
Auswirkung der Fussball Weltmeisterschaft 2010
Die HIV-Rate in Südafrika ist sehr hoch und die Armut zum Teil gross. Viele Kinder und Jugendliche in diesem Umfeld erleiden Verluste: Sie verlieren Eltern, Familienmitglieder, Einkommen und die Kindheit, weil sie sich um Kranke kümmern müssen. Medizinische Versorgung und die Befriedigung der Grundbedürfnisse sind zwar sehr wichtig, wichtig ist aber auch die psychosoziale Unterstützung, auf die die Organisation Dlalanathi spezialisiert ist.
Die Durchführung der Fussball-WM in Südafrika hat zahlreiche positive und mögliche negative Auswirkungen. Die positiven sind die Aufmerksamkeit, die Südafrika zuteil wird und eine Gelegenheit zu haben, stolz zu sein. Gut ist auch der Fokus auf Afrika. Es gibt eine grosse Verbundenheit unter vielen Südafrikanern, die unser Land positiv präsentieren möchten. Dieser Fokus auf Südafrika gibt uns aber auch die Gelegenheit die Dinge zu kritisieren, die in unserem Land schief laufen. Das Hosting der WM hat zu vielen hitzigen Debatten im Land geführt, vor allem zu den Themen Sicherheit, Wirtschaft, Kriminalität, Tourismus, Serviceleistungen und Korruption. Es gibt so viele leidenschaftliche und entgegengesetzte Meinungen wie Wählerschaften. Wir sind ein Land mit vielen Facetten.
Die WM bringt auch Ressourcen und Interessen nach Afrika. Die angekündigten Jobs um Infrastruktur zu bauen, Arbeitsplätze und Investitionen sind immer gut. Fussball ist sehr wichtig hier. Alle die können, jede Schule, jede Gemeinschaft, jede Fabrik, jede Kirche hat ein Fussballteam. Südafrikanische Fussballstars wie Lucas Radebe (früherer Kapitän bei Leeds in England) waren in Pietermaritzburg aktiv und haben Organisationen wie das SOS Kinderdorf unterstützt. Viele Südafrikaner lieben den Sport und verfolgen den Fussball auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.Aber es gibt auch Dinge, bei denen verletzbare und gefährdete Leute – und mit denen arbeiten wir zusammen – nicht von der WM profitieren oder sogar gefährdeter sind. Wenn zum Beispiel die Preise während der WM erhöht werden, dann leiden die Ärmsten darunter. Diese Gruppe profitiert nicht vom Zustrom des Geldes und kann aber gleichzeitig betroffen sein von den steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel, Transport und Dienstleistungen. Diese Leute versuchen dann unter Umständen mit den internationalen Besuchern Geld zu verdienen und laufen in Gefahr, mit Prostitution oder Kinderhandel zu tun zu bekommen.
Frage: Wie beeinflusst die WM 2010 die Organisation, die Projektaktivitäten und die Gruppe der Begünstigten (positiv und/oder negativ)?
Antwort Dlalanathi: Das laufende Programm ist abhängig vom Rhythmus der Schule. Dies deshalb, weil Schulen wichtige Knotenpunkte in Gemeins chaften sind. Wir benutzen Schulen oft als Orte, wo wir mit den Kindern und Betreuenden arbeiten. Wir haben Gruppen mit Betreuer am Morgen, wenn die Kinder in der Schule sind, und Gruppen mit Kindern und Jugendlichen am Nachmittag. Der Arbeitsprozess unserer Gruppe schreitet im Rhythmus der Schule voran und wird deshalb von der WM unterbrochen werden, da das ganze Land im Juni und Juli wegen der WM fünf Wochen Schulferien hat. Dass alle Kinder in Südafrika während dieser Zeit nicht in der Schule sind ist eine grosse Herausforderung für die Kinder und die Eltern. In unserem Jugendcamp im Februar äusserten Jugendliche, die im Abschlussjahr der Schule sind, ihre Bedenken. Das Schuljahr wird sich durch die Pause verkürzen und sie haben deshalb weniger Zeit, sich auf die Schlussprüfungen vorzubereiten. Sie müssen sie bestehen, um an die Universität gehen zu können. Sie sagten aber auch, dass sie stolz seien, Matrikelnummern aus dem Jahr 2010 zu haben. Sie finden es glücksversprechend, sich im selben Jahr an der Universität einzuschreiben, in dem in Südafrika ein so grosses Ereignis stattfindet. Das motiviert sie, erfolgreich zu sein und für ihre Schule Geschichte zu schreiben. Ein junger Mann sagte, „wir schliessen 2010 ab, wir haben die Chance, dies zu einem Jahr zu machen, das in die Geschichte eingeht und für uns wichtig ist.“
Frage: Wie beeinflussen die Vorbereitungen der WM 2010 die Region, in der die Organisation Dlalanathi arbeitet? Welche Folgen wird die WM während und nach ihrer Durchführungfür die Region haben?
Antwort Dlalanathi: Wir in Pietermaritzburg werden wohl von direkten Auswirkungen geschützt sein, die grössere Zentren treffen (Zustrom von Leuten, mehr Verkehr etc.). Dasselbe gilt aber auch für den Zufluss von Geld, das nicht bis in unsere Stadt und zu jenen dringen wird, die in Armut leben und mit denen wir zu tun haben. Der positive Effekt ist, dass Fussball der bevorzugte Sport von vielen Leuten in Südafrika ist. Viele freuensich auf die WM und wir sehen, wie zwischen vielen Südafrikanern eine Verbindung entsteht. Wir hoffen,Südafrika sichtbar zu machen und sind stolz auf unsere Fähigkeit, einen so grossen Event durchzuführen. In ärmeren Gegenden werden grosse Bildschirme aufgestellt, damit auch dort die Spiele gesehen werden können. Die Spiele werden auch auf lokalen TV und Radiosendern übertragen werden.Wir hoffen auch, dass der Funke von der WM überspringen und Interesse für Südafrika entstehen wird. Südafrika ist ein sehr schönes aber komplexes Land mit sehr vielen soziapolitischen Errungenschaften und Herausforderungen.
Frage: Plant die Organisation Dlalanathi irgendwelche speziellen Aktivitäten vor, während oder nach der WM?
Antwort Dlalanathi: Wegen der langen Ferien sind die Kinder und Jugendlichen, die sowieso schon gefährdet sind, noch gefährdeter. Schulferien bedeutet, dass viele Kinder ohne Aufsicht bleiben und ihnen Anregungen für Spiele und Entwicklung fehlen. Für viele ist auch die dadurch ausfallende Mahlzeit in der Schule ein Problem. Dlalanathi wird diese fünf Wochen benutzen, um die Gemeinschaft zu ermutigen, kreative Wege zu finden, um ihre Kinder und Jugendlichen beschäftigt zu halten und Dinge mit ihnen zu tun, die gut für sie sind. Während unserer Trainings „Spiele für die Kommunikation“ und „Familienunterstützung“ sagen dieErwachsenen immer wieder, dass sie mit den Kindern mehr spielerische Aktivitäten möchten und dass sie selbst involviert sein möchten. Wir treffen zur Zeit die interessierten Leute um ihnen mit dem Programmfür die fünf Ferienwochen zu helfen. Unsere Idee ist, in der ersten Woche aktiv dabei zu sein, um zu beraten und unterstützen. Dann wollen wir mit der Gemeinde arbeiten, die ähnliche Programme für die restlichen Schulferien macht.
Frage: Welche sozialen, ökonomischen und politischen Entwicklungen sind ihrer Meinung nach bei der Vergabe und Vorbereitung für die WM vergessen worden? Was denken sie,wieso diese Aspekte national und /oder international nicht beachtet wurden?
Antwort Dlalanathi: das Zusammenspiel zwischen Armut, HIV / Aids und die damit verbundenen Verluste bleibt eine der grössten Herausforderungen in Südafrika. Hinzu kommen die ökonomischen und sozialen Veränderungen, die Kluft zwischen Reich und Arm und die Schwächungen wären der Apartheid, die Bildung, Gesundheit und die Gesellschaft beeinflussen. Kinder und Jugendliche werden als aktive Teilnehmende bei der Lösungsfindung zu diesen Themen nicht beachtet. Das sind langfristige Themen, die durch eine Veranstaltung wie die WM nicht wirklich angesprochen werden können. Wir hoffen aber, dass die Aufmerksamkeit, die für das Land entsteht, uns und allen anderen hilft zu sehen, dass wir Grosses tun können, wenn wir zusammen arbeiten.
Diese Antworten wurden zusammengestellt vom Dlalanathi Team, das aus 10 Frauen und einem Mann besteht. Die Antworten sind das Ergebnis gemeinsamer Diskussionen zum Thema.
Weitere Informationen: www.dlalanathi.org.za; www.terredeshommes.ch