Basel, 18.08.2010, akte/ Vom 28. Juli bis zum 16. August 2010 sassen Touristen und Touristinnen in der auf 4000 Metern Höhe gelegenen Stadt Potosí im Südwesten Boliviens fest. Die gegen die Regierung protestierende Lokalbevölkerung hat die einzige Zugangsstrasse blockiert. Minenarbeiter, Bewohner der Stadt und Bauern forderten die Grenzbereinigung mit der Nachbar-Provinz Oruro, eine Zementfabrik, die Förderung der Metallverarbeitung, die Erhaltung des Cerro Rico Bergs, wo einst Silber abgebaut wurde, eine Ausweitung des Flughafens und mehr Strassen. Heinz Bichsel, Programmverantwortlicher für Bolivien von mission 21, dem evangelischen Missionswerk in Basel, gab für fairunterwegs.org eine Einschätzung ab.

Die Bahnlinien wurden vor einigen Jahren privatisiert und sind inzwischen stillgelegt, weil sie nicht rentiert haben. Wenn schon diese Handelslinie nichts eingebracht hat, was verspricht sich die Lokalbevölkerung vom Ausbau des Flughafens?
Darauf muss ich eine indirekte Antwort geben, denn diese Forderung leuchtet mir auch nicht auf Anhieb ein. Ich weiss nicht, welche Bedeutung ein internationaler Flughafen in Potosí haben könnte. Potosí könnte in Zukunft eine wichtige Bedeutung einnehmen im Abbau von Lithium – das weltweit eine zentrale Rolle in der neuen Akku-Technologie spielt, gerade auch bei Elektroautos. Die Stadt war einst Hochburg des Silberabbaus – Potosí war damals der Motor von ganz Bolivien. Heute ist davon nichts mehr übrig – der lokalen Bevölkerung ist nichts mehr geblieben. Mit einem internationalen Flughafen könnten die Bewohner also die Hoffnung auf Entwicklung der Provinz verbinden, darauf, dass die Provinz im Prozess der nationalen Entwicklung nicht vergessen geht.

Die Stadt ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Wovon leben die Leute? Was soll eine Zementfabrik bringen?
Der Minenabbau ist zurück gegangen. Potosí ist eine der ärmsten Gegenden in Bolivien geworden, 70 bis 80 Prozent der lokalen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, im bolivianischen Durchschnitt sind es rund 50 Prozent. Dies im Gegensatz zur Zeit des Silberabbaus. Seither hat sich keine neue Industrie in Potosí entwickelt. Da wird grosse Hoffnung auf eine neue Industrie wie beispielsweise eine Zementfabrik gesetzt. Doch solche Forderungen sind auch nicht absolut zu sehen, sie entstehen zum Teil zufällig. Evo Morales kam durch soziale Bewegungen an die Macht, sie sind seine Basis. Es sind unterschiedliche Gruppierungen, die sich in Protesten zufällig mit ihren Forderungen zusammen finden. Auch wenn die sozialen Bewegungen jetzt ihren Präsident haben, sie stellen weiterhin Forderungen. Morales kommt nun in Konflikt mit seiner eigenen Basis. Ein Ausruf dieser sozialen Bewegungen ist "Potosí federal" – sie wollen mehr Autonomie in der Provinz. Für die Regierung gilt es aber zwischen regionalen und nationalen Interessen auszugleichen.

Kommen wir nochmals zurück zur Forderung nach einem internationalen Flughafen – diese stimmt nicht mit der Stimme für ein "Potosí federal" überein.
Die Forderung nach einem internationalen Flughafen hat mich auch erstaunt. Präsident Morales hat zwar einen "anti-imperialistischen" Background. Die technologische Entwicklung soll aber gefördert werden, womit man automatisch abhängig von imperialistischen Mächten ist. Da kann Bolivien keinen Alleingang wagen. Eine Isolation von Bolivien gegenüber dem Rest der Welt wäre fatal. Der Präsident kann also sein "anti-imperialistisches" Wort gegenüber der Basis nicht halten. Der Lithium-Abbau ist dafür ein gutes Beispiel, ohne internationale Kooperation ist dieser nicht zu bewerkstelligen.

Welchen Stellenwert hat der Tourismus für Potosí? Die Stadt liegt so hoch, dass sich die meisten Touristen nicht wohl fühlen.
Die Silberstadt zieht schon gewisse Touristen an, aber für Potosí muss man schon ein besonderes Interesse mitbringen. Als grösserer Anziehungspunkt könnte noch der Salzsee dienen, aber auch da bleibt man nicht lange. Die Sonneneinstrahlung ist extrem, bringt man da nicht genügend Wasser mit, dann schafft man das nicht. Potosí oder der Salzsee von Uyuni sind eher  Ausflugsorte, die man von La Paz oder Sucre aus erreicht.

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Wer profitiert von den Ressourcen in Potosí?
Potosí gehört zu den ärmsten Regionen Boliviens. Etwa 75 Prozent der Bevölkerung gehören zu den Quechua. Sie sind arm, obwohl rund um Potosí ein Reichtum an Bodenschätzen liegt. Zum Beispiel das weltgrösste Vorkommen an Lithium, das für Batterien und Elektromobile gebraucht wird, in der Salzwüste Uyuni, aber auch Kalk, der zu Beton verarbeitet werden könnte, oder Zink. Um das Gebiet, in dem diese Rohstoffe liegen, kämpft auch die Nachbarprovinz Oruro, die den Ausnahmezustand erklärt hat. Der Konflikt, sagt die Zentralregierung, schwele seit bald 200 Jahren. Sie dementiert, was die Zeitung el Diario vor kurzem schrieb, nämlich dass im umstrittenenen Gebiet Cerra Pahua Uranreserven liegen. Die Bevölkerung möchte mehr vom Reichtum erhalten, der auf ihrem Boden gefördert wird. Es wird aber auch befürchtet, dass interessierte Unternehmen und eventuell gar internationale Akteure den Konflikt aus eigenen Interessen anheizen.

Quellen: La pobreza, el uranio y el cemento avivan la pelea, www.noticiasbolivianas.net 12.08.2010; Potosí: uranio en el cerro Pahua
www.eldiario.net, 10.08.2010; Resurge conflicto entre Potosí y Oruro por salar, www.eldeber.com.bo  08.04.2010; Potosí lanza un ultimátum por el litio, http://boliviaminera.blogspot.com;