In Thailand, wie in anderen Ländern Asiens, sind die Regierungen dabei, die Städte zu modernisieren. Dabei sind ihnen die StrassenhändlerInnen ein Dorn im Auge. Kürzlich hat die Thailands Militärregierung Tausenden ihr Geschäft auf der Strasse verboten, und sie will weiteren Zehntausenden an verschiedenen Orten der Stadt die Lizenz zum Strassenverkauf entziehen. Und nicht nur das: Bulldozer machten Slums entlang des Chao Phraya Flusses platt, um dort eine Promenade zu bauen und einen Park zu errichten. Nach Meinung der Regierung besetzen StrassenhändlerInnen öffentliches Areal, dass eigentlich für formelle Unternehmen und reiche Bürger gedacht wäre – oder für TouristInnen. 

"Ein Krieg gegen die Ärmsten"

Doch viele Einheimische und TouristInnen sehen das anders. "Es ist so eine Schande, es ist eine schockierende Idee", meinte Taisha Thompson, die aus Sydney zu Besuch war, nach einem Gang durch die touristische Khaosan Road gegenüber dem Guardian. "Wir waren letztes Jahr um diese Zeit hier und die Strasse war voller Essen und es war fantastisch, es war eine schöne Atmosphäre. Ich habe mich gefragt, was passiert ist, die Atmosphäre ist jetzt ganz anders. Sie liegen falsch, wenn sie denken, dass es das ist, was die Besucher wollen." 
NGOs kritisieren, dass die Vertreibungen vor allem die ärmere Bevölkerung betreffen, die sich kaum wehren können, weil sie keine formellen Rechte haben. "Es wird ein Krieg gegen die eigene Stadtbevölkerung geführt, gegen die Ärmsten und Verletzlichsten", kritisierte die Organisation HomeNet Thailand, die sich für Menschen im informellen Sektor engagiert gegenüber Thomson-Reuters. Früher arbeiteten StrassenverkäuferInnen vor allem in den schwimmenden Märkten. Heute beherbergt Bangkok schätzungsweise 240’000 fliegenden HändlerInnen, die unter anderem auch eine funktionierende Versorgung mit erschwinglichen Mahlzeiten und Imbissen gewährleisten. Rund neun von zehn in Bangkok wohnende Personen versorgen sich bei StrassenhändlerInnen. Etwa ein Viertel der Kundschaft verdient selbst weniger als 9’000 Baht, umgerechnet rund 270 Schweizerfranken. 70 Prozent der HänderInnen sind Frauen, die meisten von ihnen über 40 Jahre alt und wenig gebildet.

Strassenhändler tragen zur Attraktivität der Stadt bei

Aber auch aus der Perspektive der Stadtentwicklung sind StrassenhändlerInnen interessant. Sie verbessern das Geschäftsumfeld, animieren Strassen und Plätze und machen sie fussgängerfreundlich. Und sie können zur Sicherheit beitragen, sind die Ohren und Augen des Quartiers. Dabei gibt es andere Städte die versuchen, neue Läden, Strassenverkäufer und Märkte anzuziehen, um die Attraktivität zu erhöhen. Der Entscheid der Stadtbehörde Bangkoks, die Fliegenden Händler zu verbieten, wurde nur wenige Tage vor der CNN-Nominierung von Bangkok als bester Stadt für Strassenküche verkündet. Trotzdem hatte die Regierung 4,1 Millionen Dollar dafür bezahlt, dass Michelin-Tester fünf Jahre lang Bangkoks Restaurants bewerten und den ersten Guide Michelin zu Bangkok erstellen. 
Als einziges Strassenrestaurant mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde jenes der 72jährigen Supinya Jansuta, auch Jay Fai oder Auntie Fai genannt. Sie kocht seit Jahrzehnten und alle kennen sie, weil sie immer eine Taucherbrille zum Schutz vor Ölspritzern trägt. Für ihr überteuertes Krabben-Omelette stehen Einheimische wie TouristInnen Schlange. 

Regulierung ja, Vertreibung nein

"Die Strategie der Regierung ist verheerend", meint Rewat Chobtham, der Präsident des "Netzwerks thailändischer StrassenhändlerInnen für nachhaltige Entwicklung", das im April dieses Jahres gegründet wurde und heute bereits 7’500 Mitglieder aus 25 Stadtbezierken zählt. "Die Aufhebung der Lizenzen und die Vertreibungen entziehen den Strassenhändlern die Lebensersparnisse. Sie müssen die Kinder aus der Schule nehmen und verlieren ihre Besitztümer wie Wohnungen oder Fahrzeuge." Das Netzwerk wird von Akademikern und Rechtsanwälten unterstützt und hat in einem offenen Brief an Premierminister Prayut Chan-o-cha appelliert, die Bestimmungen für StrassenhändlerInnen zu überdenken. Ein Sprecher der Regierung erklärte, das Gesuch werde seriös geprüft, bevor weitere Massnahmen beschlossen würden. Ein neues Komitee soll ins Leben gerufen werden, in dem die StrassenhändlerInnen ebenso wie Beamte der Stadtbehörde und der Verkehrspolizei einsitzen. Ein neues Gesetz soll für klare Regeln zu Hygiene, Marktstandregulierungen und Steuern sorgen, fordert Rewat, und fügt hinzu: "Wir brauchen eine Strategie, bei der die StrassenhändlerInnen nicht vertrieben werden. Es ist wichtig und dringend, dass diese Krise beigelegt wird!"