Afrikas «Wildlife» wird privatisiert
Der holländische Multimillionär Paul van Vlissingen, dessen Familie eine weltweite Grosshandelskette betreibt, will Afrikas Naturparks und Jagdgründe retten helfen. Das von ihm angestrebte Unternehmen „African Parks Management and Finance Company“ mit Sitz in Südafrika hat vor, in ganz Afrika Nationalparks und Schutzgebiete zu übernehmen. Vorab profitieren würden Zambia, Malawi, Uganda, Kenya und Mozambique, meinte der holländische Unternehmer anfangs Oktober 2003 gegenüber der BBC; bereits hat er sich die Unterstützung von Nelson Mandela wie auch des US-State Department und der Weltbank gesichert. Viele Parks wären sträflich vernachlässigt und würden praktisch nur auf dem Papier existieren, hielt van Vlissingen im BBC-Interview fest. Das soll sich ändern: „Die Staaten können ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Wildtiere aus den Nationalparks einbringen, und ich bringe das Managementwissen und den ‚Drive’, die Parks zum Laufen zu bringen.“ Als überzeugendes Beispiel zieht van Vlissingen den Erfolg beim Artenschutz im Marakele Nationalpark, den er in der Nähe von Johannesburg betreibt und nun mit exklusiven Lodges und Billigunterkünften für lokale BesucherInnen ausbauen möchte.
Sein Vorhaben reiht sich nahtlos in die Strategie der Parkverwaltung Südafrikas ein. Unter dem steigenden finanziellen Druck treibt die staatliche Behörde „SANParks“ seit mehreren Jahren die Konzessionierung von ganzen Nationalparks und deren Infrastrukturen wie Beherbergung und Restauration für ParkbesucherInnen an private Unternehmen voran (siehe akte-Kurznachrichten 1/2002). 12 kommerzielle Konzessionen auf 20 bis 35 Jahre hat „SANParks“ bereits an private Betreiber verliehen, darunter auch die Konzession im Marakele Park an van Vlissingen; zudem hat sie den Betrieb der Krüger-Park Restaurants, Läden und Picknick-Plätze auf zehn Jahre hinaus vergeben. Die Provinzen sind dem Beispiel gefolgt: So sollen acht Konzessionen im Greater St. Lucia Wetlands Park vergeben werden, drei Konzessionen hat die Tourismusverwaltung des Eastern Cape bereits gesprochen, eine zweite Runde steht für 2004 an. Dabei sollen, prognostiziert die Eastern Cape-Tourismusbehörde optimistisch, allein die Konzessionen für die Wild Coast und entlang des Fish River 120 Millionen Rand (ca. 14 Miollionen €) an Investitionen anziehen. Geld benötigen die Schutzgebiete zweifellos, und die Regierungen können es schlicht und ergreifend gar nicht aufbringen. Kein Zweifel, dass mitunter private Anleger den Betrieb von kommerziellen Betrieben wie Tourismusanlagen besser gewährleisten können. Doch sind die Bedingungen, unter denen die Konzessionen an Private vergeben werden, offenbar nicht Gegenstand öffentlicher Debatten. Zur Diskussion steht ebenso wenig, wie in den neuen Plänen die kleinen Initiativen berücksichtigt werden, die sich der Wild Coast entlang den fortschrittlichen Richtlinien für einen verantwortungsvollen Tourismus des nationalen Umwelt- und Tourismusministeriums verschrieben haben. Gerade auf diese hoffnungsvollen Ansätze von Gemeinden wurde auch keine Rücksicht genommen, als kürzlich die Provinzregierung eine neue gebührenpflichtige Strasse zur Erschliessung von Minen bewilligte, die mitten durch ihr artenreiches Gebiet führen soll und letztlich – wie vermutet wird – nebst den Minen auch ganz handfeste neue Tourismusinteressen bedienen wird (siehe akte-Kurznachrichten 4/2003).
Proteste gegen die Konzessionen an private Unternehmen in Schutzgebieten mit hoher Artenvielfalt werden nun auch in Zambia laut. Die Verfügungsrechte über die Naturressourcen, die ja dem Volk gehörten, dürften keinem Privatunternehmer ausgehändigt werden, meinte der Oppositionspolitiker und Parlamentsabgeordnete von Livingstone, Sakwiba Sikota, anlässlich einer Pressekonferenz anfangs August 2003 in Lusaka. Die Regierung verhandle im Geheimen mit van Vlissingen, die Bevölkerung werde weder informiert noch in die Verhandlungen einbezogen. Der Abgeordnete der Opposition verlangte denn auch einen Untersuchungsausschuss über die Zahlungen der Investoren und meinte unverhohlen an die Adresse des holländischen Unternehmers, er solle sich doch seinen Reichtum anderswo holen, die Leute der betroffenen Gegend Barotseland würden sich lieber selber um ihr Kulturerbe und ihre Naturressourcen kümmern.
Aus der Luft gegriffen sind diese Forderungen keineswegs: So haben am World Park Congress in Durban vom vergangenen September 2003 das UN-Umweltprogramm (UNEP) gemeinsam mit der Umweltorganisation Conservation International (CI) alarmierende neue Studieneregebnisse vorgelegt, wonach die artenreichsten Gebiete der Welt ganz besonders vom Tourismus bedroht sind. Der Tourismus hat sich in diesen besonders fragilen Zonen im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt, in Südafrika gar um 500 Prozent zugenommen (siehe akte-Kurznachrichten 4/2003). Klar ist, dass die Menschen, die den Artenreichtum und damit auch die Tierwelt seit Generationen gehegt und umsichtig bewirtschaftet haben, auch ihren Anteil am modernen Wirtschaftszweig Tourismus einfordern.
Wie erfolgreich sie damit umgehen, wenn sie die Verfügungsrechte zugestanden bekommen, zeigen die Makuleke, die nach langjährigem, zähem Kampf als erste die Rechte auf ihr Land zurückerhielten, aus dem sie 1969 vertrieben worden waren. Die 24’000 Hektaren im Krüger Park, die eingeschlossen zwischen Zimbabwe und Mozambique dank ihrer Abgeschiedenheit noch eine hohe Artenvielfalt aufweisen, verwalten sie seither umsichtig: Sie sind selber nicht dahin zurückgekehrt, haben aber eine leichte touristische Infrastruktur aufgebaut, die innert weniger Jahre über 20 Leuten bereits einen festen Job und vielen Familien ein willkommenes Zusatzeinkommen verschafft hat. Die Makuleke sind ein Einzelfall, ihr Beispiel kann bloss zeigen, wie es anders auch gehen könnte, aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass im gesamten Südlichen Afrika – so unterschiedlich die Voraussetzungen lokal jeweils auch sind – Natur und Kultur derzeit gnadenlos ausverkauft wird, über die Köpfe derer hinweg, die sie seit Jahrhunderten gepflegt haben. /plus

Touristen statt Grosswildjäger in Botswana
Seit Beginn der achtziger Jahre wurde der Löwenbestand in Botswana um 90 Prozent dezimiert. Zu diesem schockierenden Befund gelangt der Wildtierexperte David Macdonald in einer Untersuchung über die Bestände in Zimbabwe und Botswana. Schuld daran sind einerseits die Bauern, die ihre Herden schützen, andererseits aber auch die betuchten Grosswildjäger, deren Privatjets zwischen April und September sich auf dem kleinen Flughafen von Kasane gleich reihenweise einstellen. Sie gehören vornehmlich amerikanischen Jägern, die bereit und in der Lage sind, über 1’000 US Dollar für die Übernachtung im Jagdcamp und über 3’000 US Dollar für den Abschuss eines Löwen hinzublättern. Ein Hippo, so hat die BBC im vergangenen Jahr ermittelt, kostet die Kleinigkeit von 1’300 US Dollar, die Jagdlizenz über 3’000 US Dollar, ein gültiger Waffenschein nochmals 200 US Dollar und das Präparieren und Einpacken der Trophäen gleich noch 1’800 US Dollar dazu. Das Geschäft ist unbestritten lukrativ, da hilft auch nicht, dass die Regierung Botswanas bereits im 2001 die Löwenjagd verboten hat. Ebenso wenig nützt es, mit dem Finger auf die Bauern im Nachbarland Namibia zu zeigen, wo zum Schutz der Viehherden die Löwen noch immer abgeschossen werden dürfen. Nun will Botswana als Einnahmequelle nebst dem Diamantenabbau einen verträglicheren Tourismus mit Wildtierbeobachtung ankurbeln; Experten zeigen sich aber skeptisch, ob dies gelingt, bevor die Löwen ganz ausgemerzt sind. An potenter Unterstützung für ihr Vorhaben jedenfalls scheint es der Regierung nicht zu mangeln, stellt sich doch, gemäss Recherchen der BBC, auch Louis Nchindo, der Direktor der staatlichen Diamantenfirma Debswana, die zu 50 Prozent dem Diamanten-Imperium De Beers gehört, hinter die Bestrebungen. Da fragt sich allerdings, zu welchem Preis dieser Tourismus ausgebaut werden soll: Seit vielen Monaten werden in der „Central Kalahari Game Reserve“ die Ureinwohner der zu den San-Völkern gehörenden Gana und Gwi mit drastischen Massnahmen seitens der Regierung, wie das Kappen von Wasser und Grundnahrungsmitteln, von ihrem Land vertrieben (siehe akte-Kurznachrichten 1/2003, 2/2002). Bisher wurden die Vertreibungen unter dem Vorwand der Diamantenförderung vorgenommen. Doch scheinen Diamantenabbau und Tourismus – wie in so vielen Gebieten, die für Minen neu erschlossen werden, etwa in Südafrika oder Peru – Hand in Hand zu gehen: Laut BBC baut Nchindo eben auch ein neues Hotel. Survival International, die Organisation für die Rechte der Indigenen Völker, die seit Monaten gegen die Vertreibung der San in Botswana Kampagne macht, hat jetzt eine neue Postkartenaktion mit einen Aufruf zum Boykott von De Beers lanciert. /plus

Zimbabwes Elefanten rennen um ihr Leben
In Zimbabwe, das bis vor kurzem noch als beispielhaft für den Schutz von Wildtieren und die Entwicklung von nachhaltigem Tourismus galt, schlagen Tierschützer und Menschenrechtsorganisationen Alarm: Plünderzüge und Gesetzwidrigkeiten als Folge von Robert Mugabe’s Misswirtschaft bedrohen das Wild und damit auch die indigene Bevölkerung Zimbabwes, die von der traditionellen Bewirtschaftung der Natur und der Wildtierbestände abhängig ist. Hunderte von wilden Elefanten – unvergleichbar viel mehr als üblich in dieser Saison beobachtet – fliehen zur Zeit über den Zambezi nach Zambia. Sie suchen Schutz vor den sogenannten „Kriegsveteranen“, vor Plünderern und illegalen Jägern. Seit dem faktischen Zusammenbruch der staatlichen Ordnungsorgane in Zimbabwe hat die Jagd auf Wildtiere massiv zugenommen, für Elfenbein oder einfach für Fleisch. Jäger vornehmlich aus Südafrika profitieren zudem vom rechtslosen Zustand, um in Schutzgebieten illegal Lizenzen zu erstehen und Tiere zum Spass abzuknallen. Derweil platzen in Zambia die Naturparks aus allen Nähten; im Mosi-o-Tunya National Park, einem kleinen Park nahe der Stadt Livingstone, der normalerweise rund 50 wilde Elefanten beherbergt, wurden kürzlich über 200 gezählt. Bereits haben Elefanten auch Dorfbewohner im Park angegriffen und getötet. Die Umweltorganisation Ecoterra, die vornehmlich im Südlichen Afrika den Schutz von Wildtieren und Indigenen Völkern observiert und vorantreibt, fordert deshalb, jegliche Zusammenarbeit mit der aktuellen Regierung in Zimbabwe sofort einzustellen: keine Entwicklungsgelder, strikte Grenzkontrollen, keine Importe, insbesondere von Wildtierprodukten, kein Tourismus, insbesonders keine Grossjadgveranstaltungen und die strenge Überprüfung durch die UNO aller von Zimbabwe unterzeichneten CITES-Vereinbarungen zum Schutz der Biodiversität. /plus

Quellen: Afrika Bulletin Februar/März 2004 – Schwerpunkt NEPAD; Survival International 20.2.2004, 16.1.2004, www.survival-international.org; Tageszeitung-tazmag 31.1./1.2.2004; www.theoutpost.co.za; dlist_discuss@ecoafrica.co.za January 2004-July 2003; BBC News 12.1.2004, www.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/1/hi/business/3304399.stm; ECOTERRA 3.1.2004, 8.10.2003, 12.9.2003, www.ecoterra.net; The Guardian 20.12.2003; New Internationalist Jan./Feb. 2003; tim-team Clearinghouse 6.10.2003, timteam02@yahoo.com; Le Monde Diplomatique Septembre 2003