Blaue Zukunft
1 Sauberes Trinkwasser: Ein Menschenrecht
Wie viel Wasser braucht der Mensch? 30 Liter pro Tag, sagt die Äthiopierin Hirut Gebrerefal, die an der Wasserstelle ihres Dorfes jeden Tag vier 30-Liter-Kanister mit sauberem Wasser füllt. Damit sind die wichtigsten Bedürfnisse – Trinken, Kochen, Waschen – der Familie gedeckt. Doch für 800 Millionen Menschen ist das Menschenrecht auf sauberes Wasser nicht verwirklicht, denn das Wasser, das sie nutzen, ist oft mit Krankheitserregern verseucht. Eine wichtige Quelle für diese Verseuchung sind menschliche Fäkalien. Eine Milliarde Menschen müssen ihr Geschäft immer noch im Freien verrichten. Der Bau von Latrinen und Aufklärung über Hygiene sind deshalb Teil der weltweiten Bemühungen für sauberes Trinkwasser.
2 Klimawandel: Gestörter Wasserhaushalt
Der Regen fällt nicht mehr so zuverlässig wie früher. Oft bleibt er ganz aus, dann wieder ist er so heftig, dass Saaten ertränkt und fruchtbare Böden weggeschwemmt werden. Das sagen erfahrene Bäuerinnen und Bauern aus Entwicklungsländern. Die Wissenschaft bestätigt ihre Beobachtungen. Mit jedem Grad Erwärmung werde der Kreislauf von Verdunstung und Niederschlägen um acht Prozent verstärkt, berichteten Forscher letztes Jahr im Wissenschaftsmagazin "Science". Noch bedenklicher ist ein anderes Ergebnis ihrer Forschungen: In regenreichen Gebieten nehmen die Niederschläge zu, regenarme Gebiete trocknen immer mehr aus.
3 Watergrabbing: Anderen das Wasser abgraben
Um die wachsenden Nahrungsbedürfnisse ihrer Bevölkerung sicherzustellen, pachten indische, chinesische und koreanische Regierungen und Unternehmen sowie Investoren aus den Golfstaaten afrikanisches Bauernland. Land ist für die Landwirtschaft nur wertvoll, wenn es da auch Wasser hat. Deshalb führt das schon länger bekannte Landgrabbing zum Watergrabbing. Im Süden Äthiopiens zum Beispiel soll Wasser aus dem gigantischen Staudamm Gibe III 150’000 Hektar Zuckerrohrfelder bewässern. Ökologen warnen vor exzessiver Nutzung des Flusswassers. Das Niveau des kenianischen Turkana-Sees droht um acht Meter zu sinken, die dortigen Fischer könnten ihre Lebensgrundlage verlieren.
4 Vergiftetes Wasser: Lebensgefahr durch Bergbau und Industrie
In der Schweiz war sie noch vor 50 Jahren eine existentielle Bedrohung, in vielen Entwicklungsländern gehört sie zum erschreckenden Alltag: die Gewässerverschmutzung. Der skrupellose Abbau von Erdöl, Gold und anderen Rohstoffen sowie eine forcierte Industrialisierung vergiften die Gewässer und belasten die Nahrungskette mit Schwermetallen. Proteste von Bauern und Fischern werden oft gewaltsam unterdrückt. So auch rund um die riesige peruanische Goldmine Conga, wo letzten Sommer fünf Menschen von Ordnungskräften erschossen wurden.
5 Staudämme: Bedrohung für Bauernfamilien und Fischer
Der Hunger nach Energie führt weltweit zum Bau neuer Staudämme. Betroffen sind Flüsse in den Bergen, aber auch grosse Ströme wie der Mekong in Südostasien. Laos zum Beispiel plant für den Mekong zehn riesige Staudämme. Lokale und internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen – unter ihnen auch Helvetas – warnen vor den Folgen für die Landwirtschaft, die Fischerei und die Biodiversität. Einen ersten Etappensieg haben sie dabei errungen: Die laotische Regierung hat die Arbeiten für das umstrittene Stauprojekt Sayaburi vorläufig eingestellt.
6 Wasserverluste: Ungenutztes Wasser nutzbar machen
Vor allem in ländlichen Gebieten des Südens stehen die Menschen der Klimaerwärmung und dem Ausbleiben des Regens wehrlos gegenüber. Umso wichtiger ist es, in der Regenzeit Wasser zu sammeln. Zisternen fangen das saubere Dachwasser auf. Teiche und kleine Dämme halten das Oberflächenwasser zurück. Aufforstungen helfen, die Regenfälle im Boden zu speichern. Wo solche Massnahmen fehlen, ist die Existenz der Menschen nicht gesichert.
7 Grundwasser: Gefährdeter Bodenschatz
Überall auf der Welt wird Wasser aus der Erde gepumpt, um Menschen mit Trinkwasser zu versorgen und Felder zu bewässern. Doch diese Grundwasservorkommen sind überall dort gefährdet, wo das Wasser schneller abgepumpt wird, als es nachfliessen kann. Das Problem ist besonders akut, wo wegen des Klimawandels weniger Regen fällt als früher. Im Nordwesten Indiens zum Beispiel ist bei 90 Prozent der untersuchten Brunnen der Grundwasserspiegel um mehr als neun Meter abgesunken. Mit jedem Bohrloch erhöht sich die Gefahr, dass das Grundwasser verschmutzt wird.
8 Wasserpreis: Wie viel soll Wasser kosten?
Wasser ist ein Geschenk der Natur, des Himmels oder der Götter, und deshalb ist es gratis. Diese Ansicht ist immer noch weit verbreitet. Das Misstrauen ist deshalb gross, wenn eine staatliche Stelle, eine NGO oder ein lokales Komitee vorschlägt, Wassergebühren zu erheben. Doch diese Gebühren sind nötig. Die Brunnen, Pumpen und Verteilsysteme für Trinkwasser halten nicht ewig, und vielen Staaten fehlt das Geld für den Unterhalt. Den müssen die Nutzer selber finanzieren und führen deshalb eine Kasse, die von allen Wasserbezügern gespeist wird. Wichtig ist, das richtige Mass zu finden und dafür zu sorgen, dass auch Mittellose Zugang zu Trinkwasser haben.
9 Wasserkonflikte: Kampf um eine vitale Ressource
Wo es zu wenig Wasser gibt, streiten die Menschen darum. So war es früher in den Trockentälern der Schweiz, und so ist es in wasserarmen Regionen in Entwicklungsländern. Wasser sei eine Quelle künftiger Konflikte, warnte UNO-Generalsekretär Kofi Annan schon vor zehn Jahren. Fachleute haben weltweit 260 Orte identifiziert, wo sich der Streit um Wasser zu einem regionalen oder internationalen Konflikt ausweiten könnte. Weil es beim Kampf um Wasser um die eigene Existenz geht, sind Verhandlungen besonders wichtig und besonders delikat.
10 Wasserprivatisierung: Wasser als Profitquelle
In den Neunzigerjahren gerieten städtische Wasserversorgungen in Entwicklungsländern in den Sog einer weltweiten Privatisierungswelle. Widerstand der lokalen Nutzer – wie im bolivianischen Cochabamba – und Misserfolge internationaler Wasserkonzerne haben die Euphorie abgekühlt. Heute droht dem Gemeingut Wasser Gefahr von anderer Seite: Statt für die Bevölkerung das Recht auf Wasser durchzusetzen, verkaufen oder verpachten Regierungen die Nutzungsrechte für Wasservorkommen an private, profitorientierte Akteure.