Basel, 16.09.2013, akte/
2011 wurde die Desert Lodge als "beste Initiative für nachhaltige Entwicklung"* mit dem begehrten Worldwide Hospitality Award ausgezeichnet. Eines der vielen vorbildlichen Projekte der Desert Lodge ist das Konzept zur Abfalltrennung. Was ist euer Ziel?
Wir starteten das Projekt vor vier Jahren. Bis dann unternahmen wir jährliche Putzaktionen mit unseren Hotelangestellten und Schulklassen, auch um sie für die Abfallthematik zu sensibilisieren, wir finanzierten bunte Abfalleimer, die im Dorf aufgestellt wurden, um es sauber zu halten, ebenso Schubkarren und Handschuhe für das Einsammeln des Mülls. Aber das reichte nicht. Wir wollten, dass der Abfall ordentlich getrennt und für das Recycling nach Kairo gebracht wird, denn der Haushaltmüll der rund 10’000 Oasenbewohner wurde bis dahin per Traktor in die nahe gelegene Wüste gefahren, dort verbrannt und liegen gelassen.
Wie bist du auf die Abfalltrennung gekommen?
Vor der Lodge stehen seit Jahren grosse Tontöpfe zum getrennten Sammeln von Pappe, Metall und Plastik. Man hatte diese Töpfe aufgestellt, weil es zum guten Image eines Ökohotels gehörte, aber der Abfall wurde auch in die Wüste geschmissen, die Lodge machte es so, wie es halt alle tun. Als ich mit meinen Geschäftspartnern darüber sprach, willigten sie ein, dass wir nicht weiter so tun als ob, sondern Nägel mit Köpfen machen. Mit ihrer Unterstützung ging ich zuerst zum Bürgermeister, dann zum Gouverneur und schlug vor, dass die Desert Lodge einen Mitarbeiter zum Abfall trennen stellt, das Dorf den anderen. Ich argumentierte, dass wir in der Nähe unserer Lodge ein kleines Naturschutzgebiet eingerichtet hatten und wollten, dass die Region sauber bleibt. Nach einigem Hin und Her meinte er: "Ach so, Sie meinen, wir sollen das Gebiet so lassen wie Gott es geschaffen hat", und das schien ihm plausibel. Die Oasenbewohner wollten natürlich auch wissen, wieso wir das machen. "Für Eure Gesundheit, für die Umwelt", erklärten wir. "Ah, ihr meint wegen der kommenden Generationen", antworteten sie, und das leuchtete ein.
Wie ging es dann weiter?
Die Energiestadt Muttenz, mein Wohn- und Heimatort, finanzierte den Bau eines Abfall-Sammellagers. Das Projekt gedieh, und bis zu den ersten Unruhen im Jahr 2011 hatten wir zwei Mitarbeitende, die den Abfall trennten. Sie sortierten Glas, PET, Pappe und Metall aus, zudem Plastiksandalen und Gartenstühle; der Rest wurde verbrannt und zugedeckt. Bioabfall gibt es kaum, denn dieser wird dem Federvieh verfüttert. Natürlich verbrennt mit dem Abfall immer auch noch Sondermüll. In Zukunft sollen aber Batterien getrennt gesammelt werden. Es wohnen jetzt rund 11’000 Menschen in Al Qasr. Da das Stromnetz häufig ausfällt, kommen viele Batterien zusammen. Die Regierung hat bisher wenig unternommen, um den wachsenden Strombedarf zu decken.
Letztes Jahr habe ich bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Kairo Unterstützung beantragt. Die Deza zahlte für die Infrastruktur, die Vergrösserung des Sammellagers und das Projektmanagement durch mich sowie für zwei von mir für die Reduktion des Abfallvolumens entwickelte Maschinen.
Was für Maschinen?
Da wir keinen Strom in der Wüste haben, entwickelte ich eine handbetriebene Maschine mit dornenbestückten Walzen und liess sie in Ägypten bauen. Die Dornen perforieren die PET Flaschen. Die zweite Maschine ist eine Presse, die sowohl Metallbüchsen, als auch Plastikflaschen komprimieren kann. So kann das Volumen stark reduziert werden. Danach kommen die Flaschen und Büchsen in grosse Säcke, die nach Kairo gebracht werden.
Von wem?
Ein Mann, ein so genannter Zabaleen, holt sie mit dem Auto und zahlt uns nach Gewicht. Wir zahlen davon die Arbeiter, welche den Abfall trennen und hoffen, dass das Projekt irgendwann selbsttragend wird.
In Kairo sind viele so genannte Zabaleen: Das sind Abfalltrenner, meist Kopten, die von Oberägypten vor 1950 nach Kairo gekommen sind. Sie hatten es schwer, Jobs zu finden. Aber alles, was mit Abfall zu tun hat, gilt bei Muslimen als schmutzig. Demzufolge machten und machen die Kopten, die gut organisiert sind, den Abfall zu Geld, was oft Neid auslöste. Sie hielten zudem Schweine, die den Bioabfall frassen, was vielen Muslimen ein Dorn im Auge war. Im Jahr, als die Schweinegrippe umging, wurden auf Anordnung der Regierung in ganz Ägypten fast alle Schweine geschlachtet, was die Zabaleen besonders traf. Eine zusätzliche Schikane des Staates ist, dass neuerdings Strassengebühren erhoben werden auf der Strecke, wo diese Menschen ihre Arbeitsgebiete eingerichtet haben, nämlich an der Peripherie der Hauptstadt. Nun muss jede Ladung Abfall bezahlt werden.
Du erwähntest, das Projekt sei bis zu den Unruhen 2013 gewachsen. Wo steht es heute, nach den Unruhen?
Schon 2011 kollabierte das ganze System wegen der ersten Revolution. Jetzt ist mit den neusten Aufständen und dem Regierungswechsel wieder alles zum Erliegen gekommen. Der von den Muslimbrüdern eingesetzte Gouverneur ist weg. Die Sorgen sind gross und unser Abfallprojekt nicht die wichtigste Sache in solchen turbulenten Zeiten. Wir wissen nicht, wie das mit der neuen Regierung aussieht. Unser Ziel bleibt aber, dass wir den ganzen Abfall der Oasenstadt Al Qasr bewirtschaften. Ich engagiere mich weiterhin für dieses Projekt und zusätzlich, zusammen mit einer Schweizer Kollegin für ein Upcycling-Projekt in Kairo, bei dem zum Beispiel aus Plastiksäcken moderne Taschen und aus Altglas Trinkgefässe, Schalen oder Teelichter entstehen und gleichzeitig Jobs für die weniger privilegierten Bewohner geschaffen werden.
Und wie geht es der Desert Lodge?
Das Geschäft läuft seit der Revolution schlecht. Wir haben 32 Hotelzimmer. Bis dahin ging es ganz gut. Die Gäste kamen im Herbst, Winter und Frühling, denn im Sommer ist es zu heiss. Bis jetzt beschäftigen wir unsere Mitarbeitenden das ganze Jahr hindurch. Ein paar sind abgesprungen. Am Roten Meer und entlang des Nils wurden massenhaft Hotelangestellte entlassen. Das machen wir nicht, oder noch nicht. Wie die Zukunft aussieht, wissen wir nicht. Unsere Angestellten sind alle Bauern und haben damit noch ein Standbein. Eigentlich sind sie Vollzeit bei uns angestellt, aber im Sommer haben sie auf ihrem Hof etwas zu tun. Fossiles Wasser hat es genug. Sie pflanzen Getreide, Mais und Tierfutter (Bockshornklee) an, früher vor allem Reis, aber das ist jetzt verboten weil es zu wasserintensiv ist. Einer unserer Mitarbeitenden ist Diabetiker, dem geht es nicht so gut. Ich bin froh, dass auch der Manager die Mitarbeitenden so lange behalten will, wie es geht. Das gehört ebenso zu unserem Verständnis von Nachhaltigkeit wie etwa der sparsame Umgang mit Wasser, das wir aus dem Dorf beziehen, mit Spezialfiltern reinigen und in Mehrwegflaschen mit Einwegverschlüssen abfüllen. Eine einfache, effiziente Plastikvermeidungsstrategie. Warum machen das die anderen Hotels nicht auch?


Ursina Rüegg (66) reist seit vielen Jahren nach Ägypten. So war ihr die Beteiligung in der Desert Lodge willkommen. Sie verbringt pro Jahr mehrere Wochen in Ägypten, dem Land, in dem schon ihre Mutter aufwuchs. Al Qasr ist eines von 14 Dörfern des Grossbezirks Dakhla. Dakhla ist eine von fünf Oasen Ägyptens, die noch zum Teil im Lehmbaustil gehalten ist. Die Leute in Al Qasr leben nicht in der Altstadt, die unter Heimatschutz steht und weder mit Strom noch mit Wasser versorgt ist, sondern darum herum.
Die Desert Lodge steht auf der Felsnase ausserhalb des Dorfes und verfügt über eine eigene warme Quelle.