Besserer Marktzugang für Kunsthandwerker in El Salvador
"Feldbesuche haben mir am meisten Spass gemacht", sagt Bettina Bauer und lächelt. "Die Autofahrten bis zum Projekt waren immer ein Abenteuer." Denn dort, wo die Schweizerin arbeitete gab es keine Strassen, nur Feldwege. Wie am Ende der Welt habe sie sich dann manchmal gefühlt. Gemeint ist El Salvador und das ist nicht am Ende der Welt. Das Land mit seinen 7,3 Millionen EinwohnerInnen liegt vielmehr inmitten vom Golf von Mexiko und gilt als kleinste der fünf mittelamerikanischen Republiken. Ein grosses Problem von El Salvador ist die Kriminalitätsrate, die gemessen an der Einwohnerzahl zu den weltweit höchsten gehört. Viele Jugendliche finden keine Arbeit. Einige schliessen sich Jugendbanden (span.: maras) an. Die maras erpressen Schutzgelder in den von ihnen kontrollierten Stadtgebieten, verüben Auftragsmorde und sind zunehmend von der Drogenmafia unterwandert. Zwar ist die offizielle Arbeitslosenquote in El Salvador mit sieben Prozent recht niedrig, doch müssen noch circa 30 bis 40 Prozent Unterbeschäftigte hinzugerechnet werden. Viele Betriebe sind nicht wettbewerbsfähig, da es nur wenige ausgebildete Arbeitskräfte gibt.
Bettina Bauer war zwei Jahre lang Beraterin eines Projektes von Swisscontact zur Privatsektorförderung in El Salvador. Das 14-köpfige Team kam in das mittelamerikanische Land, um die Wettbewerbsfähigkeit der Kunsthandwerker zu stärken. Kunsthandwerk wird in El Salvador vor allem von der indigenen Bevölkerung produziert, welche auch heute noch sozial und ökonomisch stark benachteiligt ist. 48 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, das heisst, sie leben mit weniger als einem Dollar pro Tag. Analphabetismus ist besonders unter den Indigenenweit verbreitet, so dass viele von ihnen keinen Anschluss an den Wirtschaftskreislauf finden können und auf ihrer Ware sitzen bleiben. "Zudem müssen sie unter rückständigen Bedingungen produzieren", erzählt Bettina Bauer. Swisscontact unterstütze sie dabei, ihr Kunsthandwerk wie Taschen, Decken, Vasen und Schmuck effizienter herzustellen, und schaffe Zugang zu Absatzmärkten.
"Wir vermitteln praktische Lehrgänge und Schulungen", sagt Bettina Bauer. "Ausserdem bekommen die Handwerker Hilfe bei der Betriebsführung, damit sie irgendwann ihre eigene kleine Werkstatt führen können." Ziel des Projektes ist, das Wirtschaftswachstum in der nördlichen Zone von El Salvador anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Das Projekt läuft noch bis 2012 und wird von der Millennium Challenge Corporation finanziert. 4,6 Millionen Dollar stellt die Corporation zwischen 2007 und 2012 für das Programm zur Verfügung, von dem Swisscontact ein Teilprojekt umsetzt.
Doch aller Anfang ist schwer und das Projekt lief nicht reibungslos an. Zu Beginn ging die Unterstützung noch direkt an die Kunsthandwerker. Dies haben die Projektmitarbeiter von Swisscontact in einer zweiten Projektphase jedoch korrigiert. "Die Produzenten wohnten zu abgelegen, um Kontakt zu den Händlern halten zu können", erinnert sich Bettina Bauer. In der zweiten, von Swisscontact betreuten Phase stärkte das Projekt nicht mehr die Kunsthandwerker, sondern die schon bestehenden beiden Kunsthandwerksvereinigungen. "Denn diese bleiben nach Ende des Projektes bestehen und ihre Mitglieder profitieren langfristig davon, indem sie als Gruppe auftreten können", so Bettina Bauer. Ziel von Swisscontact ist es den Export zu stärken. Die Kunsthandwerker liefern den Vereinigungen zu und diese exportieren die Ware nach Österreich, Italien, Deutschland und in die USA.
"Wir haben die Produkte zusammen mit den Kunsthandwerkern nach und nach sehr verändert", sagt Bettina Bauer. "Die Verarbeitung ist qualitativ hochwertiger geworden und wir haben die Farben an den europäischen Geschmack angepasst." Ein Geschäft am Cuscatlan International Airport in El Salvador verkauft den Schmuck, die Taschen und Decken an heimreisende Touristen. Auf einem Markt im Touristenstädtchen Antigua in Guatemala können Urlauber und Einheimische die Produkte aus El Salvador ebenfalls kaufen. "Ein grosses Erfolgserlebnis für uns war, dass die Kooperativen in diesem Jahr sogar an einer Messe für Kunsthandwerker in New York eingeladen waren", sagt Bettina Bauer. Zudem kam ein ausländischer Abnehmer nach El Salvador, um seine Lieferanten persönlich kennenzulernen.
Wenn Bettina Bauer also im Jeep über Schotterpisten nach Chalatenango, Ilobasco oder Suchitoto holperte, dann war sie meistens auf dem Weg zu einem Treffen mit Kunsthandwerkern. Sie prüfte mit ihnen Designvorschläge für Ketten, Armreifen oder Handtaschen oder leitete Lehrgänge. Auch für die Festlegung der Preise war sie zuständig. "Ich wollte schon immer im internationalen Bereich arbeiten", erzählt die Schweizerin. Denn aufgewachsen ist Bettina Bauer im Irak und in Kuwait. Nach einem zweijährigen Stopp in der Schweiz zog sie mit zwölf Jahren mit ihrer Familie auf die Philippinen. Um an der Universität Genf Internationale Beziehungen zu studieren, kam sie schliesslich in die Schweiz zurück. "Damit ich in der Entwicklungszusammenarbeit Fuss fassen konnte, machte ich ein Praktikum bei der DEZA", sagt Bettina Bauer. Anschliessend fand sie eine Stelle bei Swisscontact in Zürich. Die Stiftung für technische Entwicklungszusammenarbeit schickte sie 2009 für einen Auslandseinsatz nach El Salvador.
Nun ist sie seit Anfang 2011 zurück in Zürich. "Das Projekt läuft noch bis 2012", so die 28-Jährige. Danach soll die Kunsthandwerkervereinigung das Projekt nachhaltig weiterführen. Die Chancen stehen gut, denn die Genossenschaften geniessen einen ausgezeichneten Ruf. Ausserdem ist ein ähnliches Projekt für den Süden von El Salvador geplant. Ebenfalls mit dem Ziel der Exportsteigerung und damit eine grosse Chance für die dort lebenden Kunsthandwerker.