Beatrice Schumacher: Ferien
Ferien – eine Selbstverständlichkeit? Für uns sicher, weltweit aber keineswegs. Auch bei uns st das Phänomen „Ferien“ noch relativ jung und unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen entstanden, deren Betrachtung viel zum heutigen Verständnis von Ferien und Tourismus beiträgt. Die Basler Historikerin Beatrice Schumacher zeichnet in ihrer interessanten und ausführlich dokumentierten Studie nach, wie Ferien ab der zweiten Hälfte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts für die Schweizer Bevölkerung allmählich zu einer Selbstverständlichkeit wurden und wie stark Ferien auch gleich mit der Vorstellung des Wegfahrens, des Reisens verknüpft wurden. Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts, das zeigt der mit dem bezeichnenden Titel „Kraftstationen“ überschriebene erste Teil der Studie, verbreitete sich ein gesundheitspolitischer und erzieherischer Diskurs, der Ferien als feste Ruhepause und notwendige Erholung von der Arbeit postulierte. Das Bedürfnis nach Ferien nahm Gestalt an, sozialpolitische Forderungen verhalfen bis Mitte des 20. Jahrhunderts dem neuen Ferienverständnis zum Durchbruch. Wie dieses neue Bedürfnis zu befriedigen, Ferien in die Realität umzusetzen sind bzw. auszusehen haben, illustriert der mit „Auftanken“ betitelte zweite Teil der Studie anhand von detaillierten Fallstudien über die Ferienheime der schweizerischen Eisenbahner, die Pionierleistungen im Sozialtourismus der Schweizer Reisekasse sowie die Entstehung des Reiseunternehmens Hotelplan. Es liest sich äusserst spannend, wie der Gründer der Migros-Genossenschaft, Gottlieb Duttweiler, Mitte der 30er Jahre die populären Ferien erfand, mit Slogans wie „Ferien für jedermann“ und „Feriengenuss im Überfluss“ der breiten Bevölkerung schmackhaft machte und gleichzeitig einen Ausweg aus der Krise des schweizerischen Fremdenverkehrs aufzeigte. Mit diesem Buch schliesst Beatrice Schumacher eine grosse Lücke in der Schweizer Ferien- und Tourismusgeschichte, aber auch der Unternehmens- und Konsumgeschichte.
Böhlau Wien 2002, 418 Seiten, SFr. 69,85/€ 39,80, ISBN 3-205-99411-6