Battir – Kulturlandschaft auf umkämpftem Gebiet
"In Battir haben Menschen über Jahrhunderte insgesamt mehr als fünf Millionen Steine bewegt, um die Terrassen für die Landwirtschaft anzulegen. Die kulturgeschichtlichen Denkmäler stammen aus über 3000 Jahren. Sehen Sie die Sultansgräber, die Kirchen, die antiken Weinpressen. Battir ist ein Kulturerbe im wahrsten Sinn des Wortes", sagt Itidal Muammar.
Battir oder hebräisch Betar liegt nur wenige Kilometer von Bethlehem entfernt in einer paradiesisch anmutenden Gartenlandschaft. Das Tal war schon in der Eisenzeit besiedelt. Heute leben hier 4500 Palästinenser. Itidal Muammar ist hauptberuflich Lehrerin. Daneben engagiert sich die kleine, energische Frau im Gemeinderat des Ortes. Sie hat mit dafür gesorgt, dass in Battir ein Ökomuseum mit angegliedertem Gästehaus eingerichtet wurde.
Battir als Geheimtipp unter Öko-Touristen
Auch deshalb hat Battir sich in den vergangenen Jahren zu einem Geheimtipp für umweltbewusste Reisende aus aller Welt entwickelt: "Wir haben einige sehr schöne touristische Wanderwege mit fantastischen Aussichtspunkten. Das Gebiet ist auch interessant für Felskletterer. Es gibt herrliche frische Quellen und über ein halbes Dutzend Bäche. Wenn sie über die Steinterrassen hinabfließen, erinnert das Bild an die Adern eines Körpers. Das Wasser dieser Bäche wird in einem Becken mitten im Ort gesammelt, das zur Römerzeit entstand. Seit über 2000 Jahren wird das Wasser von hier aus über Kanäle auf die Felder verteilt."
Das Wasser von Battir teilen sich seit alter Zeit insgesamt acht ortsansässige Großfamilien. An jedem Tag in der Woche darf eine Familie Wasser entnehmen, weshalb Scherzbolde behaupten, in Battir habe die Woche acht Tage. Und es gibt noch weitere historische Besonderheiten: Im 19. Jahrhundert bauten die damals herrschenden Osmanen einen Teil der legendären Hedjaz-Eisenbahn durch das malerische Tal. Battir erhielt einen eigenen Bahnhof und entwickelte sich zu einem Ort für die Sommerfrische. Das Landschaftsbild wurde nicht wesentlich beeinträchtigt.
Später verlief hier die Bahnstrecke von Jerusalem nach Tel Aviv. Als 1948 der israelisch-arabische Krieg ausbrach und 1949 der Waffenstillstand besiegelt wurde, lag Battir genau auf der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien. Knapp ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen befanden sich aber jenseits der Eisenbahnlinie auf israelischem Gebiet. Die Bewohner von Battir verhandelten, mit Erfolg, erklärt Itidal Muammar: "Der Waffenstillstandsvertrag von 1949 erlaubt uns, dass wir das Land, das uns gehört, komplett nutzen könnten – auch den Teil, der hinter der Eisenbahnlinie liegt, am Berghang."
Die Bewohner von Battir waren damit die einzigen Palästinenser im jordanisch beherrschten Westjordanland, die jederzeit offiziell die Grenze nach Israel überqueren und auf der israelischen Seite ihr Land bebauen konnten – auch nach der Besetzung der Westbank 1967. Bedingung war, dass sie sich um die Sicherheit der Bahnlinie kümmerten. Diese Vereinbarung funktionierte – bis Israel 2002 mit dem Bau der Mauer um die Westbank begann.
Palästinenser und Israelis der Region sind gegen die Mauer
Ein Teilstück, das noch nicht errichtet ist, soll mitten durch das Tal an der Bahnlinie entlang führen. Itidal Muammar vermutet, dass es bei dem geplanten Mauerbau an dieser Stelle nicht wirklich um Sicherheit geht, sondern um das fruchtbare Land jenseits der Bahnlinie. Käme die Mauer, verlören die Einwohner von Battir mindestens 35 Prozent ihres Ackerlandes und den größten Teil ihrer Wasserressourcen. "Die Sperrmauer bedroht die Schönheit der Terrassenlandschaft und unsere wirtschaftliche Basis, denn wir essen und trinken von dieser Erde und von diesem Ort."
Der angekündigte Bau der Mauer durch den palästinensischen Ort Battir hat zu einer kuriosen Konstellation geführt. Denn nicht nur Palästinenser wehren sich gegen die Mauer. Auch die jüdischen Siedler im benachbarten Ort Betar Illit sind dagegen: Sie befürchten, dass die Siedlung nicht mehr expandieren könnte. 2007 erhob Battir Klage gegen den geplanten Mauerbau.
Im letzten Jahr forderte das höchste israelische Gericht das israelische Verteidigungsministerium auf, einen Plan B für den Verlauf der Mauer vorzulegen, der die historische Kulturlandschaft intakt lässt. Anfang 2014 ließ das Verteidigungsministerium wissen, dass man an der bisherigen Planung festhalten wolle. Die Tatsache, dass Battir nun offiziell zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden ist, erhöht den politischen Druck auf Israels Regierung, nach Alternativen zu suchen. Itidal Muammar hofft, dass der UNESCO-Welterbestatus helfen wird, die Mauer zu verhindern.