Bis dass die Krise zur Wende zwingt…
Für die Tourismusbranche kam’s knüppeldick in den letzten Wochen. Reisende „im Streik“, Kurzarbeit und Liquiditätsengpässe bei Veranstaltern, Airlines auf Crashkurs – die Zeiten sind hart und die Aussichten düster. Ob all der Hiobsbotschaften ging die einzige positive Meldung zum Tourismus unter: Im Januar 2003 vermeldete die Welttourismusorganisation (WTO-OMT), dass entgegen ihren eigenen Erwartungen der grenzüberschreitende Tourismus weltweit im 2002 um sage und schreibe 3,1 Prozent zugelegt hat. 715 Millionen internationale Reisen wurden getätigt gegenüber 697 Millionen im „Rekordjahr“ 2000 und 693 Millionen im „Einbruchjahr“ 2001. Ein Wermutstropfen ist allerdings dabei, bloss ist er aus der Pressemeldung der WTO-OMT nicht zu ersehen, sondern erst beim genaueren Durchforsten der Zahlen: Pro internationale Reise wurde deutlich weniger Geld ausgegeben, so dass sich die Einnahmen aus dem internationalen Tourismus trotz des unerwarteten Zuwachses an Reisen auf rund 479 Milliarden USD belaufen, nur geringfügig mehr als im „Rekordjahr“ 2000.
Die Zahlen beruhen auf sehr groben Hochrechnungen. Dennoch ergeben sie einen Trend, der wenig gutes verheisst, vor allem für die Gastregionen, die pro Reisende deutlich weniger verdienen. Dieser Trend erzählt vom „Auspressen der Zitrone“ in dieser Branche, die sehr grosszügig Naturressourcen kostenlos verschleudert und weltweit kräftig von mehr oder weniger verdeckten Subventionen profitiert. Allein schon dank der Steuerbefreiung des Flugtreibstoffes Kerosin, nicht zu reden von all den Steuererleichterungen, Förderungen und anderen Anreizen für Tourismusunternehmen in den Gastländern.
Auch in der Schweiz steht eine nächste Tranche der Tourismusförderung im Parlament zur Diskussion an, eine Förderung, die an klare Auflagen für Nachhaltigkeit und Regionalentwicklung geknüpft Sinn macht (vgl. akte- Kurznachrichten 2/2002). Zudem wird der Tourismus in der Schweiz jährlich mit mehreren Millionen Franken gefördert dank dem tieferen Mehrwertsteuersatz. Von diesem profitiert übrigens auch die Reisebranche, die aufgrund der jetzigen akuten Krise mit weiteren Subventionsforderungen an den Bund gelangen will. Diese „Mehrwertsteuer“-Subvention ist eine Förderung nach Giesskannenprinzip und bietet keinen Anreiz zu der Trendwende, die sich mit der Analyse der Krise immer dringlicher aufdrängt: Zur Diskussion steht jetzt die Nachhaltigkeit der Branche, vorab in ihrer wirtschaftlichen Dimension, ob sie nun durch weltpolitische Ereignisse belastet wird oder durch hausgemachte Probleme. Und die Wirtschaftlichkeit kann nicht getrennt von ökologischen und sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit betrachtet werden. Die alten Rezepte der Reisebranche, mit Umsatzbolzerei dank immer billigeren Angeboten und entsprechendem Druck auf die lokalen Anbieter die Geschäfte anzukurbeln, bieten keine Remedur, sie scheinen im Gegenteil ausgedient. Spezialisierte Kleinveranstalter mit ausgewiesen nachhaltigen Angeboten und guter Kundenberatung konnten nämlich auch im Krisenjahr 2002 einen erfolgreichen Geschäftsgang vermelden. Immer deutlicher wird zudem, dass die für den Tourismus unabdingliche Sicherheit den Reisenden nur noch da geboten werden, wo die breite Bevölkerung im Gastland am Tourismus teilhat und – wie die Sars-Epidemie zeigt – über eine gute Gesundheitsversorgung verfügt.
Selbst die WTO-OMT scheint die Chance in der Krise zu erahnen, wenn sie mit neuen Programmen die Rolle des Tourismus für die Überwindung der Armut weltweit zu verstärken sucht. Damit setzt sie ein Signal, auch wenn sie gleichzeitig als Trost an die gebeutelte Branche zur Zeit viel Zweckoptimismus versprüht, indem sie als Beispiel für die unerschütterliche Krisenresistenz des Tourismus Südostasien nach Finanzkrise Ende der neunziger Jahre bemüht. Sicher konnte Thailand 1998 dank einem aufwändigen Werbefeldzug für sogenannt nachhaltige und „Öko“-Tourismusangebote rund 7 Prozent mehr ausländische Gäste anziehen, die Einnahmen sanken aber im selben Zeitraum um gut 10 Prozent. Tourismusinitiativen, die umwelt- und sozialverträgliche Angebote auf den Markt brachten, blieben dabei auf den Hoffnungen sitzen, die mit der Werbekampagne geschürt worden waren.
Wieviel Krise braucht der Tourismus noch, bis die Verantwortlichen endlich menschengerechter handeln?