Botswana: Historischer Sieg für die aus der Kalahari vertriebenen Basarwa („Buschleute“)
Basel, 04.01.07, akte/ Als Freudentag geht der 13. Dezember 2006 in die Jahrtausende alte Geschichte der unter dem Sammelbegriff Basarwa bezeichneten UreinwohnerInnen (San) von Botswana ein: Das Oberste Gericht hiess ihre Klage gegen die Regierung gut und verfügte, dass sie Anrecht auf freien Zugang zu ihrem angestammten Land in der Central Kalahari Game Reserve (CKGR) haben. Ihre Vertreibung durch die Regierung sei unrechtmässig und verfassungswidrig gewesen, ebenso das Verbot zu Jagen und zu Sammeln, das gemäss einem der Richter darauf hinauslaufe, sie zum Hungertod zu verurteilen. Nicht verurteilt jedoch wurde die Regierung dafür, dass sie die Versorgung der Basarwa mit Wasser, Nahrungsmitteln und Gesundheitsdiensten eingestellt hat; die Regierung sei nicht zur Grundversorgung verpflichtet, beschied das Oberste Gericht.
Das mit Spannung erwartete „Meilenstein-Urteil“ beschliesst den längsten und teuersten Prozess Botswanas, der ausgerechnet von den ärmsten EinwohnerInnen des Landes gegen die Regierung durchgezogen wurde: 239 „Buschleute“ hatten 2002 Klage gegen die Regierung erhoben, über 25 von ihnen sind während des sich dahinschleppenden Prozesses verstorben, doch rund 135 haben sich derweil neu der Sammelklage angeschlossen.
Auslöser war die gewaltsame Vertreibung der zu den indigenen Völkern der Gana und Gwi gehörenden BewohnerInnen der Central Kalahari Game Reserve (CKGR), die von der Regierung zur „Schutzzone“ deklariert worden war.
Hinter der Umsiedlungspolitik vermuteten Indigenen- und Menschenrechtsorganisationen handfeste wirtschaftliche Interessen: Die Regierung wolle verhindern, dass die „Buschleute“ im Naturpark Landrechte einklagen und so Anrecht auf die neu entdeckten Ressourcen – die Diamantvorkommen sowie das wachsende Potenzial für „Ökotourismus“ – erheben könnten. So kappte die Regierung die Grundversorgung der Indigenen in der Reserve und hinderte ihre Angehörigen daran, die Verbliebenen mit den lebensnotwendigen Gütern, Wasser und Medizin zu versorgen. Die Vertriebenen wurden in Umsiedlungslagern ausserhalb des Parks angesiedelt, wo sie weder jagen noch Feuerholz sammeln konnten, Verelendung, Krankheiten und Alkohol zum Opfer fielen und gänzlich der Willkür der Behörden ausgeliefert waren (siehe akte-Kurznachrichten 1/2006, 2/2005, 3/2004, 1/2003, 2/2002,).
Unermüdlich haben die zur „Central Kalahari Game Reserve Coalition“ zusammengeschlossenen fünf Indigenen- und Menschrechtsorganisationen Botswanas die unhaltbare Situation angeprangert und – unterstützt von Organisationen wie etwa Survival International – die internationale Gemeinschaft auf die systematische Verletzung der Rechte der Basarwa und ihre existenzielle Bedrohung aufmerksam gemacht. Mit Erfolg: 2005 erhielt Roy Sesana vom Volk der Gana den alternativen Nobelpreis (siehe akte-Kurznachrichten 1/2006).
Im Vorfeld des historischen Gerichtsentscheides appellierten die „Buschleute“ der Kalahari an Leonardo di Caprio, als dieser gerade den Film „The Blood Diamond“ lancierte. Die Afrikanische Menschenrechtskommission (ACHPR) nahm in einem Bericht über die Lage der Gana und der Gwi kritisch Stellung zur Regierungspolitik. Erzbischof Desmond Tutu verurteilte die Vertreibung der Basarwa und die Verletzung ihrer Rechte in Botswana öffentlich.
Und schliesslich schlug sich Mitte November 2006 auch die führende Oppositionspartei, Botswana Congress Party, auf die Seite der „Buschleute“. Vom historischen Gerichtsurteil bestärkt fordert die CKGR-Coalition nun die Regierung Botswanas zum Dialog auf, um für die betroffenen Basarwa neue Entwicklungsperspektiven zu schaffen. Denn dies ist die Voraussetzung, dass das historische Gerichtsurteil für sie auch wirklich das Ende dieses grausamen und leidvollen Kapitels in ihrer 20’000-jährigen Geschichte einläutet.
Quellen: Press Statement by the Botswana NGO CKGR Coalition: CKGR Court Case Ruling and A Call for Negotiations, 15.12.06, www.ditshwanelo.org.bw; SR DRS Echo der Zeit, Bericht von Ruedi Küng, 13.12.06; News Survival International, www.survival-international.org; Botswana tourism on the decline, 16.11.06, www.travelwirenews.com