Basel, 29.12.2011, akte/ Ethik ist die Lehre von einem sinnvollen menschlichen Leben und die Suche nach allgemeingültigen Aussgen über gutes und gerechtes Handeln. In der Antike wurde die Auseinandersetzung mit Ethik für Politiker und Ökonomen vorausgesetzt. Denn das Verständnis von Richtig und Falsch sah man als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens. 
Heute hat sich die Beschäftigung mit Ethik in Bereiche wie Wirtschaftsethik, Medizinethik oder Bioethik aufgeteilt. Barbara Bleisch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ethik-Zentrum der Universität Zürich und Markus Huppenbauer, Geschäftsleiter des Forschungsschwerpunkts Ethik und Titularpofessor für Ethik an der Theologischen Fakultät der Universtität Zürich, wollen mit dem "Handbuch für die Praxis", wie sie ihr Werk im Untertitel bezeichnen, die Beschäftigung mit Ethik wieder zu einem Allgemeingut machen. 

Eine ethische Entscheidung zu fällen ist, so die These des Buchs, etwas anderes, als seine persönliche Meinung kundzutun oder individuelle Päferenzen zu äussern. Wie unterschiedlich auch die Entscheidungen ausfallen mögen, sie sollten auf dem Boden eines verlässlichen Standards getroffen werden. Dazu hat Markus Huppenbauer zusammen mit Jörg de Bernardi ein "Schema ethischer Urteilsbildung" entwickelt, das diesem Buch als Grundlage dient. 

Die Schritte sind im ersten Teil des Buches einfach und gut nachvollziehbar beschrieben und werden mit Beispielen illustriert: Im ersten Schritt wird der Sachverhalt recherchiert, im zweiten Schritt werden die moralisch relevanten Fragen und Konflikte identifiziert, die strittigen Fragen formuliert und von den nichtmoralischen Aspekten getrennt. Im dritten Schritt werden die Argumente zusammengetragen und mit den ethisch-moralischen Normen abgeglichen, im vierten Schritt werden sie gewichtet und beurteilt und sollen zum Entscheid führen. 
In einem zweiten Teil wird vorgestellt, was es heisst, Ethik als wissenschaftlich fundierte, philosophische Reflexion zu verstehen und zu betreiben. Dabei gehen die AutorInnen auch auf den oft erhobenen Vorwurf ein, Ethik sei subjektiv und relativ und sicherlich keine Wissenschaft, und zeigen auf, inwiefern Ethik durchaus "objektiv" sein kann, und welcher Wahrheitsanspruch ethischen Urteilen innewohnt. Anhand dreier Beispiele wird im dritten Teil das Schema durchgespielt. 

Wer ist, so fragen die AutorInnen, verantwortlich dafür, dass in kongolesischen Minen Menschen unter sklavenähnlichen Umständen Rohstoffe abbauen, während der Erlös zu Grossen Teilen in die Taschen der korrupten Eliten fliesst, deren Privatarmeen finanziert und letztlich den Bürgerkrieg ermöglicht? Ein ganzes Netz von Akteuren, ist die Antwort, alle und niemand. Das Praxishandbuch für die "Ethische Entscheidungsfindung" ist auch ein Appell, gegen die Verantwortungsdiffusion anzukämpfen, bei der alle das Unrecht sehen, aber niemand es ändert. Die Autoren plädieren für Regeln und Rahmenbedingungen, die es den einzelnen Individuen und Akteuren ermöglichen, klar definierte Verantwortung zu übernehmen, für die sie auch geradestehen müssen. Zum Schluss rufen sie auf zur individuellen Autorität: "Wir sind also auch im Bereich der Ethik auf Personen angewiesen, die unsere Welt mit Zivilcourage, Visionen, Mut und Risikobereitschaft zum Besseren verändern möchten."

Barbara Bleisch, Markus Huppenbauer: Ethische Entscheidungsfindung. Ein Handbuch für die Praxis. Versus Verlag, Zürich 2011, 160 Seiten, CHF 39.00, EUR 33.90, ISBN 978-3-03909-199-7
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