Bali/Indonesien: Schere zwischen Tourismus und Landwirtschaft öffnet sich weiter
"Das Wachstum im Tourismus hat die Landwirtschaft nicht gefördert, obwohl dies die Grundannahme im Tourismuskonzept von Bali ist", kritisierte Wayan Windia, Professor für Agronomie an der Universität Udayana. Ein balinesischer Bauer stehe schlechter da als ein Bettler an einem Touristenort. Eine Studie habe ergeben, dass ein Bauer, dem eine Fläche von einem Hektar zur Verfügung steht, ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2,2 indonesischen Rupien (199 Franken) erzielt, während ein Bettler in Denpasar auf durchschnittlich 2,4 Millionen Rupien (217 Franken) kommt. Eine indonesische Bauernfamilie besitze jedoch im Durchschnitt nur einen Viertel Hektar und einige müssten gar mit nur einem Zehntel Hektar auskommen.
In den nächsten Jahren würden viele Familien die Landwirtschaft aufgeben, sagte Windia voraus. Zu dieser Entwicklung trüge einerseits das Bild der Armut und Rückständigkeit der Bauern bei, anderseits der mangelnde Schutz der Reisfelder, insbesondere der Subak, der traditionellen balinesischen Anbau- und Bewässerungssysteme durch die örtlichen Behörden. Die Versuchung sei gross, sich von einem Investor zum Verkauf der Reisfelder überreden zu lassen.
Die Regional- und Provinzregierung scheinen das Problem nicht wahrzunehmen und erteilen weiterhin eifrig Baugenehmigungen für sogenannte "Entwicklungsprojekte" auf Landwirtschaftsland. So verschwinden auf Bali jährlich 1’000 Hektar Agrarfläche. Laut Angaben des Statistischen Amts wuchs 2012 der Immobiliensektor um 20 Prozent, während die Landwirtschaft nur um 4,3 Prozent zulegte. Handel, Hotellerie und Gastronomie nahmen gar um 30 Prozent zu. Insgesamt wuchs die balinesische Wirtschaft um 6,5 Prozent, während die nationale Wachstumsrate Indonesiens 6,2 Prozent betrug.
Gusti Murjaya Yasa, Dozent an der Wirtschaftsfakultät der Universität Udayana prognostizierte, dass sich die Schere zwischen der Landwirtschaft und dem Tourismus weiter öffnet. "Eigentlich sollte der Tourismus sich auf die Landwirtschaft stützen, doch Bali hat noch keine nachhaltige Tourismuspolitik entwickelt. Der Tourismus hat Bali und Indonesien zwar viel Geld gebracht und Arbeitsplätze geschaffen, doch solle deswegen die Landwirtschaft nicht geopfert werden."
Laut Hilfswerkgründerin Asana Viebeke hat der Tourismus für die Armen einen Teufelskreis geschaffen. Anstatt Wohlstand für die ganze Gesellschaft zu schaffen, habe er viele Menschen, vor allem in ländlichen Gebieten, in die Armut abgedrängt. "Zu unserer Zielgruppe gehören über 20’000 Kinder, die keinen Zugang zu Bildung und Gesundheit haben, und das absurderweise inmitten von touristischem Glanz und Glitter", klagte sie.