Bazaruto Archipelago, Mozambique: «Ökotourismus» und Artesanalfischerei im Clinch
Am 14. Dezember 2001 hat die Regierung des südostafrikanischen Staates Mozambique die gesamte Inselgruppe Bazaruto, die den Küstenstädten Vilanculo und Inhassoro vorgelagert ist, zum maritimen Naturreservat erklärt. Viele der Korallenriffe und artenreichen Seegras-, Mangroven- und Dünengebiete der fünf Inseln waren bereits 1971 – als Nationalpark – unter Schutz gestellt worden. Jetzt kommen weitere 14’000 Hektaren Meeresfläche hinzu. Die Naturschutzorganisation „Worldwide Fund for Nature“ (WWF) begrüsst die Nationalparkerweiterung als Meilenstein für den ostafrikanischen Meeresschutz und erwartet einen enormen Aufschwung im naturorientierten Tourismus Mozambiques, erklärt WWF-Meeresbiologin Ghislaine Llewellyn gegenüber der Medienagentur „Environment News Service“.
Doch gerade die touristische Entwicklung des Archipels, der sich als Destination für Tauchende und „Öko-AbenteurerInnen“ einen Namen gemacht hat, bereitet der lokalen WWF-Sektion und den InselbewohnerInnen Sorgen, wie der südafrikanische Journalist Tamsyn Reynolds in seinen Recherchen 2001 festgestellt hat. Anlass zu Befürchtungen geben drei grössere Tourismusprojekte, die allesamt von südafrikanischen bzw. Südafrika-dominierten Investorengruppen vorangetrieben werden. Alle drei Firmen – so Reynolds – nennen ihre Vorhaben „Ökotourismus“ und versichern, dass die Lokalbevölkerung in die Planung miteinbezogen und – ebenso wie die intakte Natur – vom Tourismusprojekt profitieren werde. Ob hier wirklich die Natur in ihrer ursprünglichen Form bewahrt und erlebt werden soll, ist zweifelhaft. Im kürzlich eröffneten „Indigo Bay“ bietet „Mantis Collection“ ihren „ÖkotouristInnen“ das volle Programm: 23 klimatisierte Bungalows mit Satellitenfernsehen, Poolanlage, Inselfahrten, Wasserski und andere Trendsportarten. Um den Komfort für Badegäste zu erhöhen, wurde das wellenbrechende Strandriff entfernt. Feuchtgebiete wurden trockengelegt.
Auch das Tourismusprojekt „Vilanculos Coastal Wildlife Sanctuary“, das die Halbinsel San Sebastiao sowie die Inseln Lenene und Chilonzwini umfassen soll, ist ökologisch nicht unbedenklich. Die investierende Firma „Jordan Properties“ möchte hier Löwen, Leoparden, Elefanten, Büffel und Nashörner ansiedeln, um mit den „Big Five“ TouristInnen anzuziehen. Umweltfachleute protestieren, denn das fragliche Gebiet sei für diese Tierarten absolut ungeeignet. Gravierender jedoch dürfte sich „Vilanculos Sanctuary“ auf die Lebensbedingungen der 580 Fischerfamilien des Archipels auswirken. Ganze 70 Prozent der 2’700 InselbewohnerInnen leben hauptsächlich von der Artisanalfischerei und dem erfolgreichen Handel mit Meeresressourcen. Doch seit 2001 darf innerhalb des „Sanctuary“ nicht mehr gefischt werden. Erlaubt ist nur noch das Fischen auf offener See, für das die Boote der Einheimischen nicht gerüstet sind. „Die Leute fragen sich, wie sie überleben sollen, wenn ein Gebiet von 30’000 Hektaren für sie und ihre Fischerboote nicht mehr zugänglich ist, weil es zur Schutzzone erklärt wurde“, meint Rui Nyantumbu vom WWF in Vilanculos. Die Tourismusunternehmen versprechen, Schulen und Arbeitsplätze für Einheimische zu schaffen, doch dies ist ein kleiner Trost, wenn der Tourismus – wie Nyantumbu erklärt – die grundlegenden Lebensweisen verändert. Vielen bleibe keine andere Wahl, als sich Jobs im Tourismus zu suchen. Doch diese würden mehrheitlich an Auswärtige, Managementpositionen gar an ausländische Kader vergeben, hält der WWF-Vertreter fest. Die erwartete Bevölkerungszunahme durch Arbeitsmigration – gerechnet wird mit 2,6 Angestellten pro Touristenbett – werde die Inselwelt vor Versorgungs- und Entsorgungsprobleme stellen. Die angestammte Bevölkerung sei unzufrieden, sagt Nyantumbu, in dessen Augen das „Santuary“ nichts mit Tierschutz zu tun hat. Die Einheimischen seien schlichtweg unerwünscht; „Jordan Properties“ wollten das Gebiet den TouristInnen vorbehalten. Im September 2001 berichtete die südafrikanische Zeitung „Mail & Guardian“, dass mindestens 1’000 Menschen ihren angestammten Lebensraum aufgrund des „Vilanculos Sanctuary“ verlassen müssten. Auch die Rückkehr als TouristInnen dürfte ihnen aufgrund der hohen Preise verwehrt sein. Trotz dieser Auswirkungen erachtet der Tourismusminister Mozambiques, Fernando Sumbana Jnr., das „Vilanculos Coastal Wildlife Sanctuary“ als zukunftsweisendes Modellprojekt. Der Umweltminister John Kachamila soll gemäss den Recherchen des Journalisten Tamsyn Reynolds gar mit 25 Prozent an der investierenden Firma „Jordan Properties“ beteiligt sein. /frei
Quellen: „International Year of Ecotourism 2002 and a Case Study from Mozambique“ von Tamsyn Reynolds, in: Clearinghouse for Reviewing Ecotourism, November 2001 (www.twnside.org.sg); Basler Zeitung, 5./6.2002; Environment News Service, 17.12.2001 (http://ens-news.com); Mail & Guardian, 7.9.2001