Beate Berger: Bikini. Eine Enthüllungsgeschichte
„Bikini“ – ein paar Stoffdreiecke mit Schnürchen und gehöriger Sprengkraft. Das unwiderstehliche Teil, mit dem sich gerade wieder Millionen von Frauen eine ganze Badesaison lang abgemüht haben, um auch im unkleidsamsten Kleidungsstück der Welt einigermassen gute Figur zu machen. Natürlich war es ein Mann, hält die deutsche Journalistin Beate Berger in ihrer Geschichte des tabu- und bahnbrechenden Zweiteilers fest, der sich um die Freilegung des weiblichen Körpers verdient gemacht hat: Louis Réard, ein französischer Autoingenieur, der in den 1930er Jahren auf Bademodendesign umsattelte. Anfangs Juli 1946 stellte er im Pariser Freibad Molitor stilvoll seine gewagte neue Zweiteiler-Création für Badenixen vor, benannt – zu Ehren der ersten Nuklearversuche im Pazifik – nach dem Atoll Bikini, über dem wenige Tage zuvor die erste Atombombe explodiert war. Der Name „Bikini“ war in aller Mund, Ausdruck von Supermacht, Fortschritt und Gefahr zugleich. Die Kombination von Badeanzug und nuklearem Weltgeschehen lag sozusagen in der Luft, hatte doch wenige Wochen zuvor bereits der französische Modeschöpfer Jacques Heim die Pariser Modewelt mit einem etwas dezenteren, aber doch bauchfreien Badkostüm überrascht, das er „Atom“ nannte. „Atom“ contra „Bikini“ lautete denn auch der Werbespruch der Badesaison 1946, der darauf verweist, wie eng die amerikanische Rüstungspolitik mit der Entstehung der modernen Bademode verknüpft war. Zum Durchbruch haben den modischen Badekostümen vorerst nämlich nicht das freizügige Design, sondern die synthetischen Fasern Nylon oder Perlon verholfen, die in den 1930er Jahren erfunden, während dem Krieg jedoch ausschliesslich für militärische Zwecke produziert und weiterentwickelt worden waren. Die synthetischen Stoffe ermöglichten die Fabrikation von elastischen, eng anliegenden Badekleidern, die im Gegensatz zu den früheren Strickmodellen nicht mehr so arg auf der Haut „kratzten“, schnell trockneten und dank neuen Färbetechniken erst noch so leuchtend bunt schillerten wie nie zuvor. Die Enthüllung des weiblichen Körpers mit dem modischen Zweiteiler löste heftige Kontroversen aus, die sich über Jahre hinzogen: So verbot noch Ende der 1960er Jahre etwa die Satzung des Schwimmbades Passau „das Tragen von Bikini-Badeanzügen“, während die Haute-Couture schon den busenfreien „Monokini“ defilieren liess. Bereits 1962 war Ursula Andress als wehrhaftes James-Bond-Girl im legendären elfenbeinfarbenen Bikini den Meereswogen entstiegen, was den umstrittenen Badeanzug untrennbar mit dem Image der modernen selbstbewussten Frau verband. Als „Normalität“ etablierten sich bauchfrei und Bikini definitiv in den 1990er Jahren und damit auch die rituellen Fitnesspläne in den Zeitschriften der Vorsaison, mit denen frau – von wegen Selbstbewusstsein und Emanzipation – den unliebsamen Fettpolstern, Haarwüchsen oder der Orangenhaut zu Leibe rücken kann. Denn mit den knappen Stofffetzen lässt sich schwer verhüllen, was eigentlich zur Enthüllung gedacht war. Beate Burger zeichnet anhand von Skandalgeschichtchen, Anekdoten, Schlagertexten, Auszügen aus Frauenzeitschriften, Filmhinweisen und interessanten Fotos ein Stück moderner Körperkultur und Zeitgeschichte nach, amüsant, oft ironisierend, immer locker und ohne moralisierende Zwischentöne. Das gibt Einblick in die rasanten Entwicklungen der letzten 50 Jahre und weckt Erinnerungen an noch gar nicht so lang vergangene Tage. Das bisschen Stoff lässt tief blicken und regt hoffentlich weitere HistorikerInnen dazu an, etwas tiefer unter die Oberfläche der Geschichten zu schürfen.
marebuchverlag, Hamburg, 271 Seiten, SFr. 43.70, € 24.90, ISBN 3-936384-88-6