Brasilien: Herkulesarbeit im Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern
Im September 2005 fand in Rio de Janeiro die «3rd International Assembly» von ECPAT International statt. Nicht von ungefähr war Brasilien Tagungsort. Dem grossen Einsatz der brasilianischen Nichtregierungsorganisationen und der Regierung gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern sollte damit Anerkennung zuteil werden. Internationale Unterstützung haben diese Akteure bitter nötig: Brasilien weist in Lateinamerika mit Abstand die höchste Zahl an Kindern auf, die Opfer sexueller Gewalt werden. Unter dem Druck von Armut und Migration brechen Familienstrukturen zusammen, Alkohol, Drogen und ein hohes Gewaltpotenzial in Familie und Gesellschaft tragen in der Folge dazu bei, dass Kinder vernachlässigt werden, auf der Strasse landen und oft genug der sexuellen Ausbeutung wehrlos ausgeliefert sind. Auch Jugendliche aus besser gestellten Schichten sind nicht vor Vernachlässigung und sexueller Gewalt gefeit, verkaufen sie doch, getrieben vom Konsumzwang, schnell ihren Körper, um sich begehrte Markenartikel leisten zu können. Im Stich gelassen aufgrund von schierer Armut werden Minderjährige leicht zur Beute von Pädophilen, von korrupten Beamten und der Drogenmafia.
Kommt hinzu, dass die Tourismuswerbung Brasilien noch immer gern als lustvolles, permissives Land anpreist. All das macht es Sextouristen leicht, die elende Situation der Kinder auszunutzen. Brasilien – ein Sexparadies für einschlägige Kreise, die keine Skrupel kennen. So vermelden lokale NGOs in der letzten Saison eine markante Zunahme des Kindersextourismus, nachdem Sextouristen offenbar den vom Tsunami betroffenen Gebiete Asiens den Rücken kehrten, um sich vermehrt nach Brasilien zu begeben.
In Brasilien die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus zu bekämpfen, ist zweifellos ein schwieriges Unterfangen. Die ECPAT-Kampagne, die seit sieben Jahren von Regierung und Behörden zusammen mit NGOs geführt wird, kann dennoch beachtliche Erfolge ausweisen: So wurde vom nationalen Sekretariat für Menschenrechte ein Informations- und Meldenetzwerk geschaffen. Das Tourismusministerium hat seinerseits vorbildliche Kampagnenmaterialien erstellt, internationale Seminare zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung gefördert, einen nationalen Aktionsplan für nachhaltigen Tourismus und Kinder entwickelt und aktiv die Umsetzung des ECPAT-Verhaltenskodex in der Tourismusindustrie unterstützt. Diese Anstrengungen tragen Früchte: Der Hotelkonzern Accor ratifizierte im September 2005 den Verhaltenskodex gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern für all seine Etablissements in Brasilien. Im Bundesstaat Rio Grande do Norte – immerhin so gross wie Deutschland – haben Regierung, Behörden und NGOs die Koordinationsplattform «resposta» ins Leben gerufen, die Tourismusverbände, Reiseveranstalter, Restaurants, Bars, Erlebnisparks und weitere wichtige Akteure wie Universitäten und Banken für den Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern an einen Tisch zusammenbrachte. Gerade die Banken haben sich jetzt verpflichtet, keine Kredite für Hotels oder Taxiunternehmen mehr zu sprechen, die den ECPAT-Code nicht umsetzen. «resposta» bietet konkrete Hilfestellung zur Umsetzung des Verhaltenskodex und betreibt zudem Informationsstände für Reisende und die Öffentlichkeit nicht nur in Restaurants, Nachtclubs und auf dem Flughafen, sondern auch in Shopping Zentren. Solche Aktivitäten verstärken den öffentlichenDruck. Im September erst wurde einem Charter aus Amsterdam, besetzt ausschliesslich mit Männern, die Landegenehmigung in Natal verweigert. Der «Sexbomber» durfte allerdings im nördlichen Nachbarstaat Ceará landen und seine Kundschaft in Fortaleza entladen.
Das Beispiel zeigt: Die Koordination der Bemühungen zum Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist dringlich – auf nationaler Ebene ebenso wie auf internationaler. Dabei sind besonders die Fluggesellschaften und Tour Operators gefordert, die aus den wichtigen Entsendeländern wie der Schweiz Brasilien neu als vielversprechenden Markt erschliessen, ihr Engagement zum Schutz der Kinder aktiv wahrzunehmen. /cosa-plus
Quellen: www.ecpat.net; www.thecode.org; www.resposta.org.br; Informationen von Karolina Frischkopf, ECPAT Switzerland, und Mechtild Maurer, ECPAT Deutschland
Mehr zum Verhaltenskodex der Tourismusbranche gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern im TTW-Mediendossier, das Cordula Sanwald, ECPAT Switzerland/Kinderschutz Schweiz, gemeinsam mit dem arbeitskreis tourismus & entwicklung erstellt hat – ab sofort auf: www.ecpat.ch, www.kinderschutz.ch und www.akte.ch