 23. Mai 2010, als Mama Mirjam vom Feld aus das Dach ihres Hauses brennen sieht. Die Schreie ihrer Nachbarin dringen zu ihr. Hinter Gebüsch versteckt, beobachtet Mirjam in den nächsten drei Tagen, wie um die hundert FDLR-Rebellen (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) ein Haus nach dem Anderen in Brand setzten; ihre Freundinnen und Nachbarinnen auf die Strasse zerren und vergewaltigen; ihre Ziegen, Hühner und Kühe zusammentreiben; um dann mit all ihrem Hab und Gut in den nahen Wald davonzuziehen. Als Mirjam sich endlich ins Dorf zurück wagt, findet sie ihre Tochter blutend hinter dem Haus. Das Mädchen wird später erzählen, wie sich um fünf Rebellen an ihr vergangen haben.
Das Dorf rafft sich nach den Übergriffen wieder auf. Die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft ist gross. Wer noch etwas hat, teilt. Die Unterstützung der internationalen Hilfsorganisationen jedoch bleibt aus. Zu nahe sind die Rebellen, als dass man in einen Wiederaufbau investieren will. Und sie behalten recht. Während des nächsten Jahres kommt es immer wieder zu Übergriffen. Besonders nach der Ernte, da die hungrigen Rebellen dann wieder Essen wittern. Gemeinsam beschliesst das Dorf, vorerst nicht mehr anzubauen. Was nützt es, wenn einem doch alles wieder geraubt wird?
Als Mirjam im Sommer 2012 von einem Besuch in der Stadt zurückkommt, weiss der Dorfälteste – Mihingo Nyandanga – Seltsames zu erzählen. Zwei Rebellen seien heute unbewaffnet aufgetaucht und hätten drei Wellblechdächer repariert. In den kommenden Wochen wird es immer eigenartiger: Vermehrt tauchen FDLR-Rebellen in kleinen Gruppen auf und fragen, ob sie nicht ein bisschen auf dem Feld mithelfen könnten. Man lässt sie. Schliesslich ist man froh um jede zusätzliche Hand, die mitanpackt.
Die Bauern und Rebellen kommen sich näher. Die FDLR sind arbeitstüchtig und die Bevölkerung vergütet ihre Arbeitskraft mit Nahrung. Ausgehungert hätten sie gewirkt, beschreibt Mirjam die Miliz. Es sei nie über diesen ersten Übergriff gesprochen worden. Auch nicht, als mehrere Rebellen um die Hand von Frauen aus dem Dorf angehalten haben. Als der Dorfälteste seiner Tochter eine solche Heirat gewährt, ziehen mehrere Familien nach.
Die Porträt-Serie zeigt Bewohnerinnen und Bewohner Kigogos, die stellvertretend für das ganze Dorf stehen. Es sind intime Bilder von Menschen, die sich nach jedem Angriff auf ihre Heimat wieder aufs Neue aufgerafft, wieder aufs Neue vergeben und sich couragiert haben.
Die beigelegte Reportage erzählt derweil die Geschichte von der Tochter des Dorfältesten, Wabiwa, und deren ungewöhnlichen Ehemann, Callixte – ein Ex-Kindersoldat aus Ruanda.